DIE QUANTIFIZIERUNG VON CHANCEN
Das Glücksspiel gab es damals längst. Mit effektiven integrierten Motivationsfaktoren regte es Mathematiker der Renaissance dazu an, die Häufigkeit vergangener Ereignisse zu betrachten und erste Vorstellungen von Wahrscheinlichkeiten zu entwickeln. Anschließende Forschungen im 18. Jahrhundert ergaben, dass die mit einer großen Beobachtungsreihe assoziierten Wahrscheinlichkeiten – zum Beispiel die Ergebnisse von Glücksspielen – um den Durchschnittswert herum verteilt waren und eine Kurve bildeten. Werte nahe am Durchschnitt traten häufiger auf. Werte, die deutlich über oder unter dem Durchschnitt lagen, waren seltener und nahmen mit zunehmender Entfernung vom Durchschnittswert ab. Diese Streuung von Daten um ihren Mittelwert (oder Durchschnitt) wird mathematisch als Standardabweichung bezeichnet und kann als der Bereich unter der Kurve dargestellt werden.
Spätere Beiträge zu dem entstehenden Feld der Statistik drehten sich um Vererbung. Ende des 19. Jahrhunderts befassten sich Statistiker mit Fragen zur Vererbung. Sie entwickelten eine Formel, um die „Ko-Relation“ zwischen zwei Variablen auszudrücken, beispielsweise zwischen der Körpergröße eines Elternteils und der seiner Kinder. Dieses später als Korrelation bezeichnete Verhältnis wird berechnet, indem man die Kovarianz zwischen einer Reihe von Ergebnissen durch ihre jeweiligen Abweichungen teilt. Oft wird die Korrelation mit „R“ bezeichnet.
Standardabweichung und Korrelation sind nur zwei der vielen Messgrößen, die entwickelt wurden, um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ergebnisse zu beschreiben. In späteren Jahren kamen zu Messgrößen für eine absolute Risikobetrachtung – wie Value at Risk und Expected Shortfall – andere hinzu, die sich auf das relative Risiko und die Wahrscheinlichkeit einer unterdurchschnittlichen Performance bezogen. Dazu gehören zum Beispiel Tracking Error, Sharpe Ratio, Information Ratio, Alpha und Beta (Definitionen siehe Anhang). Diese Begriffe lieferten die mathematische Sprache für Finanztheorien, mit denen letztlich ein besseres Verständnis und Management von Portfoliorisiken erreicht werden sollte.
AUFTRITT DER ÖKONOMEN
Mit der Entwicklung der modernen Portfoliotheorie in den 1950er- Jahren, dem Kapitalanlagepreis-Modell (Capital Asset Pricing Model oder CAPM) in den 1960ern und dem Optionspreis-Modell in den 1970ern entstand ein wissenschaftlicher Rahmen für die Steuerung von Finanzrisiken.
Korrelation und Standardabweichung sind von grundlegender Bedeutung für die Arbeit der Finanzökonomen (allen voran Harry Markowitz), die die moderne Portfoliotheorie (MPT) entwickelten. Durch die Betrachtung der Volatilität der Erträge einer Anlage.
(Standardabweichung) und der Beziehung zwischen ihren Erträgen und denen anderer Anlagen (Korrelation) demonstrierte die MPT die potenziellen Vorteile der Vermögensstrukturierung. Sie zeigte (auf der Basis historischer Daten), dass man durch den Anlagenmix das Wertentwicklungspotenzial des gemischten Portfolios bei einem gegebenen Volatilitätsniveau steigern oder die Gesamtvolatilität des Portfolios im Streben nach einem gegebenen Ertragsniveau potenziell dämpfen konnte.
Die Arbeit von Markowitz und ein Schwerpunkt auf einem bestimmten Risikomaß – Beta – führten zur Entwicklung des Kapitalanlagepreis-Modells (CAPM) durch William Sharpe und andere. Sharpes Arbeit zufolge lässt sich das unsystematische (oder spezifische) Risiko, also das einer bestimmten Anlage eigene Risiko, durch Diversifizierung vermindern, nicht aber das systematische Risiko. Infolgedessen sollte das systematische Risiko (Beta) bei der Bestimmung des Risikoaufschlags eines Wertpapiers oder Portfolios eine zentrale Rolle spielen, was das CAPM modellhaft darzustellen versucht.
Die Preisbildung war auch das Ziel der Arbeit von Fischer Black, Myron Scholes und Robert Merton, die sich dabei auf Optionen konzentrierten. Ihr Modell erfasste Daten zu Zeit, Kursen, Zinssätzen und Volatilität für die Bewertung von Optionen. Ihre Berechnungen, die als Black-Scholes-Formel bekannt wurden, sind auch auf viele andere Finanzprodukte anwendbar. Sie trugen entscheidend zur drastischen Zunahme von Derivaten und deren Verwendung zur Absicherung von Risiken oder einfach zur Spekulation bei.
Natürlich gilt dabei stets, dass jedes Finanz- oder Risikobewertungsmodell ein Instrument ist, das sich auf historische Daten stützt und auf die statistische Wahrscheinlichkeit bestimmter Ergebnisse auf Grundlage derselben historischen Daten. Wie in der Investmentwelt so oft gesagt wird: Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für die Zukunft.
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Risikomanagement - Kunst und Wissenschaft