Kichler: Wir gehen davon aus, dass sich die Stimulationsmaßnahmen der internationalen Regierungen und Notenbanken ab dem 4. Quartal 2009 positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken werden. Diese Effekte werden jedoch wahrscheinlich nur ein Strohfeuer auslösen, dass bereits zur Jahresmitte 2010 größtenteils abgebrannt sein könnte und wir anschließend wieder die dämpfenden Faktoren der strukturellen Wirtschaftskrise zu spüren bekommen. Dieser strukturelle Abschwung wird wohl erst gegen 2012 auslaufen und bis dahin noch einige Kollateralschäden in der Realwirtschaft zur Folge haben.
In den ersten Jahren dieser Krise wird trotz der immensen Geldmengenausdehnung eher Deflation zum Thema werden, später jedoch, mit dem Vertrauensschwund in die Fähigkeit der Staatsinstanzen die Krise zu bewältigen, könnte es auch zu Misstrauen gegenüber der Stabilität und der Werthaltigkeit von USD und EUR kommen, gefolgt von einer deutlichen Erhöhung der Umlaufsgeschwindigkeit und anziehender Inflation. Die Bondmärkte und die Finanzierung der deutlich ausgeweiteten Staatshaushalte würden im diesem Fall einem dramatischen Stresstest unterzogen.
e-fundresearch: Welche Regionen und/oder Sektoren sind derzeit übergewichtet? Was sind die Gründe dafür?
Kichler: Die Grundlage der Titelselektion im FvS Aktien Global bildet eine globale Sektorbetrachtung, bei der die Bewertungen der Unternehmen einer Branche mit Hilfe der Kennzahl „erwarteter nachhaltiger Free Cashflow / Enterprise Value“ miteinander verglichen werden. Weitere Selektionskriterien sind eine besonders gute Sektorstellung, hohe Margen und eine überschaubare Verschuldung des jeweiligen Unternehmens. Eine Asset Allokation nach Regionen ist nicht Bestandteil des Investmentansatzes.
Aufgrund der seit längerem völlig unübersichtlichen Situation im globalen Finanzsystem, dessen Schieflage wohl geradezu zwangsläufig zu weiteren Verstaatlichung von Banken und/oder Versicherungen führen dürfte (z.B. Citibank), befindet sich seit nunmehr 15 Monaten kein einziger Finanztitel im Portfolio, und Neuengagements sind, zumindest auf kürzere bis mittlere Sicht, auch nicht vorgesehen. Im Vergleich zu einem Referenzindex ergibt sich aus dieser Positionierung naturgemäß die größte Abweichung.
Der Anlageschwerpunkt liegt derzeit in den Bereichen Pharma / Medtech (14,6%), Konsum (13,9%) und Öl / Versorger (12,8%). Im Zuge des jüngsten Kursrückschlages im März 2009 wurde die Gewichtung des Technologiesektors durch Zukäufe ebenfalls wieder auf über 10% des Fondsvermögens aufgestockt. Die größte Einzelposition ist hier mit 2,0% Microsoft. Angesichts des globalen Renditerutsches erfolgte zuletzt auch ein Ausbau der Positionen bei einigen dividendenstarken Titeln. Unter diesem Gesichtspunkt ist derzeit France Telekom (Rendite ca. 8%) mit 3,1% die größte Einzelposition im Fonds.
e-fundresearch: Welche Faktoren sind für die Beurteilung der globalen Aktienmärkte derzeit am wichtigsten?
Kichler: Aus der Makroperspektive analysieren wir derzeit insbesondere die Entwicklung der Finanzkrise. Sofern die Notenbanken und Regierungen diese nach wie vor brenzlige Situation unter Kontrolle behalten, könnte sich dieses Thema in der zweiten Jahreshälfte etwas entspannen. Insbesondere sollte dann eine Verschärfung des „Credit Crunchs“ vermeidbar werden, der das derzeit ohnehin geschwächte Wirtschaftsgeschehen zusätzlich lähmt.
