Marktüberblick
Der Start in die zweite Jahreshälfte 2019 gestaltet sich für die Märkte ähnlich wie im ersten Halbjahr. Einige der wichtigsten US-Aktienindizes erreichten im Laufe des Julis neue Höchststände. Das Gleiche galt für führende Indizes in anderen Märkten, die dafür bekannt sind, dass sie so manchen Titel mit säkularen Gewinnwachstumsraten aufweisen. Der französische CAC 40, etwa, erreichte Ende Juli ein Niveau wie zuletzt vor 12 Jahren, kurz vor der globalen Finanzkrise. In lokaler Währung war Griechenland der bisher beste Aktienmarkt des Jahres.
In den Rentenmärkten sackte unterdessen eine ständig wachsende Zahl von Anleihen immer tiefer in den negativen Renditebereich ab. Bei den deutschen Staatsanleihen schwankten selbst 20-jährige Bundesanleihen um die Null. Am Ende des Monats lagen die Renditen für 20 Jahre bei 0,1 Prozent. Demnach bezahlen die Investoren den deutschen Finanzminister effektiv für das Privileg, dem Land zwei Jahrzehnte lang Geld zu leihen und das selbst ohne den Kaufkraftverlust durch Inflation. Inzwischen sind selbst in Griechenland die Renditen für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von dreißig Jahren unter 3,5 Prozent gefallen. Damit lag die Rendite des ehemaligen Krisenopfers nur ein Prozent über dem Niveau der 30-jährigen US-Staatsanleihen.
Die Gründe für all diese etwas eigenwilligen Marktentwicklungen sind nicht schwer zu erraten. Zum einem sind es natürlich nationale Besonderheiten, wie die Wahl einer marktfreundlichen Regierung in Griechenland [Chart of the Week vom 19.07.2019]. Darüber hinaus standen an den Märkten wieder einmal die Zentralbanken im Vordergrund. Während des gesamten Monats setzten die Märkte auf eine immer lockerere Geldpolitik, mit anhaltend niedrigen Zinsen. An den Aktienmärkten wird das tendenziell als gute Nachricht für Unternehmen mit nachhaltigem Ertragswachstum bewertet, wie etwa dem Gesundheits-, Kommunikations- und Technologiesektor. Theoretisch sollten diese Unternehmen aufgrund ihres potenziell höheren Anteils an Erträgen, wertvoller werden als Aktien, die stärker von unmittelbar bevorstehenden Gewinnen und Dividenden abhängig sind.
Zum Monatsende lieferte die US Federal Reserve (Fed) eine Kürzung des Leitzinses um 25 Basispunkte. Der dazugehörige Kommentar der Fed sorgte jedoch bei einigen Marktbeobachtern für Enttäuschung. Im Juli haben die harten Wirtschaftsdaten in den USA tendenziell eher positiv überrascht, was die Argumente für eine vorsorgliche Zinssenkung deutlich schwieriger machte. Die Enttäuschung der Märkte über die Fed zeigt erneut die Risiken, wenn man sich zu stark auf die zügige Rettung der Zentralbanken verlässt, wann immer es brenzlig wird. Ähnlich erging es auch mit der Europäischen Zentralbank (EZB), die im Juli kaum Einzelheiten darüber vorlegte, wann und wie aggressiv sie Impulse geben könnte und so für Verunsicherung sorgte.
Ausblick und Änderungen
Wir bleiben weiter zuversichtlich, dass die USA in den nächsten 12 Monaten eine Rezession vermeiden kann. In Europa und einem Großteil der übrigen Welt hat sich die Wachstumsdynamik jedoch verlangsamt. In den kommenden Wochen könnte das anhaltende Brexit-Drama weiter eskalieren, seit Boris Johnson als neuer Premierminister in Großbritannien die Regierung übernommen hat. Erste Anzeichen deuten eher nicht darauf hin, dass sich die übrigen EU-Mitgliedstaaten zu Kompromissen hinreißen lassen könnten.
Auch anderswo bleibt die geopolitische Lage ein allgegenwärtiges Risiko. Die jüngsten Spannungen im Iran und auf der koreanischen Halbinsel haben dies verdeutlicht. Unterdessen ziehen sich die verschiedenen Handelskonflikte weiter hin, allen voran der zwischen den USA und China. Eine weitere Eskalation würde zweifellos die Stimmung beeinträchtigen. Noch bedeutsamer ist, dass neue Handelsbarrieren und die damit verbundene De-Globalisierung das Produktivitätswachstum beeinträchtigen dürften. Hierbei gibt es wenig, was monetäre Impulse tun können, um die resultierenden längerfristigen Schäden nachhaltig zu mildern.
