DWS CIO Flash: Endlich mal was Gutes aus Westminster

Die Chancen für eine geordnete und recht schnelle Lösung des Brexit-Dramas sind gestiegen. DWS | 27.03.2019 10:56 Uhr
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So dramatisch wie es beim Brexit zugeht, verlieren auch Marktbeobachter leicht den Überblick und übersehen wichtige Wendepunkte. Montagabend war ein solcher Moment. Das Parlament hat der Regierung die Kontrolle über den Brexit-Prozess entzogen. Das Pfund, ein guter Indikator für die Marktstimmung zum Brexit, bewegte sich kaum und stieg in den Stunden danach leicht um 0,2 Prozent gegenüber dem Dollar. Dabei gibt es gute Gründe, den Ereignissen des Montags hohes Gewicht beizumessen. Mehr jedenfalls, als auf die neuesten Überlegungen von Jacob ReesMogg, einem Brexiteer, der auch das Pfund bewegt hat. 

Was geschah und warum

Für Beobachter scheint es oft, als wären die Mitglieder des Londoner Parlaments (MPs) allzu sehr darauf bedacht zu sagen, was sie nicht wollen. Sie haben den Deal von Premierministerin Theresa May zweimal mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt. Auch ein Brexit ohne Deal passt den MPs nicht. Ebenso wenig ein zweites Referendum, um die Wähler zu fragen, ob sie doch in der Europäischen Union (EU) bleiben wollen. In Brüssel, Paris und natürlich auch Frankfurt fragt man sich daher schon lange, welche Art von Brexit -Vorschlag eine Mehrheit im Unterhaus erreichen könnte.

Das könnte sich in den nächsten Tagen ändern - endlich. Die Kritik, dass sich die Abgeordneten einfach nicht entscheiden können, war schon immer etwas ungerecht. Es war die Entscheidung von Theresa May, einen parteiübergreifenden Konsens nicht bereits zu Beginn des Brexit-Prozesses, sondern erst  am Schluss zu suchen. Unter ihren vielen Fehleinschätzungen, die in die gegenwärtige Sackgasse führten, war das wahrscheinlich die schicksalhafteste. So kam es bisher nie zu einer offenen und ehrlichen Bewertung aller Optionen über einen Austritt Großbritanniens aus der EU durch das Unterhaus.

Am Montag hatten die Abgeordneten endlich genug. Ein Änderungsantrag von Oliver Letwin, dem konservativen ehemaligen Kabinettsminister, wird den Abgeordneten die Möglichkeit geben, ihre Präferenzen in den kommenden Tagen durch eine Reihe von indikativen, unverbindlichen Abstimmungen zu entwickeln und darzulegen. Ein weiterer Änderungsantrag der ehemaligen Labour-Außenministerin Margaret Beckett wurde dagegen sehr knapp abgelehnt. Zusammengenommen bieten diese Abstimmungen wichtige Indikationen für das, was als nächstes passieren könnte. 

Und was es bedeuten könnte

Beginnen wir mit dem Beckett-Änderungsantrag. Der Antrag sollte dem Unterhaus die Chance bieten, einen chaotischen Brexit ohne Deal zu verhindern. Er wurde mit 314 zu 311 Stimmen abgelehnt. Was wieder einmal unterstreicht: ein Brexit ohne Deal bleibt ein sehr reales Risiko, mit allen potenziellen wirtschaftlichen Folgen. Unfälle können passieren – wie wir seit Monaten warnen. 

Vor diesem Hintergrund sind alle jüngsten Entwicklungen zu sehen. So sind beispielsweise am vergangenen Wochenende in London rund eine Millionen Befürworter eines zweiten Referendums auf die Straße gegangen. Anleger, die auf eine Revision der Brexit-Entscheidung hoffen, könnten hier Hoffnung schöpfen.

Solche Unterstützungsbekundungen für einen EU-Verbleib könnten jedoch auch EU-freundliche Abgeordnete ermutigen, auf ein zweites Referendum zu setzen. Die Gefahr besteht darin, dass es genügend Pro-EU-Abgeordneten geben könnte, um Kompromisse zu blockieren - aber nicht genügend, um etwas anderes als einen weiteren Verlängerungsantrag durch das Unterhaus zu erzwingen.  