Außerdem verfolgen wir zeitnah die konjunkturellen Frühindikatoren der wichtigsten Wirtschaftsnationen. Der dramatische Einbruch der Weltwirtschaft in den letzten sechs Monaten dürfte teilweise auch durch einen massiven Abbau von Waren und Vorräten in den Wertschöpfungsketten vieler Sektoren (z.B. Automobil, Zulieferer, Stahl, Eisenerz) zu erklären sein. Bei einer Normalisierung des Lagerzyklus könnten sich ab dem zweiten Quartal konjunkturelle Stabilisierungstendenzen, wenngleich auf niedrigem Niveau, abzeichnen. In diesem Fall sollten sich auch die gegenwärtig bei vielen Unternehmen noch im freien Fall befindlichen Gewinnschätzungen stabilisieren können, was wir als eine notwendige Bedingung für eine nachhaltige Bodenbildung an den Aktienmärkten erachten.
Im Vordergrund unseres Investmentansatzes steht jedoch die Betrachtung der Quartals- und Jahresabschlüsse der Unternehmen. Hier beginnt gerade die Berichtssaison für das 1. Quartal 2009 und wir werden aufmerksam verfolgen, wie sich die fallenden Absatzvolumen auf die Margen und Gewinne der Unternehmen ausgewirkt haben und welche Kostenmaßnahmen ergriffen wurden bzw. werden sollen.
e-fundresearch: Wie ist ihr genereller Marktausblick für die kommenden 12 Monate? Wo ergeben sich Chancen und wo liegen die Risiken?
Kichler: Mit dem Kurseinbruch Anfang März 2009 könnten die tiefsten Kurse dieses Börsenzyklus bereits erreicht worden sein, sofern die Finanzkrise beherrschbar bleibt und der gegenwärtige Konsens für das Volumen des Welthandels in 2009 von minus 9% nicht weiter nach unten korrigiert werden muss. Gemessen an unserem Zentralkriterium für die Aktienbewertung (nachhaltiger Free Cashflow / Enterprise Value) sind viele Titel mittlerweile auf dem attraktivstem Niveau seit Jahrzehnten angelangt. Zumindest, sofern die Gewinne in der zweiten Jahreshälfte nicht noch weiter deutlich nach unten korrigiert werden müssen.
Aufgrund der in vielen Ländern durch den Immobilienpreisverfall ausgelösten und damit strukturellen Konsumschwäche ist jedoch in diesem Wirtschaftszyklus auch auf mittlere Sicht keine schnelle Konjunkturerholung zu erwarten. Dagegen spricht auch die weltweit rasant ansteigende Arbeitslosigkeit, die dem Konsumgeschehen zusätzlich Kaufkraft entzieht. Die Aktienmärkte dürften daher, gemessen an den Indizes, vorerst in einer prozentualen Range von 20 –25% verharren, so dass in den kommenden Monaten aller Voraussicht nach eine tradingorientierte Anlagepolitik opportun erscheint. Um für die weiter zu erwartenden schwachen Börsentage gewappnet zu sein, beträgt die aktuelle Cash-Position im Fonds ca. 20%.
So betrug z.B. der Enterprise Value von Microsoft am 6.3.09 bei einem Kurs von 15 EUR nur noch 110 Mrd. USD, was bei einem für 2009 zu erwartenden Free Cashflow von 15 Mrd. USD beinahe schon als Ausverkauf bezeichnet werden muss. Eine Aktie mit einer 13% FCF-Yield einkaufen zu können, dessen Unternehmen zu den letzten vier verbliebenen US-Gesellschaften mit einem AAA-Rating gehört und über ein weitgehend krisenresistentes Geschäftsmodell verfügt, ist letztlich nur in einem panikgetriebenen Marktumfeld möglich. Solche Chancen wollen wir auch zukünftig nutzen.
Weitere Implosionen in der globalen Finanzarchitektur, deren Kosten bereits jetzt zahlreiche Länder an den Rand ihrer finanziellen Belastbarkeit gebracht haben, sind derzeit das alle andere Faktoren überragende Systemrisiko für die Aktienmärkte. Ohne dieses düstere Damoklesschwert wäre der FvS Aktien Global auf dem aktuell günstigen Kursniveau vieler erstklassiger Aktien sicherlich auch schon wieder mit nahezu 100% in Aktien investiert.
e-fundresearch: Vielen Dank für das Interview!