- Schwache Wertentwicklung von klassischen Value-Strategien seit mehr als 10 Jahren. Reine KGV- und KBV-Betrachtungen blenden wachsenden Dienstleistungssektor aus
- Bewertungskennzahl, die den Unternehmenswert (EV) in Relation zu den Gewinnen vor Zinsen, Steuern, Zu- und Abschreibungen (EBITDA) setzt, besser geeignet
- Erweiterte Value-Dimension: die Ergänzung um eine Profitabilitätskennzahl (Gross Margin oder Brutto-Gewinnmarge) identifiziert hochprofitable Unternehmen zu fairen Preisen
- Weiterentwickelte Value-Strategie erzielt 3,3 % Outperformance bei deutlich geringerem Rückschlagrisiko
Wandel der Wirtschaftsstruktur erfordert ein Umdenken in der Unternehmensbewertung
Jahrzehntelang generierte Value-Investing in seiner reinsten Form, also mit Hilfe des von Fama und French (1992) empirisch belegten Value-Faktors, eine herausragende Überrendite. Mit diesem Faktor erzielten Unternehmen, deren Börsenwert möglichst tief unter dem ausgewiesenen Eigenkapital auf der Bilanz notiert (niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis KBV) einen deutlichen Mehrwert. Auch Aktien mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sind typische Value-Aktien, die lange Zeit attraktive Überrenditen einfuhren.
Abbildung 1: Value-Outperformance bis zur Finanzkrise (1975 – 2009)
Seit der Finanzkrise von 2008 kehrte sich diese Entwicklung jedoch um. Eine Value-Strategie, die hauptsächlich die oben genannten Kriterien wie KBV und KGV berücksichtigt, gewichtet automatisch strukturschwache Sektoren wie Finanz- oder Energiewerte über und vernachlässigt innovative Unternehmen aus wachsenden Branchen wie IT, Gesundheit oder Kommunikation. Die Ursache hierfür liegt im Zustandekommen und der Aussagekraft des Buchwertes.
Die Wirtschaftsstruktur hat sich seit der Fama und French-Studie aus dem letzten Jahrhundert grundlegend verändert – insbesondere in der letzten Dekade: Weg von einer fertigungsdominierten Wirtschaft hin zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft.
Unternehmen kapitalintensiver Branchen, insbesondere Industrieunternehmen haben die Eigenschaft, verstärkt in materielle Vermögensanlagen wie Fabriken und Maschinen zu investieren, die in der Bilanz aktiviert und über viele Jahre abgeschrieben werden. Damit kommt es zu hohen Buchwerten und wegen der über viele Jahre gestreckten Abschreibungen auch zu hohen buchhalterischen Gewinnen. IT-, Kommunikations- oder Gesundheitsunternehmen hingegen investieren überwiegend in immaterielle Vermögensgüter wie Software, Lizenzen oder Patente und müssen diese noch im selben Jahr vollständig abschreiben. Entsprechend bleibt die Bilanz schmal und der ausgewiesene Gewinn niedrig: Das bedeutet hohe Kurs-Buchwerte und hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse! Damit fallen die meisten der in den letzten Jahren so erfolgreichen und innovativen Unternehmen durch das Value-Raster.
Profitable Value-Strategie überlegen und robust in Drawdown-Phasen
Ziel der Studie war es deshalb herauszufinden, welche Faktoren am besten geeignet sind, Value-Unternehmen mit einer stetigen Outperformance zu identifizieren. Um strukturelle Fehlinvestitionen (Value Traps) zu vermeiden, erwies sich die Ergänzung um eine Profitabilitätskennzahl als Indikator für ein funktionierende Geschäftsmodell als vorteilhaft. In einem umfangreichen Backtest zeigte die Kombination aus Gross Margin (Brutto-Gewinnmarge), die anzeigt wie profitabel das Unternehmen in seiner Kerntätigkeit arbeitet, und dem Bewertungsmaßstab EV/EBITDA unter Rendite- und Risikogesichtspunkten die besten Ergebnisse. Diesen Ansatz wird als Profitable Value-Strategie bezeichnet.
In Krisenzeiten erwies sich die Strategie als sehr robust. So konnte die PV-Strategie zum Beispiel in der Dotcom-Blase dramatische Verluste vermeiden (12,6% Verlust vs. 38,1% Verlust der Benchmark). Von den Folgen der Finanzkrise (2007-2009) wurde die Strategie zwar ebenfalls getroffen, konnte jedoch auch in diesem Bärenmarkt eine Outperformance von 8,5% erzielen.
Abbildung 2: Value-Underperformance im letzten Jahrzehnt
Ein Blick auf die letzten Bullenmärkte zeigt, dass diese bessere Wertentwicklung nicht auf Kosten einer begrenzten Partizipation an den Kurssteigerungen in Expansionsphasen erreicht wurde. So konnte die Profitable Value-Strategie trotz der ausgeprägten Value-Schwäche in dem Bullenmarkt vor dem Zerplatzen der Dotcom-Blase (1997-2000) eine Rendite von 116,9% erzielen und die Benchmark (84,1%) entsprechend weit hinter sich lassen.
Auch nach Drawdowns war die Strategie in der Lage, Verluste deutlich schneller aufzuholen: Nach Rückschlägen konnten Profitable-Value-Unternehmen schon nach 13 Monaten wieder neue Höchststände erreichen, während die Benchmark mit 22 Monaten fast doppelt so lange benötigte. PV ist in der Lage, im Auswahlprozess eine ausgewogene Länder- und Sektorenstruktur zu generieren.
Fazit
In einem umfangreichen empirischen Backtest erwies sich die Kombination aus Gross Margin und EV/EBITDA im Zeitraum von 1986 bis 2020 unter Rendite- und Risikogesichtspunkten als sehr vorteilhaft. Im Gegensatz zu klassischen Value-Ansätzen zehrte die Rendite dabei nicht nur von Value-starken Perioden, sondern erwies sich auch im Zeitverlauf als robust. Dieses Resultat stimmt optimistisch, dass die Strategie auch in Zukunft in unterschiedlichsten Marktphasen überzeugen kann. Die Annahme, dass wir mit dem Ende der Corona-Krise am Beginn einer mindestens 6 bis 18 Monate dauernden starken Value-Periode stehen, verschafft der Profitable Value-Strategie zusätzlichen Rückenwind!
Dr. Manfred Schlumberger, Vorstand und Leiter Portfoliomanagement der StarCapital AG
Interessierte LeserInnen finden hier die vollständige StarCapital-Value-Investing-Studie