An der Wiener Börse, die sich selbst als klassische Aktienbörse versteht, werden derzeit 22 ETFs gehandelt. Zum öffentlichen Vertrieb in Österreich sind um die 450 ETF-Produkte zugelassen. Wenn man bedenkt, dass Österreich mit mehr als 4.500 zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Investmentfonds hinter Deutschland mit knapp 6.000 (davon 800 börsegehandelte Fonds) im europäischen Vergleich bei der Anzahl an öffentlich zugänglichen Fonds an zweiter Stelle in Europa steht, ist im Gegensatz dazu der Markt für ETF-Produkte in Österreich noch nicht besonders ausgeprägt.
Die wichtigste europäischen Börse, an denen ETFs gehandelt werden, ist die Deutsche Börse mit einem durchschnittlichen Marktanteil von knapp über 40%, gefolgt von der italienischen, britischen sowie der Schweizer Börse mit einem durchschnittlichen Marktanteil von zwischen10% und 15%. Österreich liegt mit einem durchschnittlichen Marktanteil von weniger als einem Prozent weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.
Wenn man sich die Entwicklung der ETF-Industrie am Beispiel der Deutschen Börse ansieht, bemerkt man schnell, dass sich die Erfolgsgeschichte börsegehandelter Investmentfonds durch das gesamte letzte Jahrzehnt zieht. Im Jahr 2000, als die ersten beiden Exchange Traded Funds an der Deutschen Börse gelistet wurden, belief sich das verwaltete Vermögen noch auf EUR 400 Mio. Elf Jahre danach wird bereits ein Vermögen von EUR 181 Mrd. verwaltet, das entspricht einem jährlichen Wachstum von 90 Prozent.
Der ETF-Markt in den USA verzeichnete im Vergleich dazu im selben Zeitraum ein jährliches Wachstum von knapp 60 Prozent. Ein weiteres Indiz für den Siegeszug börsenotierter Investmentfonds in Europa belegt die Tatsache, dass die Anzahl der ETFs in Europa im Jahr 2010 erstmal die Anzahl der ETFs in den USA überstiegen hat. Beim verwalteten Vermögen haben jedoch die USA mit dem vierfachen Volumen an verwaltetem Vermögen weiterhin die Nase vorne.
Exchange Traded Funds vs. Exchange Traded Commodities
Die Erfolgsgeschichte der ETFs in Europa hat wie bei jedem anderen erfolgreichen Produkt auch Nachahmer auf den Plan gerufen, die vom großen Bekanntheitsgrad der ETFs profitieren wollen. Schnell entstand eine Untergruppe von ETF-Produkten, die sogenannten Exchange Traded Commodities (ETC). ETCs sind börsegehandelte Produkte, die vorwiegend in einzelne Rohstoffgruppen investieren und im Vergleich zu börsegehandelten Investmentfonds nicht als Sondervermögen strukturiert sind und deshalb auch keinen Emittentenschutz bieten. ETCs erfüllen in den meisten Fällen nicht den Grundsatz der Risikostreuung und werden daher in Österreich steuerlich oftmals nicht als Investmentfonds sondern als Zertifikate klassifiziert.
Steuerliche Behandlung
Investmentfonds vs. Zertifikat
Während ausschüttungsgleiche Erträge (so werden steuerpflichtige thesaurierte Erträge aus Investmentfonds genannt) der jährlichen Besteuerung unterliegen, wird bei Zertifikaten grundsätzlich die Wertsteigerung zwischen Anschaffungspreis und Verkaufspreis zum Verkaufszeitpunkt besteuert. Aufgrund dieser Besteuerung war es in den meisten Fällen günstiger, vergleichbare Investments im Zweifel in Form von Investmentfonds anstatt in Form von Zertifikaten zu halten. In Deutschland war die Situation übrigens über viele Jahre genau umgekehrt.
Das im Dezember 2010 veröffentlichte Budgetbegleitgesetz 2011 führt allerdings zu signifikanten Änderungen in der Besteuerung von Investmentfonds in Österreich, die unter anderem die oben genannten steuerlichen Vorteile eines Investmentfonds gegenüber dem Direktinvestment z.B. in Zertifikate ab dem Jahr 2011 größtenteils relativieren.
Besteuerung von Investmentfonds
Investmentfonds sind nach österreichischem Steuerrecht transparent. Das bedeutet, dass die Erträge des Investmentfonds nicht auf Ebene des Investmentfonds, sondern auf Ebene des Investors besteuert werden.
Das österreichische Steuerrecht betrachtet grundsätzlich alle vom Investmentfonds erwirtschafteten Zinsen, Dividenden und sonstigen Erträge nach Verrechnung der im Investmentfonds angefallenen Kosten („ordentliche Erträge“), sowie bestimmte Portionen der realisierten Substanzgewinne als steuerpflichtige Erträge, unabhängig davon, ob diese an den Investor ausgeschüttet oder im Investmentfonds thesauriert („ausschüttungsgleiche Erträge“) werden.
Je nach steuerlichem Status des Investmentfonds wird die vom steuerlichen Vertreter berechnete Steuerbasis (ausschüttungsgleiche Erträge) und die steuerpflichtigen Bestandteile der Ausschüttung mit 25% KESt (Anteilsscheine befinden sich auf einem österreichischen Depot) oder mit 25% Sondersteuersatz (Anteilsscheine befinden sich auf einem ausländischen Depot) besteuert.
