Economics Forum: Entwicklung in Spanien

Die Entwicklung der spanischen Wirtschaft wird zum entscheidenden Faktor für die Stabilität des Euros. Wird Spanien mittelfristig der Gruppe der "Retter" angehören oder besteht das Risiko, dass Spanien im Rahmen einer europäischen Schuldenunion zu jenen Ländern zählen wird, die gerettet und alimentiert werden müssen? Wie beurteilen Sie die mittelfristigen Risiken von spanischen Staatsanleihen, die Lage im Bankensektor und die Schuldenquote im Privatsektor? Funds | 05.05.2011 04:30 Uhr
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Philipp Vorndran, Flossbach von Storch AG (20.04.2011): "Ähnlich wie in Irland hat auch die spanische Volkswirtschaft im Zuge der durch die Währungsunion einsetzenden Zinskonvergenz einen ungeheuren Immobilienboom erlebt. Das Volumen der ausgereichten Immobilienkredite hat sich  im Vergleich zur Wirtschaftsleistung von knapp 30 Prozent im Jahr 2000 auf gut 60 Prozent mehr als verdoppelt.

Dadurch nahm die Verschuldung des Privatsektors (Haushalte, Unternehmen, Finanzsektor) massiv zu, während die Staatsschuldenquote zeitweilig sogar rückläufig war (vgl. Grafik Z).

Grafik Z (Quelle: Spanische Notenbank, Flossbach von Storch, Daten per September 2010)

Das Platzen der Immobilienblase hat schließlich die Einseitigkeit des Wirtschaftswachstums offenbart. Ein weiteres Manko Spaniens ist das angeschlagene Bankensystem, dessen Risikoaktiva per Ende 2009 dem 3-fachen des BIP entsprachen.

Die Abhängigkeit der spanischen Banken von der Refinanzierung durch die EZB hat sich in den letzten Monaten deutlich reduziert.  Sie können sich, mit Ausnahme einiger Cajas, am Geldmarkt oder durch Spareinlagen genügend Liquidität beschaffen. Dennoch wäre es verfrüht, die Bankenproblematik bereits als endgültig gelöst anzusehen. Zum einen sind die spanischen Institute nicht unerheblich in  Portugal engagiert, wo sie insgesamt rund 70 Mrd. Euro ausgeliehen haben. Zum anderen ist die Wirtschaft trotz der positiven  globalen Konjunkturentwicklung immer noch nicht wieder auf die Beine gekommen, wie die extrem hohe Arbeitslosigkeit zeigt.

Eine nachhaltige Gesundung Spaniens, die sowohl den Staat als auch den  Privatsektor betrifft, ist Voraussetzung für eine stabile Gemeinschaftswährung und damit das Schicksal des Euros. Trotz aller Beteuerungen  der spanischen Finanzministerin Salgado, für Spanien sei die Inanspruchnahme des Rettungsschirms „total ausgeschlossen“, bleiben Zweifel. Wir wissen was solche Aussagen wert sind."

Dr. Ulrich Kater, DekaBank (20.04.2011): "In der Peripherie Eurolands hatte in den letzten Monaten ein Prozess der Ausdifferenzierung eingesetzt. Während Griechenland, Irland und Portugal von Ratingagenturen und Märkten sukzessive herabgestuft wurden, konnte sich Spanien weitgehend halten. Das hat seine Gründe:

Spaniens Vorteile liegen zu einen in einer komfortablen Ausgangssituation bezüglich des Schuldenstandes, zum anderen in einer festeren Exportbasis als dies etwa bei Griechenland der Fall ist. Die Schuldenstandsquote lag im dritten Quartal 2010 weiterhin unter der Maastricht-Schwelle von 60 %. Dagegen war die Defizitquote zu hoch. Spanien geht dieses Problem mit Konsolidierungs-Maßnahmen und wachstumsfördernden Reformen an. Die Strukturanpassungen in der Bauwirtschaft, die das Wachstum beeinträchtigten, sind schon weit gediehen, die Arbeitslosenquote scheint sich bei schwindelerregenden 20% zu stabilisieren. Spaniens Volkswirtschaft ist inzwischen wieder auf einen moderaten Wachstumskurs eingeschwenkt, was die Konsolidierungsbemühungen unterstützen wird. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Anpassungen zur Erlangung von mehr Wettbewerbsfähigkeit große Anstrengungen über einen großen Zeitraum erfordern. Ein Boomland wird Spanien so schnell nicht wieder. Spaniens „goldene Dekade“ muss im Nachherein noch erarbeitet werden. Störfeuer könnte perspektivisch von steigenden Zinsen kommen, denn die spanischen Haushalte sind überwiegend variabel verzinst. Aber hier hat die EZB bereits durchscheinen lassen, dass es ihr nicht um ein Abwürgen der europäischen Konjunkturerholung geht, sondern um eine Normalisierung der extrem niedrigen Leitzinsen. Das ist auch für den Bankensektor wichtig, der eine steile Zinskurve zur Erwirtschaftung von Erträgen benötigt. Das Problem einer Kapitalisierung der Banken ist der Regierung bekannt und wird mit der notwendigen Ernsthaftigkeit angegangen."

