Hohe Kosten in der Kritik

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pra. ⋅ Die Vereinbarung der britischen Regierung mit der staatlich kontrollierten EdF und den chinesischen Staatskonzernen CNG und CNNC ist, wenn es denn überhaupt Widerstand gab, fast ausschliesslich aus ökonomischer Perspektive kritisiert worden. Der Bau des neuen Kernkraftwerks in Hinkley Point wird Grossbritannien teuer zu stehen kommen. Die Investitionssumme für die beiden Reaktoren wurde vom Energieministerium mit 16 Milliarden Pfund angegeben; im Frühjahr hatte es noch 12 bis 14 Milliarden Pfund geheissen, im Strategiepapier der Regierung für den Bau neuer AKW von 2008 war von weniger als der Hälfte die Rede gewesen.

EdF wird ein Absatzpreis von 92,5 Pfund pro Megawattstunde Strom garantiert, der von den Verbrauchern bezahlt werden muss. Dieser Preis, der ab Beginn der Produktion während 35 Jahren jährlich mit der Inflation steigen wird, liegt gerade etwa doppelt so hoch wie der gegenwärtige Marktpreis.

Das ist gemäss den Kalkulationen von EdF angeblich nötig, um die Baukosten und den Betrieb des neuen AKW zu decken sowie eine Rendite auf dem investierten Kapital von 10 Prozent zu sichern. Zusätzlich kommt EdF in den Genuss von Staatsgarantien für Kredite sowie für gewisse Kostenänderungen.

Ob der mit der Regierung vereinbarte Preis angemessen ist, lässt sich nicht objektiv beurteilen, da er von den bei der Kalkulation gemachten Annahmen abhängig ist. Angesichts der hohen Investitionssumme, die rund 60 Prozent der Gesamtkosten über die Lebensdauer ausmacht, sowie der langen Laufzeit sind die Annahmen über die Zinssätze entscheidend.

Die bei der OECD angesiedelte Internationale Energieagentur hat Vergleichsrechnungen für das Basisjahr 2010 publiziert. Sie kam unter der Annahme eines moderaten kalkulatorischen Zinssatzes von 5 Prozent auf ein Preisband für die Kosten von neuen Kernkraftwerken in Europa zwischen umgerechnet 31 Pfund und 50 Pfund pro Megawattstunde. Nimmt man einen hohen Zinssatz von 10 Prozent an, liegen die Kosten zwischen 51 Pfund und 86 Pfund. Das deutet darauf hin, dass die Franzosen mit dem Ergebnis von 92,5 Pfund geschickt verhandelt und einen nicht völlig abwegigen, aber gewiss grosszügigen Preis ausgehandelt haben, zumal sie auch noch in den Genuss weiterer Staatsgarantien kommen. Einmal mehr scheint sich das Muster zu wiederholen, dass die Regierung in Infrastruktur-Deals mit der Privatwirtschaft ungünstige Bedingungen für die Bevölkerung aushandelt. Gefördert wurde die Tendenz durch den Umstand, dass EdF und die chinesischen Partner neben der japanischen Hitachi die einzigen Unternehmen sind, die sich überhaupt für den Bau britischer Kernkraftwerke interessieren, nachdem die deutschen E.On und RWE sich im Nachgang zu Fukushima zurückgezogen haben.

Noch weniger eindeutig als der Preis sind die Alternativmöglichkeiten zu beurteilen, die sich zum Ausbau der Kernkraft bieten. Kurzfristig wäre der Bau von Gaskraftwerken laut der Internationalen Energieagentur billiger als das neue AKW in Hinkley Point, doch die langfristige Kostenentwicklung hängt von vielen Unbekannten ab, namentlich der künftigen Klimapolitik sowie auch der möglichen Förderung von Schiefergas.

Der radikale Ausbau der erneuerbaren Energien, den sich Deutschland zur Strategie gemacht hat, fordert auf absehbare Zeit ähnliche Subventionen wie das neue AKW. Er wäre in Grossbritannien aus politischen Gründen ungleich schwieriger durchzusetzen.