Steuerliche Klassifizierung von ETFs in Österreich
Die Mehrheit der in Österreich angebotenen bzw. gelisteten ETF-Produkte kommt aus dem Ausland, v.a. Deutschland, Frankreich, Irland und Luxemburg. Derzeit wird lediglich ein österreichischer Exchange Traded Fund an der Wiener Börse gehandelt.
In der täglichen Praxis stoßen wir immer wieder auf Produkte, die sich gemäß ihrer Produktbezeichnung zwar als ETF darstellen, jedoch aufgrund ihrer Investmentpolitik steuerlich als ETC und somit als Zertifikat zu sehen sind.
Speziell bei Rohstoff-ETF-Produkten wie z.B Gold ETFs, die physisch in Gold investieren, ist steuerlich ein gewisser Grad an Vorsicht geboten. Die österreichischen Banken haben sich darauf geeinigt, grundsätzlich ETCs in ihren Systemen als Zertifikate zu hinterlegen, dementsprechend werden derartige Produkte auch im Zuge des KESt-Abzugs durch die österreichische Bank wie ein Direktinvestment in ein Zertifikat behandelt.
Aufgrund der oftmals nicht vorhandenen Risikostreuung bei Rohstoff-ETFs, wie z.B. Gold ETFs, ist es durchaus möglich, dass österreichische Banken solch ein Produkt trotz namentlicher Bezeichnung als Exchange Traded Fund in ihrem System als Zertifikat führen. Dies führte in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass die für den Anleger auf den ersten Blick ersichtliche Struktur als Investmentfonds steuerlich nicht so behandelt wurde, sondern dass von den österreichischen Banken meist für alle Investoren die – in der Praxis oftmals ungünstigere - Besteuerung als Zertifikat zur Anwendung gebracht wurde.
Das bedeutet: Nicht überall wo ETF draufsteht, muss auch ein Investmentfonds drin sein. Auf welche Kriterien sollte ein Investor also achten, um davon ausgehen zu können, dass seine Bank, das Produkt, das er kaufen möchte, steuerlich auch als Investmentfonds klassifiziert?
Die Definition eines ausländischen Investmentfonds gemäß österreichischer Rechtslage liest sich wie folgt:
„Ein einem ausländischen Recht unterstehendes Vermögen, das nach Gesetz, Satzung oder tatsächlicher Übung nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt ist“
Das bedeutet für den österreichischen Investor grundsätzlich, dass ausländische Produkte die oben genannten Kriterien (vorwiegend das Prinzip der Risikostreuung) erfüllen, für österreichische Steuerzwecke als ausländischer Investmentfonds zu sehen sind und demnach die ausschüttungsgleichen Erträge der jährlichen Besteuerung unterliegen.
In der Praxis empfiehlt es sich jedoch trotzdem, vor dem Kauf des Produkts Ihren Steuerberater zu kontaktieren und eine case by case Einschätzung des jeweiligen Produkts vornehmen zu lassen und sich im Zuge dessen mit der Bank des Vertrauens in Hinblick auf die Klassifizierung des Produkts abzustimmen.
Wenngleich aufgrund des Budgetbegleitgesetzes 2011 die steuerliche Behandlung von Zertifikaten und Investmentfonds größtenteils angeglichen wurde, gibt es dennoch Unterschiede in der Besteuerung dieser beiden Produktgruppen. Thesaurierte Erträge aus Investmentfonds unterliegen der jährlichen Besteuerung wohingegen Zertifikate am Ende der Halteperiode zum Verkaufszeitpunkt gemäß der Wertsteigerung besteuert werden.
Fraglich ist, ob die österreichischen Banken zukünftige die oben genannte Vorgehensweise ändern und sich im Zweifel für die Klassifizierung als Investmentfonds und somit für die wahrscheinlich eher ungünstiger Besteuerung für den Investor entscheiden. Eine jährliche Besteuerung käme der österreichischen Finanz entgegen und würde ein mögliches Haftungsrisiko auf Seiten der österreichischen Banken ebenfalls dementsprechend minimieren.
Fazit
Börsenotierte Produkte, seien es nun Exchange Traded Funds oder Exchange Traded Commodities, erfreuen sich europaweit sehr großer Beliebtheit. Sollte man den Wunsch haben, sein Geld in ein börsegehandeltes Produkt zu investieren, macht es sicherlich Sinn, sich vorab über den steuerlichen Status des jeweiligen Produkts zu informieren. Zur Zeit ist der österreichische Markt im europäischen Vergleich eher klein, jedoch kann man erkennen, dass die Fondsgesellschaften beim Vertrieb in Österreich zunehmend auf Exchange Traded Products setzen und der Markt für börsenotierte Produkte in den nächsten Jahren stetig wachsen wird.
Zum Autor
Stefan Perklin, Manager, ist seit 9 Jahren im Bereich Tax and Legal Services - Financial Services bei PwC tätig. Sein Spezialgebiet umfasst die steuerliche bzw. die aufsichtsrechtliche Beratung von ausländischen Investmentfondsgesellschaften, Dach- und Hedgefonds sowie ETFs. Weiters ist Stefan Perklin mit ausländischen Fondsbuchhaltungsprogrammen vertraut und Experte in der Implementierung, Analyse und Umsetzung des österreichischen Melderegimes für ausländische Fonds.
Stefan Perklin ist Vortragender auf Seminaren zu diversen steuerrechtlichen Themen und Mitglied der ETF-Working-Group des Central Cluster von PwC.
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.