Große Chancen sieht der Experte vor allem in den Emerging Markets, wo die Gesundheitsausgaben gemessen am BIP drei bis vier Mal niedriger sind als in den Industrieländern. (ISIN: LU0415392322)
e-fundresearch: Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Biotech-Industrie in den letzten Jahren entwickelt?
Koller: In der Vergangenheit stellte die Biotech-Industrie ausschließlich eiweißbasierte Medikamente her, mittlerweile auch so genannte „Small Molecules“ sowie chemische Substanzen. Es ist jedenfalls in den letzten Jahren eine Vielzahl von neuen und hochqualitativen Medikamenten auf den Markt gekommen. Trotzdem ist die Biotech-Industrie im Vergleich zur Pharmaindustrie noch klein. Ich erwarte jedenfalls, dass die kommenden Jahre sehr spannend sein werden. Es ist Zeit für die Branche die Früchte ihrer langen Arbeit zu ernten.
e-fundresearch: Wo sehen Sie die Treiber für die Branche?
Koller: Die Wachstumstreiber sind einerseits der Wunsch der Gesellschaft nicht nur älter zu werden, sondern auch gesund älter zu werden und andererseits die Emerging Markets, die bekanntlich einen hohen Aufholbedarf im Gesundheitsbereich haben. So ist in den Schwellenländern der durchschnittliche Anteil der Gesundheitsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) drei bis vier Mal niedriger als in den Industrienationen. Das Potenzial für westliche Firmen ist in den Schwellenländern jedenfalls enorm. Allein der Diabetes-Markt wächst in China und Indien doppelt so stark als etwa in den USA.
e-fundresearch: Trotz des von Ihnen angesprochenen Potenzials hat die Performance der Branche in den letzten Jahren zu wünschen übrig gelassen, was waren die Ursachen dafür?
Koller: In den letzten zwei, drei Jahren hat eine Reihe von Faktoren die Performance der Branche negativ beeinflusst. Dazu gehört etwa der politische Gegenwind im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform in den USA oder den staatlichen Sparmassnahmen im europäischen Gesundheitswesen. Wenig hilfreich war zuletzt auch die Eurokrise. Trotzdem ist die Industrie mit den Herausforderungen gut umgegangen und hat weiterhin auf Innovationen gesetzt. Den Unternehmen ist bewusst, dass der Schlüssel zum Erfolg bessere Medikamente sind.
e-fundresearch: Was wäre jetzt wichtig für die Biotech-Industrie?
Koller: Gut für die Assetklasse wären positive Nachrichten über klinische Ergebnisse oder weitere Übernahmen. Insgesamt kann man sagen, dass Anleger sind nicht nur skeptisch gegenüber Pharmatiteln sind, sondern gegenüber Aktien generell.
e-fundresearch: Wie schaut es mit den Bewertungen aus?
Koller: Die Bewertungen befinden sich auf einem historisch tiefen Niveau, zum Teil tiefer noch als die der Pharmaindustrie. Das Aufholpotenzial ist also gegeben.
e-fundresearch: Wie steht es eigentlich um die Biotech-Industrie in den Emerging Markets?
Koller: In den Emerging Markets tut sich im Biotech-Bereich vergleichsweise wenig. Am weitesten ist noch Indien. Der Markt wird dort in den kommenden Jahren lokal über die Makroentwicklung wachsen. Indische Biotechprodukte werden über den Preis auch zunehmend in Europa und den USA auf den Markt kommen. In der Vergangenheit waren indische Biotechunternehmen Zulieferer für die Industrienationen, haben aber in den letzten Jahren viel investiert.
e-fundresearch: Wie sieht es eigentlich mit China aus?
Koller: China hinkt momentan noch hinterher, investiert aber stark in die Industrie. Bis Chinas Biotechindustrie jedoch konkurrenzfähig ist, kann es noch Jahre dauern. Insgesamt kann man sagen, dass der Knowhow-Pool noch in den USA ist, aber in den kommenden Jahren in die Emerging Markets wandern wird.
e-fundresearch: Welche Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, um für Sie interessant zu sein?
Koller: Wir wollen von den Unternehmen in die wir investieren gute innovative klinische Projekte und Daten sehen. Gleichzeitig müssen die Produkte, für die es einen medizinischen Bedarf geben sollte, über Patente geschützt sein.
e-fundresearch: Sind das eher größere oder kleinere Unternehmen?
Koller: In der Regel liegt unser Fokus auf größeren Unternehmen, allerdings haben wir in den vergangenen Monaten verstärkt in mittelgroße Firmen investiert. Sie weisen eine höhere Hebelwirkung auf. Die größeren befinden sich zwar auf einen guten Weg, das Aktienpotenzial ist hier allerdings geringer. Insgesamt werden mittelgroße Unternehmen im Portfolio mehr und mehr ein höheres Gewicht aufweisen.
e-fundresearch: Was für ein Risiko stellen auslaufende Patente dar?
Koller: Die Patentdiskussion stellt für mich weniger ein Risiko dar wie die Regulierungsfrage. Angesichts des vorherrschenden Sicherheitsdenkens sind die Behörden sehr restriktiv in der Zulassung neuer Medikamente. Für die Unternehmen sind die Hürden also deutlich höher als früher – auch die Kosten sind gestiegen. Ich glaube allerdings, dass sich dies wieder normalisieren wird und andere Maßstäbe angewendet werden.
e-fundresearch: Ihr Ausblick für die Branche?
Koller: Die Industrie hat gezeigt, dass sie in einem schwierigen Umfeld gut – im zweistelligen Bereich – wachsen kann. Die Dynamik, die in den Emerging Markets liegt, wird viele Marktteilnehmer positiv überraschen. Europa wird als Absatzmarkt zunehmend zu einem kleineren Puzzlestein.
e-fundresearch: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Neben dem Bellevue Funds (Lux) – BB Biotech, der seit Jahresbeginn eine Performance von +9,50 Prozent erzielt hat, managt Koller auch die börsengelistete Beteiligungsgesellschaft BB Biotech, die eine Börsenkapitalisierung von 1,113 Milliarden Schweizer Franken aufweist.