DWS CIO Flash: Das Italien-Drama geht weiter

Die Haushaltsverhandlung in Rom und Brüssel dürfte sich fortsetzen. Kein Wunder, dass die Märkte nervös sind. DWS | 03.10.2018 07:12 Uhr
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In den letzten Tagen hat Italien die Märkte erneut auf Trab gehalten. Das sollte eigentlich nicht überraschen. Was auch immer der Haushaltsplan für Stärken oder Schwächen hat - die neue Koalition in Rom hat bei der Steuerung der Erwartungen der Investoren jedenfalls schlechte Arbeit geleistet.

Finanzminister Giovanni Tria hat über Wochen versucht, die Märkte zu beruhigen. Darauf aufbauend haben Anleger für 2019 ein Defizitziel von rund 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwartet, dem in den Folgejahren möglicherweise eine weitere Haushaltskonsolidierung folgen könnte. Das wäre sowohl sinnvoll als auch weitgehend im Einklang mit den Verpflichtungen Italiens gegenüber seinen europäischen Partnern gewesen. Schließlich hat Italien bereits eine öffentliche Verschuldung von etwas mehr als 130 Prozent des BIP.

Stattdessen strebt Italien nun ein Defizit von 2,4 Prozent des BIP an, nicht nur für das Jahr 2019, sondern ebenso für die folgenden zwei Jahre. Kein Wunder, dass die Märkte und erst recht die anderen europäischen Entscheidungsträger verärgert waren. Offiziell sollen alle Länder der Eurozone die Staatsverschuldung auf 60 Prozent des BIP senken, auch wenn man feststellen muss, dass sich nur wenige daran halten. Was Haushaltsregeln betrifft, hat sich die Europäische Kommission (EU-Kommission) schon des Öfteren nachsichtig mit großen Ländern gezeigt, insbesondere in politisch heiklen Momenten. Andererseits könnte die Europäische Kommission das Gefühl haben, dass sie selten so nachgiebig gewesen ist wie im Fall Italiens.

Aus Sicht der jüngsten italienischen Innenpolitik sehen die Dinge etwas anders aus. Die Skepsis gegenüber der Europäischen Union nimmt seit einigen Jahren zu. Sie trug zur Niederlage des damaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi im Verfassungsreferendum 2016 sowie zur Niederlage der Demokratischen Partei von Herrn Renzi bei den Parlamentswahlen im März 2018 bei. Welchen Anteil genau die EU-Skepsis an diesen Niederlagen hatte, ist fraglich. Wie wir bereits im Februar über die beiden Parteien geschrieben haben, die jetzt in Rom regieren: "Sowohl Fünf-Sterne als auch "Lega Nord" haben in der letzten Zeit den Ton ihrer Äußerungen zur italienischen Mitgliedschaft in der Eurozone gemäßigt, aber es ist völlig offen, wie lange das so bleiben wird."

Eindeutig ist auf Grundlage von Umfragedaten und Abstimmungsmustern jedoch, dass die italienischen Wähler die Sparsamkeit satt haben. Aus dieser Perspektive hätte die kumulative Wirkung aller Wahlversprechen der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung wahrscheinlich zu einem Defizit in Höhe von 6 Prozent des BIP geführt. Nachdem diese anfänglichen Befürchtungen zu Beginn des Jahres zu heftigen Marktreaktionen geführt hatten, hagelte es mehrmals Abverkäufe italienischer Anleihen, denen meist beschwichtigende Töne aus Rom und eine relative Marktberuhigung folgten, wenn auch nur vorübergehend.

Es erscheint plausibel, dass dies auch in den kommenden Wochen und Monaten ähnlich sein wird. Man könnte vermuten, dass die Regierung die Grenzen für die Defizitausgaben austesten wollte, um ein Gefühl für die Reaktion der Finanzmärkte, der Ratingagenturen und der Europäischen Kommission zu bekommen. Sollte dies der Fall sein, scheint ein gewisser Druck seitens der Kommission oder Märkte notwendig zu sein, um den übermäßigen Forderungen populistischer Politiker Einhalt zu gebieten. Zwischen zwei rationalen Entscheidungsträgern würde eine anfänglich harte Rhetorik, gefolgt von Kompromissen, für beide Seiten von Vorteil sein. Ein Kompromiss seitens der EU wäre etwa, die recht optimistischen BIP-Wachstumsprognosen Roms ab dem Jahr 2020 zu akzeptieren. Vielleicht könnte es auch eine stillschweigende oder ausdrückliche Vereinbarung geben, dass die Planzahlen erneut aufgegriffen werden, nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019, welche auch die Zusammensetzung der EU-Kommission beeinflussen wird.

