Kein Zyklus wie jeder andere

Die Lage ist gut, der Ausblick weniger. Das typische Muster dieses untypischen Zyklus. Kein Grund zur Panik, aber zur Vorsicht. Die Gründe dafür: DWS | 09.09.2019 13:11 Uhr
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Läuft doch. Die Arbeitsmärkte in den USA und in Teilen Europas sind quasi leergefegt, die Firmen verdienen gutes Geld und glänzen mit soliden Bilanzen. Kreditausfälle bleiben die Ausnahme, Öl bleibt bezahlbar, es drohen keine Zinserhöhungen und US-Präsident Donald Trump ist trotz aller Zurückweisungen immer wieder dialogbereit. Was kann man sich als Anleger mehr wünschen?

Nun, aus Investorensicht gibt es sicherlich einige irritierende Signale, auf die man gerne verzichten würde: Die US-Zinskurve ist invertiert, was in der Vergangenheit meist in einer Rezession mündete; die US Federal Reserve (Fed) sieht sich zu "Vorsichtszinssenkungen" genötigt, die Europäische Zentralbank (EZB) wird wohl noch im September ein ganzes Maßnahmenpaket verabschieden und die Rufe nach Fiskalpaketen werden lauter, da es im verarbeitenden Gewerbe so scheppert. Eine Gemengelage, die ähnlich verwirrend ist wie die Kombination zweier Aussagen des US-Präsidenten: Einerseits rühmt er sich, die US-Wirtschaft zur stärksten der Welt gemacht zu haben. Andererseits kritisiert er Fed-Präsident Jerome Powell als Ahnungslosen, der die Zinsen um 100 Basispunkte senken sollte. Auch andere tun sich schwer mit der Gleichzeitigkeit einer guten aktuellen Lage und besorgniserregender Frühindikatoren.

Was die nüchterne Analyse erschwert, ist die Erinnerung an die Wachstumsabschwünge der vergangenen Jahre. Jeder, der sich zu früh aus dem Aktienmarkt verabschiedet hatte, musste wie bei jedem Rückschlag seit 2009 feststellen, dass sich die Rally nach einer kurzen Pause wieder fortsetzte. Das macht heute jeden vorsichtig, eine Rezession oder eine Marktkorrektur vorzeitig auszurufen. Auch wenn jedem bewusst ist, dass die Weltwirtschaft mit jedem Tag, der vergeht, der nächsten Rezession einen Tag näher kommt. Denn so weit geht man auch im "diesmal-ist-alles-anders-Lager" nicht, ein Ausbleiben weiterer Rezessionen zu propagieren.

Das Dilemma einer divergierenden Lage- und Stimmungseinschätzung, sowie die Probleme mit der Anwendung historischer Muster zeigen sich exemplarisch in der Zinskurve. Der Renditeabstand von 2- zu 10-jährigen US-Staatsanleihen ist im August erstmals seit 2007 wieder ins negative Terrain gerutscht. Wir bezweifeln, dass dies eine hinreichende Bedingung für eine baldige Rezession ist. Erst recht hüten wir uns davor, historische Mittelwerte aus neun beobachteten Zinsinversionen in den USA seit 1956 zu nehmen, um Aussagen zum Eintrittszeitpunkt einer Rezession oder einer Marktkorrektur zu machen. Dafür waren die Umstände (wirtschaftlicher, politischer, monetärer, technischer oder demographischer Natur) jeder Inversion zu unterschiedlich. Auch die jetzige Inversion geizt nicht mit Besonderheiten:

Erstens fällt sie in eine Zeit, in der viele Zentralbanken geldpolitisch immer noch unorthodox agieren. Negative Leitzinsen und Anleihekäufe bleiben opportune Werkzeuge. Eine Folge davon ist, dass nunmehr weltweit Anleihen im Wert von mehr als 16 Billionen Dollar negativ rentieren – mithin die Hälfte aller ausstehenden Anleihen mit Investment-Grade-Status außerhalb der USA. Dass dies letztlich auch die US-Zinsen nach unten drückt, ist ein weiterer Grund für die reduzierte Aussagekraft der Zinskurve.

Zweitens findet diese Inversion vor dem Hintergrund eines umfassenden Streits zwischen den zwei größten Volkswirtschaften der Welt statt. Dessen Ende ist nicht abzusehen, was drittens wiederum dazu beitragen dürfte, dass China anders auf die jetzige Konjunkturabkühlung reagiert als auf die vorigen. Nämlich mit einem deutlich höheren Fokus auf die Stimulierung der heimischen Wirtschaft, insbesondere Konsum und Dienstleistungen. Dies heißt zunehmend auch ausländische Rohstoffe und Produkte durch heimische zu ersetzen. Rohstoffexporteure wie Australien, Maschinen- und Autoexporteure aus Europa, aber auch Handyhersteller aus den USA  bekommen dies bereits zu spüren.

