Die Geldanlage in Unternehmen mit positivem Rating hinsichtlich der Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (in Englisch Ethical, Social and Governance, kurz ESG) wird immer beliebter. Wir denken jedoch, dass ein Fokus auf Unternehmen mit schlechtem ESG-Rating, aber einer klaren Selbstverpflichtung zur Veränderung der bessere Weg sein könnte.

Das mag zunächst paradox klingen. Dabei kann die Identifizierung von Unternehmen, die im Begriff stehen, ihre ESG-Performance nennenswert zu verbessern, sowohl für die Anleger als auch für die Gesellschaft positive Auswirkungen haben.

Anleger sind ein wichtiger Faktor, wenn es gilt, die Unternehmen von der Notwendigkeit von Veränderungen zu überzeugen. Aktive Manager können durch ihr Abstimmungsverhalten und ihre Lobbyarbeit dazu beitragen. Wir nennen die Unternehmen, die ihr ESG-Verhalten erfolgreich ändern, „ESG-Aufsteiger“. Die Veränderungen führen oft auch zu besseren Betriebs- und Finanzergebnissen und somit letztendlich zu besseren Anlageerträgen.

Die Krux mit ESG-Ratings

ESG-Ratings sind das Rückgrat nachhaltigen Investments. Sie bieten einen Unternehmensüberblick zu zahlreichen relevanten Themen von Umweltschutz bis zu geschlechtlicher Gleichstellung. Aber sie können auch irreführend sein. Denn sie helfen den Anlegern nicht wirklich dabei, jene Unternehmen zu finden, die bereit für positiven Wandel sind. Und unser Research zeigt auch, dass es kaum einen Zusammenhang zwischen ESG-Ratings und Zusatzerträgen gibt.

MSCI, ein führender Anbieter von ESG-Ratings, hat hingegen eine Korrelation zwischen verbesserten ESG-Ratings und Investmenterträgen gefunden. Unser Research bestätigt diese Ergebnisse und zeigt zudem, dass die Unternehmen mit den niedrigsten – oder nicht vorhandenen – ESG-Ratings besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Der Wiedergutmachungseffekt

Unternehmen am unteren Rand des ESG-Spektrums profitieren am meisten von Rating-Upgrades. Wir haben die relativen Erträge von Unternehmen mit verbesserten ESG-Ratings über mehr als zehn Jahre analysiert. Aktien mit Upgrades haben den gleichgewichteten MSCI ACWI Index in den folgenden zwölf Monaten um durchschnittlich 0,93 % übertroffen, während Aktien mit Rating-Downgrades hinterherhinkten (Abbildung).

In den USA haben schlecht geratete Unternehmen mit Upgrades die größten Belohnungen eingeheimst (Abbildung). Wir nennen das den „Wiedergutmachungseffekt“. Aktien mit dem schlechtesten ESG-Rating (CCC), die sich um zwei Stufen verbessert haben, haben den S&P 500 Index um mehr als 5 % übertroffen. Unternehmen mit besseren ESG-Ratings (BBB) haben hingegen die Benchmark kaum übertroffen trotz ähnlicher Verbesserungen.

Der „Wiedergutmachungseffekt“ sollte Anleger dazu veranlassen, ihre Herangehensweise an ESG-Ratings zu überdenken. Ebenso wie Value-Investoren auf unterbewertete Aktien setzen, die nach Problemen Aufholpotenzial aufweisen, sollten Anleger nach Unternehmen mit schlechten ESG-Daten suchen, die sich in dieser Hinsicht verbessern wollen.

ESG-Ratings haben einen gewissen Wert. Sie können Anlegern helfen, die aktuelle Position eines Unternehmens hinsichtlich ESG zu eruieren. Sie helfen jedoch nicht bei der Prognose, wie ein Unternehmen sein Verhalten ändern oder seine Aktienerträge beeinflusst werden könnten. Daher ist ein umfassendes fundamentales Research im Bereich ESG unerlässlich, um eine effektive „ESG-Aufsteiger“-Strategie umzusetzen.

Viele ESG-Aufsteiger tummeln sich in den Schwellenländern

ESG-Aufsteiger finden sich auf der ganzen Welt, doch die Schwellenmärkte bieten besonders viele Chancen für Anleger. Emerging-Markets-Unternehmen haben tendenziell niedrigere ESG-Ratings als vergleichbare Unternehmen aus Industrieländern, und es gibt sehr viele Unternehmen, die überhaupt nicht bewertet wurden. Dem Anleger eröffnen sich dadurch mehr Chancen, Unternehmen mit Verbesserungspotenzial zu entdecken.

Ein Beispiel ist der chinesische Zementhersteller Anhui Conch Cement. Das Unternehmen hat aufgrund seiner schlechten Offenlegungspraktiken ein niedriges CCC-Rating. Unser Research zeigt jedoch, dass Anhui Conch Cement 28 % weniger Energie für die Zementproduktion verbraucht als Konkurrenten mit BBB-Rating. Die aktuellen ESG-Ratings bestrafen das Unternehmen für einen Mangel an Transparenz – verkennen jedoch das Potenzial für verbesserte Ratings, wenn die bessere Energieeffizienz honoriert wird. Wir als Conch-Investoren haben dem Unternehmen geholfen, MSCI mit Daten zu versorgen, die zu einem ESG-Upgrade führen könnten.

Norilsk Nickel, eine russische Bergbaugruppe, erhielt aufgrund der hohen Emissionen ein schlechtes CCC-ESG-Rating. Das MSCI-Rating basierte jedoch auf einem Fünfjahresdurchschnitt und ignorierte die Pläne des Unternehmens, seine Anlagen zu modernisieren und ein veraltetes Hüttenwerk stillzulegen. Engagierte Investoren konnten diese Veränderungen erkennen, was zu einer erheblichen Reduzierung der Emissionen führte, bevor MSCI im Dezember 2017 Norilsk Nickels ESG-Rating auf B heraufstufte.

Diese Beispiele zeigen, warum Research mit differenzierten Erkenntnissen notwendig ist, um zwischen chronischen ESG-Übeltätern und wahrhaft reuigen Sündern zu unterscheiden. Wir denken, dass es die Mühe wert ist. Immer mehr Anleger wollen echte gesellschaftliche Verbesserungen unterstützen, ohne dafür Ertragspotenzial zu opfern. Sie sollten nach Unternehmen Ausschau halten, deren Entschlossenheit zur ESG-Besserung noch nicht in ihren Aktienkursen reflektiert ist.

Die hier geäußerten Einschätzungen und Meinungen sind weder Analysen noch Investmentberatung oder Anlageempfehlungen. Sie geben nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams von AB wieder und können jederzeit geändert werden.

MSCI gibt keine ausdrücklichen oder stillschweigenden Garantien oder Zusicherungen ab und übernimmt keinerlei Haftung in Bezug auf hierin enthaltene MSCI-Daten.

Nelson Yu, Alex Pizzirani und Amy Yang trugen zu dieser Analyse bei.

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