Das Potenzial des chinesischen Marktes will sich kaum ein heimisches Unternehmen entgehen lassen. Erst kürzlich hat China die USA als wichtigster Überseemarkt für die österreichische Wirtschaft abgelöst – Tendenz stark steigend.
Schlüsselrolle für China
Die heimischen Überseeexporte machen laut Christian Schierer, Handeldelegierter für Hongkong, Macau und Südchina, derzeit rund 16 Prozent der Gesamtausfuhren aus. „Das ist zu wenig, geplant ist diesen Wert auf 20 Prozent zu erhöhen.“ Eine Schlüsselrolle soll dabei China spielen, das – wie Schierer bestätigt – die USA mittlerweile als wichtigsten Überseemarkt überholt hat. Allein im vergangenen Monat haben die Exporte nach China (exklusive Hongkong, Anm.) um 42 Prozent zugenommen.
Österreichische Unternehmen in China
„26 Prozent der österreichischen Exporte gehen über Hongkong und das Pearl River Valley nach China“, streicht Schierer die Bedeutung des „duftenden Hadens“ hervor. 150 österreichische Unternehmen sind bereits vor Ort in Hongkong. Schierer ist überzeugt, dass das im Mai unterzeichnete Doppelbesteuerungsabkommen für weitere Zuwächse sorgen wird. Allein im Vorjahr habe die Zahl heimischer Firmen in Hongkong um acht Prozent zugenommen. Mit 600 Expats lebt hier die größte Österreicher-Community Asiens.
Ziel ist Venture Capital
Trotz der offensichtlichen wirtschaftlichen Dnyamik glaubt Schierer, dass die Wertigkeit Chinas noch nicht wirklich durchgedrungen ist. Er verweist auf die Tatsache, dass das Investitionsvolumen österreichischer Unternehmen im Reich der Mitte zuletzt gerade mal 500 Millionen Euro ausgemacht hat, was jenem Betrag entspricht, der in Bosnien-Herzegowina investiert ist. „Unser Ziel ist es, dass österreichische Firmen in Hongkong Venture Capital aufnehmen“, gibt Schierer die Zielrichtung vor.
Unternehmen mit starker Position in China
Aber es gibt auch genügend Beispiele für Unternehmen, die sich längst in China positioniert haben. Die Andritz AG baut in ihrem Werk im südchinesischen Pearl River Valley Umweltpumpen und hält damit in China bei einem Marktanteil von 55 Prozent. Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat bekanntlich einen Teil der Produktion nach China ausgelagert und investiert derzeit in den Ausbau der Kapazitäten. 2011 sollen in Schanghai zwei neue Produktionsstraßen in Betrieb genommen werden. Der Tiroler Kristallkonzern Swarovski verfügt in Hongkong über die größte Shopdichte in ganz Asien und auch Red Bull hat erst kürzlich ein Büro mit 200 Mitarbeitern eröffnet.
Insgesamt zählen Maschinen und Bauerzeugnisse, Glaswaren und Elektrotechnik, optische Geräte sowie Pharmazeutika zu den bedeutendsten heimischen Exportprodukten. „Es wird sich in Hongkong noch viel ändern, da derzeit stark in die Infrastruktur investiert wird“, so Schierer. Zu den Projekten zählen etwa neue U-Bahnlinien, Brücken sowie gigantische Wohnprojekte.
Börse in HongKong ist bestkapitalisierter Markt der Werlt
Die Hongkonger Börse zählt zu den bestkapitalisierten Märkten der Welt. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten für ausländische Anleger in China zu investieren gilt sie als „Börse nach außen“, Schanghai wiederum wird gerne als „Börse nach innen“ bezeichnet. Die Zulassungsbedinungen für interessierte Unternehmen gelten als streng. Sie müssen unter anderem mindestens in drei aufeinanderfolgenden Jahren einen Gewinn nachweisen können. Gleichzeitig darf der kumulierte Gewinn der letzten drei Jahre nicht unter 50 Millionen HKD liegen.
Unternehmen streben Börsengang an
Trotz der strengen Zugangskriterien will derzeit eine Vielzahl von Unternehmen die positive Stimmung für einen Gang aufs Börsenparkett nutzen. Dazu gehört etwa Oleg Deripaska’s EuroSibEnergo. Der russische Stromhersteller wird voraussichtlich im Dezember sein IPO feiern und will auf diesen Wege rund 1,5 Milliarden USD lukrieren. Der chinesische Ernergieversorger Huaneng Group hofft Aktien im Wert von einer Milliarde USD platzieren zu können, der französische Tierfutterproduzent Bluestar Adisseo rechnet wiederum mit 1,56 Milliarden USD.
Joyce Poon, Senior Analyst China beim Researchhaus GaveKal, glaubt dass der Hang Seng Index, der aktuell bei 23.214 Punkten notiert, bis zum Jahresende auf bis zu 27.000 Punkte ansteigen könnte. Damit ist das Vorkrisenniveau von rund 30.000 Punkten wieder in Sichtweite. Trotz aller Euphorie über die erfolgte Erholung, werden Börsianer das Krisenjahr 2008, als der Hang Seng um rund die Hälfte einbrach und auch die Zahl der IPOs drastisch zurückging, wohl so schnell nicht vergessen.
Problem der drastisch sinkenden Geburtenrate
Zu einem Problem Hongkongs gehört die demographische Entwicklung, sprich die drastisch sinkende Geburtenrate. Dass Schulen mangels Nachwuchs zusperren ist in Hongkong keine Seltenheit. Seit 2005 mussten deshalb 72 Volksschulen und zwölf höhere Schulen ihre Pforten schließen. Stark steigend ist hingegen die Zahl der Kinder von Festlandchinesen, die in Hongkong geboren werden – 2009 waren es knapp 30.000, was 45,5 Prozent der Geburten in diesem Jahr entspricht.
Laut einem Urteil des Höchstgerichts aus dem Jahr 2001 gelten in Hongkong geborene Kinder als Einheimische. Die Entscheidung löste damals unter Festlandchinesen, die auf der Suche nach einem besseren Leben waren und in den Genuss der Sozialleistungen kommen wollten einen regelrechten Boom aus.
Finanzierung von Sozialleistungen
Die Sozialleistungen werden über Steuern finanziert. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Hong Kong Jockey Club, der der größte Steuerzahler der Sonderverwaltungszone ist. Gleichzeitig ist der Club, der neben Pferde- und Fußballwetten auch Lotterien betreibt für die er allesamt ein Monopol besitzt, auch der größte Förderer von wohltätigen Einrichtungen.
Die Schattenseiten China’s…
Aber die liberalste Volkswirtschaft der Welt, deren Dienstleistungssektor für mehr als 90 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, hat auch ihre Schattenseiten. So sind – obwohl der Spitzensteuersatz in Hongkong mit 16,5 Prozent vergleichsweise niedrig ausfällt – die Lebenshaltungskosten exorbitant hoch. Für eine 80 bis 90 Quadratmeter große Mietwohnung müssen im Monat bis zu 12.000 Euro hingelegt werden – von den Eigentumspreisen ganz zu schweigen. Dazu kommt hohe Umweltverschmutzung und eine Geschwindigkeit der Geschäftswelt, die viele Expats in das Burnout treibt.