Der neue Haushaltsplan muss bis zum 15. Oktober in Brüssel eingereicht werden. Die scheidende Kommission wird vermutlich nicht von dem begeistert sein, was sie präsentiert bekommt. Brüssel hat jedoch wenig Interesse an einer Eskalation, und hat auch nur begrenzte Befugnisse, kurzfristig direkt einzugreifen. Die Zustimmung des Parlaments in Rom wird parallel erfolgen. Wichtige politische Daten sind:

  • 20. Oktober: Die italienische Regierung muss ihren endgültigen Haushaltsvorschlag dem Parlament vorlegen.
  • 30. November: Die EU-Kommission gibt eine erste Bewertung des Haushaltsentwurfs ab.
  • Bis zum 31. Dezember: Der Haushalt muss von beiden Kammern des italienischen Parlaments genehmigt werden.

Was könnte also in den kommenden Monaten schief gehen? In absteigender Reihenfolge der Wahrscheinlichkeit sehen wir drei mögliche Risikoquellen. Erstens wird die Rolle der Rating-Agenturen, insbesondere von Moody's, entscheidend sein. Moody's hat die Entwicklungen in Italien sehr kritisch beobachtet und wird das Rating voraussichtlich spätestens Ende Oktober überprüfen. Unser Basisfall bleibt eine Herabstufung um eine Stufe. Damit würde Italien immer noch eine Stufe über dem Ramsch-Status liegen.

Neben dem Basisszenario gibt es jedoch ein Risikoszenario. Abhängig davon, wie schrill die politischen Töne aus Rom in den kommenden Wochen sein werden, ist es möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass eine der Ratingagenturen die Nerven verliert und Italien sein Investitionsrating entzieht. Das könnte katastrophale Folgen haben, mit Folgewirkungen nicht nur für die Regierung. In einer milderen Version eines solchen Risikoszenarios könnte eine Herabstufung von Moody's bei negativem Ausblick auch zu Belastungen an den Finanzmärkten führen. Die Ereignisse der letzten Wochen sowie die Marktbewegungen werden es Moody's sicherlich nicht leichter machen, ihre Einstufung nur um einen Schritt zurückzunehmen, aber den Ausblick stabil zu halten.

Und jetzt? Einige Anleger könnten die Marktschwankungen und eine harte Gangart der Ratingagenturen vielleicht begrüßen. Und auf den Marktdruck als Instrument zur Haushaltsdisziplinierung setzen. Bisher erweckt die italienische Politik jedenfalls den Eindruck, als beobachte sie die Volatilität der Rentenmärkte und den Renditeabstand 10-jähriger italienischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Anleihen genau – dieser Abstand erreichte am Dienstag in der Spitze fast 300 Basispunkte. Allerdings sollten sich die Anleger genau überlegen, was sie sich wünschen. Womit wir bei der dritten Risikoquelle wären.

Von Anfang an haben viele Beobachter die jüngste italienische Krise als eher "politisch" denn "wirtschaftlich" beschrieben. Auf einer Ebene ist diese Unterscheidung sinnvoll. Die Sparbemühungen der vorherigen Regierung hatten bereits zu verbesserten Staatsfinanzen geführt, als Lega Nord und die Fünf-Sterne-Bewegung die Bühne betraten. Bescheidene Reformen auf der Angebotsseite trugen auch zu verbesserten Wachstumsaussichten Italiens bei. Zwar wurden einige davon, wie z.B. die Rentenreform, inzwischen zurückgefahren. Es ist jedoch noch zu früh, um zu sagen, inwieweit die neue Regierung Italiens Wachstumspotenzial verändern wird.

Allerdings ist mittlerweile deutlich geworden, dass Italien immer stärker politisch fragmentiert und weniger regierbar geworden ist. Trias Kehrtwendung beim Defizitziel in letzter Minute war im Grunde genommen das Ergebnis eines Spiels mit dem Feuer seitens der Fünf-Sterne-Bewegung. Wahrscheinlich hat ihr Führer Luigi Di Maio die Chance gewittert, einen Sieg zu erringen, nachdem er eine "Regierung des Wandels" versprochen hatte, aber gleichzeitig bei den öffentlichen Meinungsfragen an Boden verlor. Seinem stellvertretenden Premierministerkollegen, Lega-Chef Matteo Salvini, blieb keine andere Wahl, als nachzugeben - oder den Vorwurf zu riskieren, seine Wähler zu verraten. All dies klingt nicht nach einem rationalen Versuch, Brüssels Geduld auszutesten oder vom Markt vorgegebene Grenzen zu überschreiten. Es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass politische Instabilität und Spannungen im Finanzmarkt in einem Land der Eurozone auf potenziell volatile Weise zusammenwirken. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat, dass sich der Goldpreis erholt hat und dass die italienischen Renten- und Aktienmärkte unter Druck bleiben dürften, bis sich die Lage beruhigt hat.

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