G20 Gipfel: Schön, dass wir darüber geredet haben

"Schlagzeilen und nervöse Marktreaktionen. Viel mehr erwarten wir nicht von dem Gipfel, der die Probleme nicht lösen wird", schreibt Johannes Müller, Head of Macro Research bei DWS. DWS | 29.11.2018 13:36 Uhr
Johannes Müller, Head Macro Research, DWS / © Stefan Gröpper Photography
Johannes Müller, Head Macro Research, DWS / © Stefan Gröpper Photography
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Markterwartungen für das G20-Treffen schwer fassbar

Regelmäßig wird der Handelsstreit von Investoren als eine ihrer Hauptsorgen genannt. Der G20-Gipfel in Buenos Aires (30. November bis 1. Dezember) wird daher die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich ziehen, insbesondere das mit Spannung erwartete Treffen von US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Beobachter gehen davon aus, dass die US-Zölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Mrd. US-Dollar am 1. Januar 2019 von 10 auf 25 Prozent steigen werden, sollte es keine Einigung auf dem Gipfel geben. Angesichts der laufenden Marktkorrektur ist es schwer zu sagen, wie weit ein Fortschritt oder eine Eskalation der Handelsspannungen bereits in den Aktienbewertungen steckt. In den turbulenten Herbstmärkten haben sich die chinesischen Aktien in jüngster Zeit besser entwickelt als ihre US-Genossen, nachdem ihre Schwächephase jedoch bereits im Frühjahr begonnen hatte. Für die zukünftige Entwicklung halten wir es für vermessen, für eine Jahresendrallye der Aktienmärkte ausschließlich auf ein positives Signal der G20 zu setzen. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass sich Anleger kurzfristig mit einer weiteren Vertagung der Lösung arrangieren – oder sogar mit einer Eskalation, da damit zumindest die bei Anlegern so gefürchtete Unsicherheit zurückgehen würde, die jetzt im Vorfeld des Gipfels einen weiteren Höhepunkt erreicht haben dürfte. Genauso wenig ist jedoch auszuschließen, dass die Märkte erneut negativ reagieren werden, sollten die Zollsätze seitens der USA Anfang 2019 tatsächlich wie derzeit geplant erhöht werden.   

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Gipfelstürme: Trump könnte einen schnellen "Deal" anstreben, aber die Spannungen sitzen tiefer

Bevor wir auf die Besonderheiten der Handelsbeziehungen eingehen, wollen wir einen Ausblick auf die möglichen unmittelbaren Ergebnisse des G20-Gipfels geben. Wir glauben, dass es gute Gründe gibt, davon auszugehen, dass Trump am Wochenende eine wie auch immer geartete Einigung anstrebt: 1) Trumps jüngste Bemerkungen zu China ("Sie wollen unbedingt einen Deal machen"); 2) Die Entwicklung der Aktienmärkte, die ihm zeigen könnte, dass Investoren eine Eskalation des Handelskonflikts befürchten; 3) Trumps Wunsch, der Welt während eines hochkarätigen Events zu zeigen, dass er ein erfolgreicher "Dealmaker" ist; 4) Dass das Handelsdefizit zwischen den USA und China in diesem Jahr ein Rekordhoch erreichen könnte, könnte Trump unter besonderen Zugzwang setzen, Ergebnisse zu liefern. Ob das jedoch die Suche nach einem Kompromiss oder eine weitere Eskalation bedeutet, bleibt offen.     

Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass jede Art von Vereinbarung aus verschiedenen Gründen nicht von langer Dauer sein wird: 1) Trumps jüngste Bemerkungen zu China, in denen er es höchst unwahrscheinlich nannte, dass er Pekings Forderung nach einer Verschiebung der Erhöhung der Zölle akzeptieren würde; 2) Wir glauben, dass es im Streit zwischen den USA und China nicht primär um Handelsbilanzen geht. Der Streit hat vielmehr eine strategische und geopolitische Dimension, da die USA sich vor einem weiteren rasanten Aufstieg Chinas auf der globalen wirtschaftlichen und politischen Bühne fürchten. Chinas wachsender Einfluss auf seine Nachbarn (etwa über die Belt and Road Initiative, früher bekannt als "One Belt One Road") und sein Bestreben, im Rahmen seiner "Made in China Strategie" in bestimmten strategisch wichtigen Industrien weltweit führend zu werden, dürften die eigentlichen Themen für die derzeitige US-Regierung sein. Dieses wurde überraschend deutlich in der Rede von Vizepräsident Mike Pence am Hudson Institute in Washington. Was dieser Denkweise noch mehr Gewicht verleiht, besonders nach dem Verlust der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, ist die Tatsache, dass die Demokraten ebenfalls davon ausgehen, dass die USA einen gewissen Schutz vor China brauchen. 3) Trotz übereinstimmender Einschätzung, China als eine starke Bedrohung für die globale Dominanz der USA zu betrachten, bleibt in Washington genügend Raum für widersprüchliche Ansichten darüber, wie dieses Problem angegangen werden kann. Nicht nur, weil es innerhalb der republikanischen Partei noch einige Verfechter freier Märkte gibt, auch wenn ihr Gewicht nach den Zwischenwahlen weiter geschrumpft ist, sondern auch, weil viele große US-Unternehmen den Konflikt sehr kritisch sehen. In Bezug auf die Außenpolitik scheint sich die Trump-Administration in Hardliner, die mehr Protektionismus und Isolation fordern, und Moderate zu teilen. Letztere verfolgen einen pragmatischeren Ansatz, oftmals da sie oder ihre Kernwählerschaft ausländische Geschäftsinteressen haben. Trump findet sich regelmäßig zwischen diesen beiden Gruppen wieder. Die Financial Times berichtete kürzlich, dass jene Wall-Street-Führer, die Brücken zu Peking bauen wollen, den Zorn der nationalistischeren Mitglieder des inneren Kreises von Trump auf sich ziehen. "Wenn diese unbezahlten ausländischen Agenten sich an dieser Art von sogenannter Diplomatie beteiligen, ist alles, was sie tun, diesen Präsidenten und seine Verhandlungsposition zu schwächen", sagte Peter Navarro, Berater des Weißen Hauses und führender Kritiker Chinas, diesen Monat. "Es kann nichts Gutes dabei herauskommen." 4) Bereits jetzt scheint das Verhalten der US-Regierung in Bezug auf China bisweilen inkonsistent. Seien es Zollbefreiungen für endkundennahe Waren, Sanktionen gegen einzelne Unternehmen, die danach zurückgezogen wurden, oder Trumps abwechselndes Lob und Kritik gegenüber Xi. 

Kurz gesagt, es ist gut möglich, dass das G20-Trump-Xi-Treffen letztendlich ein Zwitter aus dem UMSCA und Trumps Abkommen mit Nordkoreas Kim Jong Un wird. Wie bei letzterem fühlt sich Donald Trump nicht nur "sehr gut vorbereitet", sondern hat sich sogar "sein ganzes (Leben) auf diesen Deal vorbereitet". Was seine Überzeugung beinhaltet "...dass ich jedes Detail, jede Statistik kenne. Ich weiß es besser, als jeder andere. Mein Bauchgefühl stimmt immer". Der letzte Teil seiner Aussage bestätigt unseren Standpunkt, dass alle Ergebnisse möglich sind, aber wahrscheinlich keines von Dauer sein wird. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass Trump den Gipfel nutzt, um den Streit weiter zu eskalieren, bevor er rechtzeitig vor den kritischen Fristen Kompromisse anbietet.   

Wie wir den Handelsstreit zwischen den USA und China sehen

Wir erwarten, dass sich der Konflikt zwischen den USA und China in die Länge ziehen wird und möglicherweise sogar Trump überdauern könnte. Kurzfristige Abkommen könnten die Spirale immer neuer Handelssanktionen bestenfalls unterbrechen. Dennoch erwarten wir zumindest eine Einigung spätestens im ersten Quartal 2019 über den aktuellen Tarifstreit, der die Erhöhung der Zölle auf 25 Prozent verhindert oder zumindest recht kurzfristig wieder revidiert. Was die negativen Auswirkungen von Sanktionen auf die chinesische Wirtschaft betrifft, so gehen wir davon aus, dass sie durch Konjunkturmaßnahmen Pekings gemildert werden. Wir schätzen, dass die bereits eingeführten Zölle (25 Prozent auf 50 Mrd. und 10 Prozent auf 200 Mrd. US-Dollar) das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) isoliert um 0,6 Prozentpunkte pro Jahr verringern könnten (ohne Gegenmaßnahmen Pekings gerechnet). Dieser Effekt würde sich auf 0,9 erhöhen, wenn die Zölle Anfang 2019 auf 25 Prozent anstiegen – dies ist der Fall, wenn vorher keine Einigung erzielt wird. Sollten die Zölle auf die verbleibenden Exporte (270 Mrd. US-Dollar) ausgedehnt werden, könnte die Brutto-Wachstumsminderung sogar bei 1,3 Prozentpunkten liegen.

