Illiquide Obligationenmärkte als Sorge

Ob Obligationen-Fonds oder ETF: Alle möchten derzeit langfristig orientierte Investoren. Denn was den Fonds und ETF passieren wird, wenn die Anleger einmal alle zur Tür rennen, weiss derzeit niemand.

Claudia Gabriel
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 An der Fondsmesse wird heftig debattiert. (Bild: PD)

An der Fondsmesse wird heftig debattiert. (Bild: PD)

Eine Finanzkrise bricht meistens dort aus, wo niemand hingeschaut hat. Das ist ein Trost mit Blick auf die neuen Risiken an den Obligationenmärkten, denn über diese wird derzeit unter Investoren, Händlern und Fondsmanagern ausgiebig diskutiert. So argumentierte mit einem gewissen Recht Mario Eisenegger von der Fondsgesellschaft M&G auf einem Panel an der Messe Finanz '16 in Zürich. Denn, da waren sich die Panelisten einig: Was mit Obligationenfonds und vor allem -ETF passieren würde, wenn an den Obligationenmärkten eine Verkaufswelle losbräche und sich die Investoren mehrheitlich zurückziehen wollten, das kann im Moment niemand abschätzen.

Neue Marktstruktur in der Schweiz

Habe man vor wenigen Jahren am Schweizer Markt für Unternehmensanleihen Blöcke in der Grösse von 30 bis 50 Mio. Fr. handeln können, so seien diese Mengen bis heute kräftig geschrumpft, erklärte Maurizio Pedrini von der Zürcher Kantonalbank. Fondsmanager stellen sich darauf ein, indem sie vorzugsweise Anleihen aus grossen Emissionen kaufen, bei denen sich viele Investoren engagieren und daraus kleinere Losgrössen übernehmen. Das erhöht die Chance, im Notfall Käufer zu finden.

Etwas relativierend wirkt allerdings, dass sich auch die Marktstruktur verändert hat, wie Markus Thöny von Lombard Odier Investment Managers betonte: Gab es vor 10 Jahren in der Schweiz noch vor allem Unternehmensanleihen von sehr soliden Schuldnern zu kaufen, so ist heute eine deutlich grössere Anzahl Schuldner aktiv. Etliche sind auch kleiner und vor allem von schlechterer Bonität.

Liquiditäts-Schere bereitet Bauchweh

Doch das grundsätzliche Problem bestritt niemand auf dem Panel: Immer mehr Investoren kaufen Fonds und ETF statt direkter Bond-Investments. Das hat viele Gründe, aber einer davon lautet, dass viele jederzeit aussteigen können möchten – obwohl Obligationen eigentlich dazu gedacht sind, von ihren Käufern bis zum Verfall gehalten zu werden. Gleichzeitig sind die Obligationenmärkte nicht mehr das, was sie vor der Krise von 2007/08 waren: Statt möglichst vieler möglichst unterschiedlicher Akteure treten zunehmend einige wenige Notenbanken als Grosskäufer auf. Und die neuen Bankenregulierungen haben verursacht, dass die Handelsbücher der Banken nicht mehr als Puffer dienen können, wenn sich für ein Obligationen-Paket nicht sofort ein Käufer finden lässt.

UBS legt nur ETF in liquiden Segmenten auf

Besonders schwierig ist diese Situation potenziell für die Exchange-Traded Funds (ETF – börsengehandelte Index-Fonds): Befinden sich die Märkte in einem einigermassen ausgeglichenen Zustand, können die Anleger untereinander jederzeit an der Börse die ETF-Anteile handeln. Kippt der unterliegende Markt ernsthaft und wollen auch mehr ETF-Anteils-Besitzer aus- als einsteigen, könnte es passieren, dass die ETF ihre Anlagen nicht mehr zu adäquaten Preisen loswerden. Diese Situation hat man noch nie erlebt, denn wie Raimund Müller von der UBS ausführte, sind Obligationen-ETF ein junges Finanzinstrument. Derzeit sind weltweit rund 84 Mrd. $ in solche Vehikel investiert, und die Nachfrage wächst um 20 bis 30% pro Jahr.

Laut Müller ist die Liquidität für die UBS in ihrem ETF-Geschäft ein zentrales Thema: Man lege nur ETF auf solche Marktsegmente und Indizes auf, die eine genügende Liquidität böten. Damit zähle die UBS aber zu den konservativen Anbietern. Sie verzichte bewusst auf eigene ETF in den jüngst bei den Anlegern beliebten, aber speziell illiquiden Segmenten der High-Yield-Bonds und der US-Bankkredit-Verbriefungen.

Kein absichtlicher Gewinn aus Illiquidität möglich

Im Gegensatz zu den ETF steht den aktiven Fondsmanagern eine breite Palette von Instrumenten zur Verfügung, um die Risiken abzufedern oder sogar noch von liquiditätsbedingten Marktverwerfungen zu profitieren: der Einsatz von deutlich liquideren Derivaten wie Swaps oder CDS auf Obligationen-Indizes, höhere Bargeldbestände, um Investoren auszuzahlen oder temporär klar unterbewertete Obligationen zu erwerben, die bereits erwähnte Limitierung der Losgrössen und die Bevorzugung liquiderer Obligationen usw. Ein Instrument zur Risiko-Senkung sind auch Anpassungen in den Anlagerichtlinien, damit der Fonds zum Beispiel bei Rating-Rückstufungen nicht sofort zu Verkäufen gezwungen ist.

Von den Liquiditätsengpässen geplant und gezielt zu profitieren, sei allerdings schwierig, sagten die Panelisten im Gespräch unter der Leitung von Simon Weiler von e-fundresearch.com. Es lasse sich zwar ungefähr abschätzen, wo Liquiditätsrisiken lauern könnten. Liquiditätsprämien als Rendite-Faktor liessen sich jedoch kaum berechnen oder gar prognostizieren. Die Kunst des Investierens in Festverzinsliche bestehe wie eh und je in der Auswahl der richtigen Schuldner und der richtigen einzelnen Obligationen und in der Zusammenstellung eines passenden Portfolios.