Kassin: „Meistens sind die Märkte im Jänner und Februar sowie über die Sommermonate ruhig. Ab September kommt dann Bewegung und Hektik rein, die bis zum Jahresende anhält. Investoren wollen dann sehen welche Assets wirklich eine Performance liefern. Heuer fühlt es sich ähnlich an. An den Märkten herrscht nach wie vor Angst, Anleger sind klar unterinvestiert. Das wird sich aber bald ändern und sie werden merken, dass sehr viel Wert in den Märkten steckt. Die Frage ist nur wie weit die Erholung gehen wird.“
e-fundresearch: „Was sind für Sie die interessantesten Schwellenländer?“
Kassin: „Es wird oft vergessen, dass es sich bei dem Begriff „Emerging Markets“ um einen sehr allgemeinen handelt. Dazu werden etwa so unterschiedliche Länder wie Russland und Sambia gezählt – für viele gehört auch Griechenland zu den Schwellenländern.
Aus fundamentalen Gesichtspunkten sind die Emerging Markets ohne Zweifel vergleichsweise in guter Verfassung.
Ich glaube, dass es besonders wichtig ist zwischen den überkauften und gehypten Ländern wie etwa den BRIC-Staaten, Mexiko oder der Türkei zu unterscheiden, die keine großartigen Gelegenheiten bieten und jenen die weniger bekannt sind, dafür aber attraktive Renditechancen bieten. Die große Gruppe der stabilen Schwellenländer bietet ganz einfach keine großartigen Gelegenheiten.
Was die zu erwartenden Renditen betrifft, sehe ich sehr viele interessante Länder. Man muss allerdings sehr vorsichtig vorgehen. Auf meiner Kaufliste stehen beispielsweise auch die Ukraine und Venezuela. Ukrainische Staatsanleihen bieten derzeit Renditen von 6,75 Prozent. Sehr hoch rentieren auch argentinische Staatsanleihen und genau das zählt am Ende des Tages. Die Kunden wollen nicht in die Benchmark investieren, das könnten sie auch mit einem Derivativprodukt machen.
Mir gefallen aber auch Länder wie Indonesien und die Philippinen, die zwar weniger hohe Renditen bieten, die im Vergleich zu jenen anderer asiatischer Staaten trotzdem attraktiv sind.“
e-fundresearch: „Schrecken Sie beim Beispiel Argentinien nicht die politischen Risiken ab?“
Kassin: „In Argentinien gibt es zwar politische Risiken, aber in vielen andern Ländern auch – beispielsweise in den USA. Dass es hier in der Vergangenheit zu Ausfällen gekommen ist, kann nicht geleugnet werden. Es ist jedoch wichtig sich zu fragen, ob das derzeit realistisch ist. Ich denke nicht. Das kann in drei Jahren schon anders ausschauen. Im kommenden Jahr stehen in Argentinien Wahlen an. Da könnte es zu Turbulenzen kommen, etwa wenn die jetzige Regierung Geld aufnimmt um weiterhin an der Macht zu bleiben. Die Ukraine hat sehr schlechte Ratings, kann aber auf die Unterstützung des IWF und Russlands zählen.
e-fundresearch: „Sind Lokalwährungsanleihen ein Thema für Sie?“
Kassin: „Lokalwährungsanleihen mögen zwar sehr interessant sein. In der Vergangenheit haben sie sich jedoch meistens dann gut geschlagen wenn das Euro-Dollar-Wechselverhältnis stark war. Lokalwährungsanleihen sind einfach weniger liquide. Der einzige Grund warum sie outperformen, ist weil sich zuletzt der Dollar stärker entwickelt hat. Ich bin stark überzeugt von Hartwährungsanleihen.“
e-fundresearch: „Glauben Sie, dass sich Investoren in unsicheren Zeiten wie in der Vergangenheit zuerst von Schwellenländer-Wertpapieren trennen werden?“
Kassin: „Investoren haben die Tendenz jene Assets zu verkaufen, mit denen sie Geld gemacht haben oder die sie nicht verstehen. Das ist ohne Zweifel ein Risiko das bei den Emerging Markets gegeben ist. Laufen die Dinge nicht gut, werden sie auch in Zukunft verkaufen.“
e-fundresearch: „Was für Ereignisse stehen in naher in Zukunft in den Schwellenländern an, die Bewegung in die Märkte bringen könnten?“
Kassin: „2010 ist ein interessantes Jahr. Ein wichtiges Ereignis stellen die Wahlen in Brasilien dar. Interessant ist wie die Märkte darauf reagieren werden, dass Präsident Luiz Inácio Lula da Silva seine Kandidatin durchsetzen will. Im kommenden Jahr finden dann die Präsidentschaftswahlen in Argentinien statt.“
e-fundresearch: „Wie gehen Sie bei der Titelselektion vor?“
Kassin: „Zuerst widme ich mich den fundamentalen Faktoren, dann den Preisen. Früher hat man sich in erster Linie auf die Spreads konzentriert – sie interessieren mich jedoch nicht. Viel wichtiger sind die Renditen. Ich glaube, dass sich in dieser Hinsicht einiges in der Psychologie der Investoren geändert hat.“
e-fundresearch: „Haben Sie im Gegensatz zu früher in irgendeiner Art ihre Strategie geändert bzw. haben Sie bei Reyl Asset Management andere Vorgaben?“
Kassin: „Bei ABN Amro hatte ich zwar die Flexibilität, benötigte sie aber nicht. Ganz anders war die Situation bei der Credit Suisse: Hier hatte ich viel weniger Flexibilität, als es für die damalige Situation angebracht war. 2008 war eine Katastrophe. Bei Reyl Asset Management habe ich jetzt die Möglichkeit zu 100 Prozent in Cash zu gehen, was mir ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Ich kann weiters zu jeweils zehn Prozent in Unternehmensanleihen und Lokalwährungen investieren.“
e-fundresearch: „Hat sich der Markt für Unternehmensanleihen in den Schwellenländern weiter entwickelt?“
Kassin: „Mit Emerging Markets-Unternehmensanleihen kauft man sich nicht sehr viel Liquidität ein, was klarerweise ein Risiko darstellt. Ich habe den Eindruck, dass vor allem Banken diesen Markt nutzen um Geld zu machen.“
e-fundresearch: „Mit welcher Performance können Investoren heuer rechnen?“
Kassin: „Ich bin etwas vorsichtiger geworden. Ich glaube, dass heuer eine Performance von rund zehn Prozent realistisch ist, das ist auch mein Ziel. In der Vergangenheit lag mein historischer Durchschnitt bei 20 Prozent. Wenn ich glaube, dass ich so viel Ertrag erzielt habe, um die Investoren glücklich zu machen, dann verkaufe ich. Die Zufriedenheit der Investoren ist das wichtigste.“
e-fundresearch: „Herr Kassin, wir bedanken uns für das Gespräch!“