Experten der Raiffeisen Research* (02.05.2011): "Im Gegensatz zu Griechenland, Irland und Portugal, deren Finanzierungsbedarf für die nächsten Jahre aufgrund der Größe dieser Volkswirtschaften vergleichsweise gering ist, würde eine Inanspruchnahme von Finanzhilfen durch Spanien die EU-Hilfsmechanismen vor eine große Herausforderung stellen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios schätzen wir derzeit aber als gering ein.

Ein Vorteil Spaniens gegenüber Ländern wie Griechenland und Portugal ist die Tatsache, dass die spanische Regierung die hohen BIP-Wachstumsraten in den Jahren vor der Finanz-Krise genutzt hat, um Budgetüberschüsse zu erwirtschaften und die Staatsverschuldung  zu reduzieren. Dementsprechend war die fiskalische Ausgangslage Spaniens zu Beginn der Wirtschaftskrise vergleichsweise gut: Der Schuldenstand des Staates lag 2007 bei nur 36,1 % des BIP. Trotz der seit 2008 tiefroten Budgetsaldi lag die spanische Staatsverschuldung auch im vergangenen Jahr mit 60,1 % des BIP noch immer deutlich unter dem Euro-Durchschnitt (85,1 %). Aufgrund der vergleichsweise moderaten Staatsverschuldung liegt die Zinsbelastung für den spanischen Staat deutlich unter den anderen Peripherie-Ländern und auch unter dem Durchschnitt der anderen Euro-Länder. Darüberhinaus wird mehr als die Hälfte (55,7 %) der spanischen Staatsverschuldung im Inland gehalten. Während Griechenland, Irland und Portugal auch aufgrund der fehlenden Inlandsunterstützung für den lokalen Anleihenmarkt auf EU-Finanzhilfen zurückgreifen mussten, ist diese in Spanien nach wie vor intakt. Die Verschuldung des privaten Sektors ist mit ca. 230 % des BIP vergleichsweise hoch (EUR-Schnitt: ~ 170 %), liegt aber unter dem Niveau Irlands (~415 %) und Portugals (~265 %). Während das sich stark aufblähende Kreditvolumen in den Jahren des Immobilienbooms als Warnsignal hätte gesehen werden müssen, hat sich das Verschuldungsniveau des privaten Sektors seit Beginn der Finanzkrise stabilisiert. Der bereits laufende Schuldenabbau im privaten Sektor dürfte sich angesichts des derzeit auch im Banken- und öffentlichen Sektor vorangetriebenen Deleveraging-Prozesses fortsetzen. 

Trotz der im Vergleich zu den anderen unter Druck geratenen Peripherie-Staaten besseren Fiskalsituation sorgt in Spanien die geplatzte Immobilienblase und die daraus resultierende schwer abschätzbare Kapitallücke der regionalen Banken für Unsicherheit. Im Jahresverlauf birgt der Nachrichtenfluss bezüglich der Rekapitalisierungs-Anstrengungen des spanischen Bankensektors noch Potenzial für einen volatilen Renditeverlauf bei spanischen Staatsanleihen. Unserer Ansicht nach dürfte der für die Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors notwendige Finanzierungsbedarf des spanischen Staates aber ohne Rückgriff auf EU-Finanzhilfen bewältigbar sein.

Langfristig sind wir optimistisch, dass die spanische Regierung ihren Staatshaushalt auf einen nachhaltigen Pfad bringen wird. Als Erfolg ist hierbei bereits die gelungene Umsetzung der Budgetziele für das vergangene Jahr zu werten. Die Umorientierung der Realwirtschaft zu nachhaltigerem Wachstum (Schrumpfen des Bausektors) halten wir mittelfristig für machbar. Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Wirtschaft stimmen die jüngsten Erfolge der Regierung im Hinblick auf Arbeitsmarktflexibilisierung und Reformierung des Pensionssystems optimistisch."

* Raiffeisen Research ist eine 49-prozentige Tochter von Raiffeisen Capital Management; 51 Prozent sind im Eigentum der RBI.