Darüber hinaus sorgt uns die Unbekümmertheit, mit der in vielen Ländern, allen voran den USA, die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben wird. Auch die Zunahme populistischer Regierungen, die eine protektionistische Wirtschaftspolitik zu Lasten multinationaler Handelsabkommen verfolgen, beobachten wir mit Skepsis. Nicht zuletzt irritiert uns die Art und Weise, mit der diese Regenten bereits in wirtschaftlich guten Zeiten agieren. Wie sie dann erst in Krisenzeiten handeln werden, könnte noch zu manch böser Überraschung führen.

Kurzum, es gibt gute Gründe dafür, einzelne Zinskurveninversionen nicht miteinander gleich zu setzen. Aber es gibt eben auch gute Gründe, keine Entwarnung für die mittlere Zukunft zu geben. Von einer richtigen Krise zum jetzigen Zeitpunkt kann man trotz dieser negativen Entwicklungen jedoch nicht sprechen. Dafür gibt es zu viele positive Daten, was wiederum ein Merkmal dieses nun bereits rekordlangen Aufschwungs ist: Er sparte bisher realwirtschaftliche Übertreibungen aus und zog sich auch dadurch immer mehr in die Länge. Ein Grund dafür dürfte der stetig wachsende Dienstleistungssektor sein, der keine Lager- und Investitionszyklen im Ausmaß der Industrie kennt. Die Arbeitsmärkte entwickeln sich trotz nachlassender Dynamik weiterhin erfreulich, weshalb auch die Konsumenten ausgabefreudig bleiben. Nicht zuletzt droht dank der wirtschaftlichen Abkühlung keine Überhitzung mehr. Das erlaubt den Zentralbanken, marktfreundlich zu bleiben.

Also rein ins Risiko bei der Anlagestrategie, zumal wir keine Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums im kommenden Jahr prognostizieren? Nein, wir unterschätzen die besorgniserregenden Signale der Anleihemärkte – negative Nominalzinsen in Europa, negative Realzinsen in den USA, inverse Zinskurve – nicht. Wir sind aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Gemengelage, in Verbindung mit den Bewertungen vieler Märkte, schon länger etwas neutraler aufgestellt. Was heißt das bezogen auf die Anlageklassen?

Wir sehen bei Aktien niedriges einstelliges Renditepotenzial, welches in erster Linie von Dividendenzahlungen stammt. Wir haben regional keine starken Präferenzen. Mittelfristig schließen wir nicht aus, dass US-Werte ihre bereits elf Jahre andauernde Outperformance gegenüber dem Rest der Welt fortsetzen. Allerdings kann es auch hier aufgrund der Bewertungsprämie und der unserer Meinung nach zu hohen Gewinnschätzungen noch zu Rückschlägen kommen. Insgesamt halten wir die Überlegung, allein aus Mangel an Alternativen auf Aktien zu setzen, nicht für überzeugend. Nachdem vonseiten der Zentralbanken positive Überraschungen kaum noch möglich sind, dürfte unserer Meinung nach erst eine Verbesserung der makroökonomischen Daten auf breiter Front das Kurspotenzial von Aktien wieder erhöhen.

Bei Anleihen haben wir unsere Zielrenditen gegenüber dem Vorquartal nach unten angepasst und schließen weitere Phasen rückläufiger Renditen nicht aus. Auf Zwölfmonatssicht gehen wir jedoch von einem leichten Zinsanstieg aus. Aktuell bleibt Anleiheanlegern nichts Anderes übrig, als zu gucken, wo es noch positive Renditen mit überschaubarem Risiko gibt. Unseres Erachtens sind das Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich und langlaufende US-Staatsanleihen. Auch ausgewählte Schwellenländeranleihen halten wir für interessant.

Wir sehen, bei allen politischen Risiken, derzeit keine größeren Ungleichgewichte bei Währungen und behalten unsere 12-Monatsprognose von 1,15 Dollar je Euro bei. Yen sehen wir im Falle einer steigenden Risikoaversion der Anleger weiter als Fluchtwährung zulegen und auch das britische Pfund könnte aufwerten, sollte es zu keinem ungeordneten Brexit kommen. Dies bleibt unser Kernszenario, auch wenn sich im September noch viel tun kann. Beim Ölpreis erwarten wir eine volatile Seitwärtsbewegung, während Gold seine jüngste Rally in schwächerer Form noch etwas ausbauen dürfte.

Unseren 12-Monats-Ausblick in Zahlen finden Sie in unseren "Prognosen".

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