In den Frühzeiten des Portfolio-Managements war alles noch sehr einfach. Man unterschied im Grunde nur drei Galaxien: Aktien, Anleihen und den Rest, mit dem sich nur wenige Außenseiter beschäftigten: Alternative Investments wie Immobilien, private Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen, Kunst, Rohstoffe oder Hedge-Fonds. Auch die reine Wissenschaft, welche in den 1960er und 70er Jahren die moderne Portfoliotheorie Stück für Stück entwickelte, kam mit dieser Segmentierung aus oder beschäftigte sich gar nicht erst damit. Markowitz ging es in seiner „Portfolio Selection“ um einen Lösungsweg, mit dem sich das beste Mischungsverhältnis von zwei oder mehr Einzelaktien bestimmen ließ.
Risikobereitschaft und Ertragserwartung in Harmonie?
Tobin, Erfinder der Kapitalmarktlinie und William Sharpe, der mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) ein bald breit akzeptiertes Risikomodell auf Basis des Marktportfolios begründete, hielten sich mit Segmentierungen des Marktes erst gar nicht auf. Sie schlugen vor, einfach einen so großen Teil „Marktportfolio“ einer risikolosen Anlage hinzuzufügen, dass sich Risikobereitschaft und Ertragserwartung in Harmonie befinden. Woraus dieses „Marktportfolio“ besteht, hat Sharpe vorgegeben: Es handelt sich dabei um die Summe aller verfügbaren, nicht risikolosen Anlagen, gewichtet nach ihrer jeweiligen Kapitalisierung.
Man müsste also zum Beispiel sehr viel mehr Anteile an Google, Shell oder Toyota besitzen, weil diese Titel sehr hoch kapitalisiert sind, aber nur homöopathische Dosen der Tanzania Tea Packers Ltd, weil die mit nur rund 5 Millionen Euro Aktienkapital sprichwörtliche Peanuts repräsentiert. Vietnamesische Staatsanleihen sind nicht Teil des Marktportfolios, weil sie nicht verfügbar sind.
Öltanker und Silberlöffel
Für die heute gängigen Formen der Portfoliokonstruktion und Einzeltitel-Auswahl im Asset Management hatte das gedankliche Konstrukt des CAPM mit seinem „Marktportfolio“ tiefgreifende Auswirkungen. Eine davon ist für diesen Beitrag von besonderem Interesse: Wenn das Marktportfolio aus wirklich ALLEN verfügbaren Anlagen (gewichtet nach ihrer Kapitalisierung) besteht, dann befinden sich darin ganz offensichtlich nicht nur Aktien und Anleihen, sondern auch Währungen, Rohstoffe, Immobilien, Silberlöffel, Briefmarken, Van Gogh Gemälde und neuerdings – weil in Form von entsprechenden Anlageprodukten verfügbar – auch Containerschiffe, Öltanker oder Flugzeuge.
Weil es keinem Anleger gelingen kann, ein derartiges Portfolio zusammenzustellen, geschweige denn laufend zu aktualisieren, darf Sharpe auch als Inkubator eines boomenden Industriezweigs gelten: der Index-Branche. Indizes werden als praxisnahe Annäherung an den Gesamtmarkt verstanden, den sie abzubilden versuchen. Wobei gilt: je breiter der Index (also je größer der Anteil des Marktes, welcher darin abgebildet wird), desto präziser die Annäherung; und je enger der Index, desto einfacher lässt er sich nachbilden.
Im täglichen Leben der Asset Managements haben sich über die Jahre einige Leitindizies herausgebildet, welche die Praktiker aus Vermögensverwaltung und Portfoliomanagement als „Marktportfolio-Benchmarks“ benützen. Für die Aktienmärkte sind das etwa S&P 500 (USA), Nikkei 225 (Japan), Stoxx 50 (Europa) oder MSCI World („Welt“). Auf der Anleihenseite spielen z.B. die Total-Return Indices von JP Morgan ähnliche Rollen. Für Rohstoffe bieten der Standard & Poors GSCI oder der Dow Jones AIG beliebte Proxys und selbst vor der holden Kunst hat die Indexindustrie nicht halt gemacht. Lediglich Silberlöffel warten noch auf eine geeignete Benchmark.