Aus dicker Luft wird harter Fels

Neue Perspektiven für die CO₂-Abscheidung und -Speicherung

Das Hadschar-Gebirge im Nordosten Omans ist der Traum eines jeden Geologen.

Allgemein anerkannt als der am besten erhaltene Ophiolith der Welt – ein Gestein, das einst den vulkanischen Grund eines prähistorischen Ozeans bildete – ist es bereits seit Langem Pilgerstätte für Wissenschaftler, die neue Erkenntnisse über die vielen Eigentümlichkeiten der Erde suchen.

Doch seit einigen Jahren zieht dieses zerklüftete Zeugnis der geologischen Verschiebungen, die einst die Erde geformt haben, eine ganz andere Art von Pilgern an: Besucher, die sich mehr für die Zukunft des Planeten als für seine Vergangenheit interessieren.

Grund dafür ist, dass dieses vulkanische Gestein – besser bekannt als der Samail-Ophiolith – Eigenschaften besitzt, die eines Tages helfen könnten, den Klimawandel umzukehren.

Um zu verstehen, wie Forscher zu diesem Schluss gekommen sind, müssen wir uns 10.000 Kilometer weiter nördlich nach Island begeben. Dort, in einem grossen Kraftwerk am Stadtrand von Reykjavik, haben Umweltwissenschaftler 2016 eine bahnbrechende Entdeckung gemacht.

Bei Experimenten zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) stellten sie fest, dass sich das Basaltgestein der Vulkaninsel ausgezeichnet als Lagerstätte für das klimaschädliche Kohlendioxid eignet.

Indem sie das CO2 mit Wasser mischten und direkt in das Gestein pumpten, waren die Forscher in der Lage, das Gas in einen lagerfähigen Feststoff zu verwandeln. Besonders überraschte sie, dass der Mineralisationsprozess lediglich zwei Jahre dauerte – und damit mindestens fünfmal schneller ablief, als sie in ihren kühnsten Prognosen angenommen hatten.

Angetrieben von diesem Erfolg richtet Juerg Matter, Assistenzprofessor an der University Southampton, der an dem Projekt im isländischen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi beteiligt war, seinen Blick nun auf den Oman. Mit dem dortigen Gestein könnten sogar noch bessere Ergebnisse erzielt werden, meint er.

Er geht davon aus, dass das grobkörnige Gestein, das in Form des Samail-Ophiolithen einst den Erdmantel bildete, sogar noch schneller mit CO2 reagieren könnte als der isländische Basalt. „In der Region des Omans bietet das Mantelperidotit-Gestein enormes Potenzial für die CCS“, sagt er.

So grosses Potenzial, dass das Oman Drilling Project, dem Matter nun als einer der Leiter vorsteht, Finanzmittel von renommierten Institutionen wie der NASA und dem Europäischen Forschungsrat erhalten hat. Die Aufgabe der Forscher besteht darin herauszufinden, wie das CO2 in der Atmosphäre auf natürliche Weise im omanischen Gestein mineralisiert und wie dieser CO2-Einlagerungsprozess optimiert und im grossen Massstab genutzt werden kann.

Felsenfest

Ihre neue Technologie stellt eine Weiterentwicklung eines traditionellen Verfahrens dar, das bereits seit Jahrzehnten existiert, sich jedoch als teuer und unzuverlässig erwiesen hat.

Beim herkömmlichen CCS-Verfahren wird CO2 in Kohle- oder Gaskraftwerken oder Industriebetrieben abgeschieden und dann in flüssigkeitsähnlicher Form in unterirdischen Reservoirs eingelagert. Diese Methode birgt jedoch Risiken: Das gespeicherte Gas kann durch Lecks zurück in die Atmosphäre gelangen. In erdbebengefährdeten Gebieten wie Island ist diese Gefahr besonders gross. Studien haben gezeigt, dass bei den meisten Lagerstätten bis zu 75 Prozent des Kohlendioxids über Lecks verloren gehen. In Island hat Matters Team untersucht, wie das Basaltgestein das CO2 auf natürliche Weise in einem sogenannten Verwitterungsprozess mineralisiert, der oft mehrere Millionen Jahre dauert. Den Forschern ist es gelungen, diesen Prozess zu beschleunigen, indem sie eine mit CO2 angereicherte Flüssigkeit zugegeben haben, die kohlensäurehaltigem Mineralwasser ähnelt.

„Durch eine Reaktion mit dem Fels verwandeln wir die CO2-Emissionen wieder in Gestein. Diese Methode bietet in puncto Speicherung und Sicherheit enorme Vorteile, denn die Umwandlung ist permanent. Gestein tritt nicht durch Lecks wieder in die Atmosphäre aus“, sagt er.

Die Umwandlung ist permanent. Gestein tritt nicht durch Lecks wieder in die Atmosphäre aus.

Das Team hat bereits 220 Tonnen CO2 eingelagert und möchte diese Zahl in naher Zukunft auf 10.000 Tonnen steigern.