Vor diesem Hintergrund bleiben wir bei Aktien weiterhin taktisch zurückhaltend. Aus Bewertungssicht scheinen die wichtigsten Aktienmärkte, insbesondere in den USA, etwas erschöpft zu sein. Auch die technischen Faktoren bergen einiges Potential für kurzfristige Enttäuschungen. Während unsere regionalen Präferenzen unverändert bleiben, haben wir branchenspezifisch den Informationstechnologiesektor aufgewertet und den Industriesektor herabgestuft.
Strategisch gesehen lassen unsere aktuellen Aktienindex-Ziele der Industrieländer für die kommenden 12 Monate kaum Spielraum nach oben. Unsere Index-Ziele werden wir im August überarbeiten; unter Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten könnten sie nach oben revidiert werden. Um wie viel dürfte für Debatten sorgen, nicht zuletzt nachdem der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell, die Bedrohungen für die US-Wirtschaft und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Lockerung der Geldpolitik während der letzten Pressekonferenz zur Zinssenkung heruntergespielt hat. Zudem waren die Unternehmensergebnisse bisher eher gemischt in den USA, während wir in Europa einige Enttäuschungen zu verzeichnen hatten.
Im Rentenbereich glauben wir, dass die Jagd nach Renditen anhalten wird und haben spanische Staatsanleihen taktisch heraufgestuft. Für Spanien sehen wir trotz der Verzögerungen bei der Bildung einer neuen Regierung weiterhin solide Fundamentaldaten. Im Hinblick auf Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern bleiben wir sowohl aus taktischer als auch strategischer Sicht zuversichtlich. Taktisch gefallen uns weiterhin Euro-Investment-Grade -Anleihen, die von einer Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone profitieren sollten. Dagegen haben wir die europäischen Hochzins- und US-Investment-Grade-Werte herabgestuft, denn hier warten wir auf attraktivere Einstiegspunkte.
Die Multi-Asset-Perspektive
Wie bereits angedeutet, können wir uns kurzfristige Rückschläge, sowohl bei Aktien als auch auf der Rentenseite durchaus vorstellen. Daher bleiben wir vorerst vorsichtig. Wir würden solche Rückzieher nutzen, um unsere Positionen in Aktien auszubauen. Im Rentenbereich sind wir bestrebt, unsere Positionen mit höherer Zinssensitivität zu vergrößern, wollen dabei aber auf ein höheres Renditeniveau warten. Wir bleiben bei unserer Meinung, dass der derzeitige Wirtschaftszyklus weiter intakt scheint und dass die Renditen im Anleihenmarkt weiterhin auf einem niedrigen Niveau verharren könnten, da die Zeit einer erneuten lockeren Geldpolitik der Zentralbank gerade erst begonnen hat.
Im Aktienbereich bevorzugen wir Schwellenländer im Vergleich zu anderen Regionen. Was die Veröffentlichungen der Ergebnisse von US-Unternehmen für das zweite Quartal betrifft, so wurden bereits eine Reihe von negativen Korrekturen im Vorfeld eingepreist. Von nun an erwarten wir eine Stabilisierung im Markt und fokussieren uns dabei gleichzeitig auf strukturelles Wachstum und Qualität in einem Umfeld mit geringerem Gesamtwachstumspotenzial.
Carry Assets, d.h. Unternehmens- und Schwellenländeranleihen dürften sich weiterhin besser entwickeln als die Staatsanleihen der Industrienationen. Wir bevorzugen Schwellenländeranleihen in Hartwährung und behalten unsere Position in Hochzinsanleihen bei. Für Unternehmens- und Hochzinsanleihen ziehen wir die Eurozone dem Dollarraum vor, nicht zuletzt weil die Währungsabsicherungskosten für Dollarinvestitionen europäischen Anlegern weiter teuer zu stehen kommen. Unter den Währungen erscheint uns der japanische Yen weiter zur Diversifizierung attraktiv. Das gilt auch für Gold. Angesichts der US-Zinsentscheidung halten wir das Edelmetall zwar für taktisch fair bewertet. Strategisch spricht aber für Gold, dass die Notenbanken einiger Schwellenländer weiter ihre Reserven in Richtung Gold diversifizieren. Hohe Aktienbewertungen und niedrigeres Wirtschaftswachstum könnten Gold ebenfalls zu neuem Glanz verhelfen, zumindest als Teil eines diversifizierten Multi-Asset-Portfolios.
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