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Was ist Amerikas eigentliches Problem mit China?

Aber stehen wirklich die Zölle im Zentrum der US-Politik? Zerlegen wir dazu den sino-amerikanischen Streit auf drei Ebenen. Die erste Ebene ist das eigentliche Problem, dass die USA unserer Meinung nach mit China haben: Sie haben kein Interesse daran, dass China seine geopolitische und wirtschaftliche Macht weiter ausbaut. Die zweite Ebene umfasst die Themen, über die die US-Regierung bereits mehrmals öffentlich gesprochen hat: Diebstahl geistigen Eigentums, Chinas Förderung bestimmter Schlüsseltechnologien und -sektoren, begrenzter Marktzugang und verzerrte Wettbewerbsbedingungen für ausländische Unternehmen und die Rolle der staatlichen Unternehmen (SOEs). Und auf der dritten Ebene haben wir das, was Trump am Herzen liegt: Handelsdefizite und Zölle. Wir glauben, dass China bereit ist, Zugeständnisse auf den Ebenen zwei und drei zu machen, aber natürlich nicht auf der Ebene eins.  Denn, so unsere Chefstrategin für Schwellenländer Elke Speidel-Walz, Chinas Weiterentwicklung ist allein schon notwendig, um den demographischen Herausforderungen zu begegnen. Ohne größere Wertschöpfungstiefe und technologische Weiterentwicklung ist das nicht möglich. Wie weit China hier bereits ist, zeigt allein ein Blick auf die Patentanmeldungen. Dass China schon lange nicht mehr nur kopiert, sondern auf seiner Reise Richtung "Innovated and Created in China", wie wir es zusammenfassen würden, bereits weit vorangeschritten ist, macht es unseres Erachtens unwahrscheinlich, dass man Chinas Fortschritte überhaupt noch aufhalten kann. 

Diese Ansicht spiegelt sich teilweise in einer Einschätzung des Wall Street Journals vom August wider: "… diese Leute sagten, dass die Chinesen die Forderungen der USA in drei Bündel aufgeteilt haben. Etwa 30 bis 40 Prozent der US-Wünsche betreffen zusätzliche chinesische Käufe von US-Waren, von denen chinesische Beamte glauben, dass sie sofort erfüllt werden könnten. Weitere 30 bis 40 Prozent betreffen Marktöffnungen, wie z.B. die Möglichkeit, dass ausländische Finanzunternehmen einen größeren Anteil an chinesischen Unternehmen besitzen dürfen. Das könnte jahrelange Verhandlungen erfordern. Die restlichen 20 bis 40 Prozent betreffen die Forderungen der USA nach Änderungen der chinesischen Industriepolitik. Dazu gehören die Beendigung unfairer Subventionen chinesischer Hightech-Unternehmen, die Möglichkeit, dass US-Technologiefirmen ohne Einmischung arbeiten können, und eine Verringerung des Drucks auf US-Unternehmen, Technologie zu transferieren."

Kurzfristige Zugeständnisse, aber keine Lösung

Die Vielzahl an Forderungen der USA lässt Raum für einige kurzfristige Zugeständnisse Chinas, um zu vermeiden, dass die Zölle im Januar auf 25 Prozent steigen. Gleichzeitig lässt die Vielzahl dieser Forderungen aber auch viel Raum, Wirtschaft und Märkte für die kommenden Jahre zu belasten. Eine Ausdehnung schmerzlicher Sanktionen über einen längeren Zeitraum dürfte jedoch kurzfristig weniger Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben als eine plötzliche Eskalation. 

Johannes Müller, Head Macro Research, DWS

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