Im globalen Massstab betrachtet ist das nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Insgesamt werden auf unserem Planeten jedes Jahr mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 ausgestossen.

Doch es ist ein Anfang.

„Das Problem hat solche Ausmasse angenommen, dass CCS allein das CO2-Problem nicht lösen kann. Wir brauchen auch noch viele andere Lösungen“, sagt Matter. „CCS muss aber ein Bestandteil sein, weil wir eine Infrastruktur haben, die auf fossile Brennstoffe ausgerichtet ist. Die CCS ist eine Brückentechnologie, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnet.“

Die herkömmliche CCS ist zwar keine dauerhafte Speicherlösung, aber dennoch ein vielversprechendes Verfahren, das nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) die weltweiten CO2-Emissionen um 19 Prozent senken könnte. Zudem geht die IEA davon aus, dass der Kampf gegen den Klimawandel ohne die CCS 70 Prozent mehr kosten könnte.

Matter schätzt, dass jeder Kubikkilometer Mantelperidotit von Natur aus jedes Jahr durchschnittlich eine Tonne Kohlendioxid aus der Atmosphäre einlagert – was in der Region des Hadschar-Gebirges einer jährlichen Speicherleistung von 100.000 Tonnen entspricht.

Mit Engagement und etwas Glück könnte diese Zahl noch deutlich gesteigert werden. Theoretisch, so Matter, gäbe es im Oman und den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten genügend Peridotit, um 33 Billionen Tonnen CO2 aufzunehmen – so viel, wie die Menschheit bei der aktuellen Emissionsrate in 1.000 Jahren ausstossen würde.

Ähnliche Pilotprojekte laufen derzeit in den USA, wo Forscher des Pacific Northwest National Laboratory, das dem Energieministerium unterstellt ist, 1.000 Tonnen reines CO2 – nicht mit CO2 versetztes Wasser – in der Nähe von Wallula, Washington, in unterirdisches Basaltgestein injiziert haben. Auf diese Weise kann das Treibhausgas ohne Wasser eingelagert werden, sodass selbst Länder ohne Zugang zum Meer das Verfahren anwenden könnten.

„Die CCS ist aktuell die einzige verfügbare Option, um im industriellen Sektor Emissionsminderungen im grossen Massstab zu erzielen. Ein Verzicht auf die CCS-Technologie in industriellen Anwendungsbereichen stellt eine erhebliche Bedrohung für die Fähigkeit der Welt dar, den Klimawandel wirksam zu bekämpfen“, heisst es in einem Bericht der IEA.

Der Bremsklotz: die Politik

Ein zusätzlicher Pluspunkt des isländischen Projekts: Die Einlagerung der Emissionen war sogar günstiger als mit herkömmlichen Methoden. In Island kostete es 30 USD, eine Tonne CO2 zu binden. Bei herkömmlichen Kohlekraftwerken lagen die Kosten zwischen 50 und 150 USD. Matter rechnet damit, dass die Kosten der CCS im Oman in einer ähnlichen Grössenordnung liegen werden wie in Island.

Dennoch sind die Kosten in diesem aufstrebenden Bereich der wissenschaftlichen Forschung noch eine grosse Hürde. Erst im vergangenen Jahr hat Grossbritannien mit Verweis auf die hohen Kosten in letzter Sekunde einen mit 1 Milliarde GBP dotierten Wettbewerb zur Förderung der CCS-Entwicklung abgeblasen.

„Die erste Technologie der zweiten Generation ist da. Wir haben mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung. Wer tritt also auf die Bremse? Die Politik. Es gibt keinen gesetzlichen Rahmen. Es fehlt immer noch an Regelungen, und es gibt kein wirtschaftliches Modell. Wer wird dafür aufkommen?“, fragt Matter.

Auch er persönlich ist Zeuge des Widerstands einiger Politiker geworden, die sagen, sie wollen nicht, dass ihr Land als „CO2-Müllkippe“ missbraucht wird.

Doch zumindest Grossbritannien denkt inzwischen über eine Änderung seiner Haltung nach. Wenn das Land seine Klimaziele bis 2050 erreichen und die Emissionen zu möglichst geringen Kosten um bis zu 80 Prozent senken will, so der neue wissenschaftliche Beirat der Regierung, dann habe die CCS Priorität. Vorläufigen Forschungsergebnissen zufolge könnte Grossbritannien bis 2050 40 Prozent seiner Emissionen mithilfe der CCS einlagern und so gegenüber alternativen Strategien bis zu 5 Milliarden GBP pro Jahr einsparen.

Die CCS ist eine Brückentechnologie, die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnet... Untätigkeit hat einen hohen Preis.

„Im Grunde geht es um Abfallbeseitigung. Es ist immer schwierig, dafür ein wirtschaftliches Modell zu finden. Um die Technologien im industriellen Massstab auf den Weg zu bringen, sind anfangs Anreize nötig. Unternehmen brauchen Anreize. Und da ist die Regierung gefragt“, sagt Matter.

„Untätigkeit hat einen hohen Preis.“