Kommentar

Brasiliens Rentenreform ist durch. Ein Meilenstein für die Regierung Bolsonaro – doch war’s das dann?

In Brasilien ist eine Rentenreform gelungen, die in den meisten Demokratien weltweit derzeit keine Chance hätte. Doch jetzt müsste es weitergehen mit dem Reformkurs – wegen des Konfrontationskurses von Präsident Bolsonaro und seinem Clan gegenüber dem Kongress ist das kaum zu erwarten.

Alexander Busch
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Wie soll es mit dem Reformprogramm weitergehen? – Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. (Bild: Sebastiao / Moreira / EPA)

Wie soll es mit dem Reformprogramm weitergehen? – Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. (Bild: Sebastiao / Moreira / EPA)

Es ist vollbracht: Nach acht Monaten ist es der Regierung des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro gelungen, die umstrittene Rentenreform von beiden Kammern des Kongresses mit qualifizierten Mehrheiten gutheissen zu lassen. Das ist ein ziemlich dicker Pflock, den sie damit einschlägt. In kaum einem anderen demokratischen Land weltweit hätte eine solche Reform derzeit eine Chance. Rund ein Prozent weniger Defizit im Primärhaushalt dürfte das für Brasiliens Staatsbudget ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen bringen. Das klingt abstrakt, ist aber wichtig: Denn nur wenn die zu hohen Ausgaben des brasilianischen Staates tendenziell sinken, ist dieser in der Lage, sein Defizit abzubauen, das jetzt rund 8% des BIP beträgt. Weil der Staat deswegen kaum noch investieren kann, sind die öffentlichen Dienstleistungen bei Sicherheit, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit so katastrophal.

Die Regierung und der Kongress konnten jetzt mit Unterstützung der Öffentlichkeit eine ganze Reihe von Privilegien beschneiden. So werden die meisten Brasilianer künftig später in Rente gehen, über längere Zeiträume Beiträge entrichten und, wenn sie mehr verdienen, auch deutlich mehr von ihrem Einkommen einzahlen. Gleichzeitig werden Beamte und Beschäftigte in der Privatwirtschaft erstmals gleich behandelt. Es gibt Ausnahmen: Lehrer und Bundespolizisten dürfen weiterhin früher in Rente gehen. Auch die Rentenreform der Militärs wird noch verhandelt, und es ist abzusehen, dass kaum an deren Privilegien gerüttelt wird, so einflussreich, wie die Uniformierten in der Regierung des Ex-Hauptmanns Bolsonaro sind.

Die Frage ist nun: Wie soll es mit dem Reformprogramm weitergehen? Hat die Regierung noch den Schnauf, um weitere ehrgeizige Reformen bei der Bürokratie, dem Finanzausgleich und gar dem Steuersystem durchzubekommen? Solche sind dringend notwendig, denn Brasiliens Konjunkturaussichten verbessern sich im Schneckentempo. Angesichts des Konfrontationskurses von Bolsonaro und seinem Clan gegenüber dem Kongress wären weitere Reformen ein kleines Wunder.