Als Luiz Inácio Lula da Silva – besser bekannt als „Lula“ – im Jänner 2003 sein Amt antrat glaubten nicht wenige Beobachter, dass der neue brasilianische Präsident das Land ins wirtschaftliche Chaos stürzen würde. Tatsächlich war Brasilien, das sich seit Jahren Hoffnung machte aus seinen Dornröschenschlaf zu erwachen und zu den großen Wirtschaftsnationen aufzuschließen, alles andere als in einer guten Verfassung – schon alleine der Leitzins lag bei unglaublichen 20 Prozent.
Zinsniveau in den letzten Jahren wesentlich stabiler
„Heute liegt das Zinsniveau bei knapp neun Prozent, das Land ist wesentlich stabiler aufgestellt und Lula erfreut sich seitens der Bevölkerung größter Beliebtheit – die Zustimmungsrate liegt bei rund 80 Prozent“, so Florian Tanzer, Manager des DWS Brazil, gegenüber e-fundresearch. Ob nun die Veränderungen sowie das starke Wachstum ausschließlich auf den Präsidenten oder die Rohstoffpreise zurückzuführen sind, sei für Investoren letztendlich egal.
Anleger mehr als zufrieden
Anleger die seit Jahresbeginn in brasilianische Aktien investiert waren können sich zufrieden die Hände reiben. Über diesen Zeitraum legte der brasilianische Aktienindex Bovespa um rund 70 Prozent zu, der DWS Brazil um starke 109,31 Prozent. Angesichts der starken Entwicklung der letzten Monate gehen nicht wenige Beobachter davon aus, dass Brasilien von einer möglichen Korrektur stärker betroffen sein wird als andere Märkte. Schließlich würden sich Investoren in der Regel von jenen Werten zuerst trennen, die zuletzt die meisten Gewinne verzeichneten.
Fruchtbarer Boden für Investmentideen
„Für uns als Stock-Picker ist Brasilien ein äußerst fruchtbarer Boden um Investmentideen zu verwirklichen“, so Matthew Vaight und Michael Godfrey, Co-Manager des M&G Global Emerging Market Fund, unisono. Als besonders positiv sehen sie die Corporate Governance-Standards brasilianischer Unternehmen, die mit keinem anderen Schwellenland verglichen werden können. Dementsprechend würden die Unternehmen im Interesse der Aktionäre gemanagt werden.
Starke Binnennachfrage
Nach Angaben von Tanzer erachten viele Investoren die Zusammensetzung des brasilianischen Leitindex als sehr zyklisch und damit auch als sehr aggressiv. “Die brasilianische Realwirtschaft ist jedoch wesentlich weniger zyklisch bzw. exportabhängig als vielfach angenommen“, so der DWS-Experte. In makroökonomischer Hinsicht sei die Volkswirtschaft sehr geschlossen mit einer sehr starken Binnennachfrage.
Profitable Banken mit guten Risikosystemen
Als besonders interessant sehen Experten brasilianische Banken. Sie wären im internationalen Vergleich extrem profitabel und hätten sehr gute Risikosysteme. Der Hauptgrund für diese Entwicklung sei das Management der brasilianischen Banken, das über eine lange Erfahrung im Kampf gegen Krisen und Hyperinflation verfügt. Ein Musterbeispiel sei die Itau Unibanco. Positiv: Das Exposure der brasilianischen Banken zu Toxic Assets liegt bei Null Prozent.
Starke Rohstoffnachfrage
„Als rohstoffreiches Land bietet Brasilien Anlegern die Möglichkeit in Unternehmen zu investieren, die gute Chancen haben, langfristig von der starken Rohstoffnachfrage zu profitieren“, so Vaight. Dazu würden mit Sicherheit der Eisenerzproduzent Vale und der Öl- und Gaskonzern Petrobrás zählen – die zwei größten Positionen im M&G Global Emerging Market Fund. Mit einem Anteil von knapp 15 Prozent am Fondsvolumen stellt Brasilien derzeit die größte Länderposition im Fonds dar.
Fokus der M&G Fondsmanager
Die M&G-Fondsmanager konzentrieren sich nach eigenen Angaben in erster Linie auf Unternehmen mit starken Geschäftsmodellen, die Anlegern auf längere Sicht eine positive Wertentwicklung bringen. „Wir suchen Management Teams, die unter Shareholder Value das gleiche verstehen wie wir. Um das richtig einschätzen zurück schenken wir besonders den Return-on-Capital Beachtung“, so Godfrey. Wichtig wäre zudem, dass die Unternehmen vom Markt unterbewertet sind.
Konsumenten und Unternehmen sind kaum verschuldet
Für Experten stellt die vergleichsweise geringe Verschuldung der brasilianischen Konsumenten und Unternehmen einen großen Vorteil dar. Dazu komme, dass trotz massiver Zinssenkungen das Zinsniveau immer noch hoch ist und der Zentralbank dementsprechend einiges an Handlungsspielraum offen lässt. „Es gibt überall versteckte Faktoren, die helfen können, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld verschlechtern sollte“, so Florian Tanzer.
Ausblick laut DWS
Der DWS-Experte hat einen überaus positiven Ausblick für die brasilianische Wirtschaft. Fast noch wichtiger als die großangelegten Infrastrukturinvestitionen wäre jedoch, dass die Brasilianer nicht nur sehr stolz sind auf ihr Land, sondern auch großes Vertrauen in die brasilianische Wirtschaft haben. Dass dem Land sowohl die Austragungen der Fußball Weltmeisterschaft 2014 als auch der Olympischen Spiele 2016 zugesprochen wurden, könnte daher auch einen großen Einfluss auf den Konsum haben.