Einerseits zeigt die ETF-Industrie gerade ähnliche Tendenzen wie die aktiv gemanagte Fondsbranche im Jahr 2000, also vor ihrer Krise: Das Personalkarussell dreht sich immer schneller. ETFs spielen in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle. Auch Medien, die sich nicht auf Finanzthemen spezialisiert haben, berichten plötzlich über börsennotierte Indexfonds. Zudem gilt lehrbuchmäßig, dass auf jede Wachstumsphase eine mehr oder minder stark ausgeprägte Konsolidierung folgt. Und die ETF-Branche hat in den vergangenen Jahren enorm zugelegt.
Als das "Handelsblatt" Mitte Januar das Aus ihrer monatlichen Publikation "Indexnews" verkündete, fragte auch ich mich ernsthaft: Kann es sein, dass die Branche ihren Höhepunkt überschritten hat? Doch schon wenige Tage später las ich im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank eine klare Empfehlung für passive, preisgünstige Indexprodukte - also für ETFs. Eine solche Klarheit in Bezug auf eine Produktkategorie hatte ich vorher bei der Bundesbank noch nie gesehen. Besonders überrascht hat mich, dass die Bundesbank aktiv verwaltete Fonds gleichzeitig eher schlecht bewertet hat. Kurze Zeit später konnte man lesen, dass die Aufsichtsbehörden in Hongkong es für wünschenswert erachteten, wenn Sparer in ihren Pensionsprodukten mehr passive Indexfonds einsetzten.
Die Tatsache, dass sich immer mehr Marktregulatoren und Aufsichtsbehörden klar für passive Produkte aussprechen, ist für mich ein klares Zeichen: Der ETF-Markt steht eher vor einem neuen Wachstumsschub als vor einer Konsolidierungsphase. Ich wundere mich aber darüber, dass sich diese Umwälzungen zugunsten der Branche in der breiten Öffentlichkeit kaum niederschlagen. Sind die entsprechenden Nachrichten nicht aufregend genug? Oder hat sich die Öffentlichkeit inzwischen daran gewöhnt, dass börsengehandelte Indexfonds von allen Seiten als das Instrument der Wahl angesehen werden?
Wie dem auch sei: Für mich steht eindeutig fest, dass die ETF-Industrie vor dem nächsten großen Schritt in ihrer Entwicklung steht. Denn neben Hedgefonds und großen institutionellen Investoren, die ihre Bestände oftmals schnell handeln wollen, kann sie nun langfristig orientierte Anleger für sich gewinnen - auch private.
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Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):
Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Leiter der Fondsanalyse Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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