Für einen chaotischen Brexit ohne Deal reicht es hingegen, dass die Abgeordneten bis zum 12. April nach wie vor weder den Deal von Theresa May unterstützen, noch einen alternativen Weg finden, den die EU für glaubwürdig hält. Der 12. April ist die Frist, die die EU dem Vereinigten Königreich auf dem EU-Gipfel letzte Woche gesetzt hat. Auf europäischer Seite scheint die Lust sehr gering zu sein, eine weitere Verlängerung zu gewähren, nur um dem Vereinigten Königreich noch mehr Zeit für die Entscheidungsfindung zu geben. Der EU-Gipfel und der anfängliche Widerstand Frankreichs gegen eine Verlängerung des ursprünglichen Brexit-Datums vom 29. März erinnern auch daran, dass solche Schritte Einstimmigkeit unter den verbleibenden Mitgliedern erfordern.

Wie geht es weiter?

Ganz so recht scheint der Kapitalmarkt diese Gefahr eines Brexits per Unfall noch immer nicht verstanden zu haben. Ähnliches gilt vermutlich auch für so manchen Abgeordneten in Westminster. Wie ein Kommentator treffend sagte: "Die Abgeordneten, die einen No-Deal verursachen könnten, sind nicht die, an die man denkt." (The MPs who could cause no-deal aren’t the ones you think) Zu den üblichen Verdächtigen gehören leidenschaftliche Tory-Brexiteers. Und vielleicht ringt sich von denen wirklich noch so mancher durch, May's Deal doch noch zu unterstützen. Nur wird es nach der jüngsten Serie von Fehlern der Premierministerin wahrscheinlich nicht reichen. Inzwischen scheint May sogar die Ulster-Unionisten vergrault zu haben, von deren Stimmen sie abhängt.

Es gab immer einen offensichtlichen, möglichen Weg aus der gegenwärtigen Sackgasse. An dieser Stelle kommt der Letwin-Anpassungsantrag ins Spiel. Er könnte den Abgeordneten ermöglichen, eine weichere Version des Brexit in Betracht zu ziehen, wie z.B. den Verbleib in einer Zollunion oder sogar im Binnenmarkt, ähnlich dem Norwegen-Modell.  

Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass solche Vorschläge eine breite parteiübergreifende Unterstützung finden werden. Um einen Konsens zu erreichen, wird die Zeit knapp. Aber wenn jemandem das zuzutrauen wäre, dann vielleicht Sir Oliver Letwin. Er genießt den Ruf eines zerebralen Problemlösers, der es geschafft hat, einen parteiübergreifenden Konsens zu erzielen. (Letwin the optimist says MPs can still find a Brexit which commands a majority) Entscheidend ist, dass er nicht nur von der Opposition, sondern auch innerhalb seiner verzweifelten Partei beliebt ist und respektiert wird. 

Die Letwin-Änderung wurde mit 329 zu 302 Stimmen angenommen, deutlicher als erwartet. 30 Tory-Abgeordnete rebellierten. Das könnte auch die Folge einer Petition an das Parlament sein, "Artikel 50 aufzuheben und in der EU zu bleiben". Bisher wurde es von 5,7 Millionen Wählern und Einwohnern Großbritanniens unterzeichnet - die bis dato größte Unterschriftenanzahl für eine solche Petition. (Revoke Article 50 and remain in the EU)

Wir würden diese Zahl zwar nicht überbewerten. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dies bereits deutlich über den 4,4 Millionen Stimmen liegt, mit denen die UK Independence Party (UKIP) die (mit relativ niedriger Wahlbeteiligung verlaufenen) Wahl 2014 zum Europäischen Parlament gewonnen hat. (Results by country) Diese Wahl half, den Weg für das erste Brexit-Referendum zu ebnen. Tory-Abgeordnete aus Wahlkreisen mit knappem Wahlausgang verglichen ängstlich die Stimmen der UKIP mit ihrem Stimmenvorsprung bei den letzten Parlamentswahlen. Die Petition könnte nun einen ähnlichen Druck in die andere Richtung ausüben.   

Für eine Mehrheit der Abgeordneten könnte die Abstimmung über die Rücknahme von Artikel 50 insgesamt noch einen Schritt zu weit gehen, es sei denn, die Situation wird wirklich dramatisch. Ungeachtet einer möglichen anfänglichen Markteuphorie könnte ein solcher Schritt aber auch längerfristig Probleme sowohl für das Vereinigte Königreich als auch für seine europäischen Partner mit sich bringen und einige interessante Rechtsfragen aufwerfen. Und das Risiko eines unbeabsichtigten Brexits bleibt sehr real. Allerdings sind wir bei den Aussichten auf ein geordnetes und recht schnelles Ende der Brexit-Saga nun zuversichtlicher als seit Monaten. 

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