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IWF-Prognose Deutsche Wirtschaft schrumpft stärker als befürchtet

Die Experten des Internationalen Währungsfonds blicken pessimistischer auf die deutsche Wirtschaft als noch im Frühjahr. Als einziger G7-Staat erzielt die Bundesrepublik kein Wachstum – überraschend gut läuft es dagegen für Russland.
Konjunkturprognose des IWF: Für die deutsche Wirtschaft korrigierte der Währungsfonds seine Annahmen

Konjunkturprognose des IWF: Für die deutsche Wirtschaft korrigierte der Währungsfonds seine Annahmen

Foto: Christian Charisius / dpa

Die deutsche Wirtschaft wird aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen. Die IWF-Ökonomen sind damit pessimistischer als noch vor drei Monaten. Im April hatten sie für 2023 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,1 Prozent vorausgesagt. Damit ist Deutschland der einzige G7-Staat, für den der IWF die Prognose vom Frühjahr nicht verbesserte.

Die Bundesrepublik leide unter der gegenwärtigen Schwäche der Industrie – dies sei eine Folge der hohen Energiepreise, so der Währungsfonds. Zudem bekomme das Land den vergleichsweise schwachen Welthandel zu spüren.

Für das Jahr 2024 rechnet der Währungsfonds in Deutschland dagegen mit einer etwas stärkeren Erholung als zuvor. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde voraussichtlich um 1,3 Prozent statt der zuvor erwarteten 1,1 Prozent steigen, schrieb der IWF in der Aktualisierung seines Weltwirtschafts-Ausblicks. Im Jahr 2022 war die deutsche Wirtschaft noch um 1,8 Prozent gewachsen.

Bessere Aussichten für die Weltwirtschaft

Für die Weltwirtschaft insgesamt wurde der Währungsfonds dagegen etwas zuversichtlicher. Er korrigierte die Wachstumsprognose auf 3,0 Prozent hoch. Im April war sie noch von 2,9 auf 2,8 Prozent gesenkt worden. Für 2024 rechnet der IWF wie bisher mit 3,0 Prozent. Von 2000 bis 2019 – also bis zur Coronapandemie – lag der jährliche Schnitt aber bei deutlich höheren 3,8 Prozent, wie der Fonds betonte. 2022 wuchs die Weltwirtschaft noch um 3,5 Prozent.

IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas zeigte sich vorsichtig optimistisch: Die Weltwirtschaft erhole sich nach und nach von der Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine. »Auf kurze Sicht sind Zeichen des Fortschritts unbestreitbar.« Die Arbeitsmärkte seien überraschend stark, der steile Abfall der Preise für Energie und Lebensmittel habe den Inflationsdruck schneller gemindert als erwartet. Der IWF senkte die Prognose für die Inflation in diesem Jahr von 7,0 auf 6,8 Prozent.

Gemischte Signale in der US-Wirtschaft

Doch es sei zu früh zum Feiern. Die Wirtschaft werde sich im Vergleich zu 2022 immer noch deutlich abkühlen. Besonders spürbar sei dies in der Eurozone, die nach dem Erdgas-Preisschub infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine »immer noch taumelt«.

In der Eurozone schraubte der IWF vor allem dank des aktuellen Reise-Booms die diesjährige Prognose unter anderem für Spanien hoch – von 1,5 Prozent Wachstum auf 2,5 Prozent. In Italien sollen es 1,1 Prozent statt der zuvor erwarteten 0,7 Prozent werden.

Die Signale in der US-Wirtschaft fielen hingegen gemischt aus, so der Währungsfonds. Zwar wurde die Prognose für dieses Jahr von 1,6 auf 1,8 Prozent angehoben. Auslöser seien unter anderem ein Zuwachs der Realeinkommen und eine Erholung der Autokäufe. Doch der IWF rechnet nicht damit, dass die Ausgabefreudigkeit andauern werde. Das in der Pandemie zusätzlich angesparte Geld sei weitgehend verbraucht, und von der US-Notenbank würden weitere Zinserhöhungen erwartet.

Für Russland läuft es überraschend gut

Für Russland hebt der IWF die Wachstumsprognose deutlich an – trotz der Sanktionen, die im Zuge des Angriffs auf die Ukraine verhängt wurden. Dem Währungsfonds zufolge sei dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,5 Prozent zu rechnen. Das sind 0,8 Punkte mehr als noch im April vermutet. Von allen großen Ländern hat nur Brasilien eine noch stärkere Veränderung nach oben für 2023 erfahren. Im kommenden Jahr dürfte die russische Wirtschaft dann – wie bisher vom IWF erwartet – um 1,3 Prozent zulegen.

Laut Währungsfonds ist das erste Halbjahr 2023 konjunkturell überraschend gut gelaufen in Russland. Die Experten verwiesen in ihrem neuen Weltwirtschaftsbericht auf die jüngsten Daten aus dem Einzelhandel, der Baubranche sowie zur Industrieproduktion. Außerdem wirkten sich hohe staatliche Ausgaben positiv aus.

Allerdings sieht es im längerfristigen Vergleich weniger rosig aus. Michael Rochlitz, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bremen, hatte bereits in einer Publikation von Ende Mai argumentiert, dass Russlands Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung seit 2009 abnehme. Die Automobilproduktion genauso wie die Fertigung pharmazeutischer Produkte seien in Russland eingebrochen. »Gleichzeitig ist der Rüstungssektor stark gewachsen. Jeder im Jahr 2022 produzierte und anschließend in der Ukraine zerstörte Panzer wird zum Bruttoinlandsprodukt dazugezählt, obwohl er nichts zum Wohlstand der russischen Bevölkerung beiträgt.« Zudem verliere Russland zahlreiche Fachkräfte, etwa aus der IT-Branche, so Rochlitz.

faq/dpa/dpa-AFX/Reuters