Stuart Thomson, Chief Economist Ignis Asset Management (02.05.2011): "The answer to this question is that for the time being Spain does not need rescued because it is not insolvent, but the global economy needs to remain strong and Spanish growth positive to avoid a renewed widening of spreads over the medium term and a greater threat of debt restructuring. Spain has a combination of, government, financial and private sector debt. Spain’s sovereign debt is larger than Greece, Ireland and Portugal combined and its total financing needs over the next three years are likely to be more than €450bn, which in addition to the €300bn that will be required for Greece, Ireland and Portugal would exhaust the €750bn funds pledged by the IMF and European Union.

Consequently, Spain is too big to fail and helped by the recycling of global foreign exchange reserves and better than expected activity during 2010 (when the economy exited from recession in the first quarter and growth remained marginally positive in the remaining quarters of the year), its problems have merely contributing to the wall of worry that has helped drive the €uro higher and Spanish inter-government spreads tighter since the start of the year. We do not believe that Spain can grow its way out of its current debt problems, higher inflation is not an option and therefore we believe that the next global downturn will force the electorate to choose between continued fiscal austerity and negligible growth or seeking relief through debt restructuring.

Spain will be vulnerable to the siren calls of debt restructuring over the medium term because its total debts are excessive. Government debt to GDP is relatively modest at 70%, and although this burden has been understated by the debt held by the semi-autonomous regional governments, generous use of private finance initiatives (which pushes this additional debt off balance sheet), and by modestly over-stating GDP in the past three years, the hidden public sector debt burden is unlikely to exceed 20% of GDP and consequently puts the overall public sector burden at 85-90%, which is in line with other leading industrialised economies.

More substantial problems rest with the private sector debt burden, which we estimate to be around 150% of GDP. The majority of this debt is held in the construction, industrial and personal sector rather than the financial sector. Property prices, which tripled during the bubble, have fallen by only 13% according to official figures (which are based on distorted surveyors’ appraisals rather than transaction prices) despite the fact that one third of the housing stock was completed during the boom and according to Government estimates, but the preponderance of substantial transaction price declines clearly shows that the property losses are significantly greater than implied on bank balance sheets, particularly the dysfunctional Cajas. To date the Spanish government has provided reassurance that the Bank of Spain’s requirement for pro-cyclical provisioning and requirement that loan to values should not exceed 60%. Indeed, it continues to insist that the cost of re-capitalising the Cajas can be minimised to €15bn. This is clearly inadequate versus market and rating agencies’ estimates of €100-120bn, which assume an additional 20% loss rate for the real estate and construction and an additional 7% loss of residential mortgages.

The latter estimates would imply additional banking costs equivalent to 10-12% of GDP, which are similar to losses experienced in equivalent financial crises in Scandinavia during nineties and less than the cost of Spain’s previous financial crisis in the late seventies, which cost 17% of GDP. However, Spain’s recovery from this latter crisis was accompanied by substantial currency devaluation and strengthening global growth. This highlights the real dichotomy for Spain. The stronger than expected economic performance during 2010, which in turn helped the government to meet its 9.2% deficit target, was aided by a sharp decline in the personal savings ratio back to pre-crisis levels. We do not expect this performance to be repeated in 2011. The Government expects the economy to grow by 1.3% in real terms during 2011 and further by 2.4% and 2.6% in the following two years. We believe that the economy will struggle to achieve positive growth as savings ratios are likely to rise in response to tighter ECB monetary policy. If the rest of Europe cannot help Spain through stronger growth, it is likely to be forced to help through greater funding and increased integration."

Dr. Thomas Steinemann, Chefökonom Bank Vontobel AG (03.05.2011): "Für dieses Jahr erwarten wir für Spanien wieder ein bescheidenes Wirtschaftswachstum von 0.8%. Wir gehen davon aus, dass es Spanien gelingen wird, das Budgetdefizit ohne Hilfe der Europäischen Rettungsfonds zu reduzieren. Im Jahr 2008 war die Staatsverschuldung in Spanien mit 36% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sehr niedrig. Selbst nach der Immobilien- und Finanzkrise erreichte die Staatsverschuldung mit 60% des BIP immer noch einen vergleichweise tiefen Wert. Deutschland steht mit einer Schuldenquote von 83% deutlich schlechter da. Wir rechnen deshalb damit, dass der Renditeaufschlag zwischen spanischen und deutschen Staatsanleihen beim derzeitigen Niveau von gegen 2 Prozentpunkten verbleiben wird. Bezüglich der Stabilität des Bankensektor steht Spanien wesentlich besser da, als Griechenland, Irland oder Portugal. Während die griechischen Banken 18% ihrer Bankbilanzen durch Kredite bei der Notenbank finanzieren müssen, sind es in Spanien nur 1.8%. Die Schuldenstand des privaten Sektors in Spanien ist etwa doppelt so hoch wie das jährliche BIP, in der Euro-Zone insgesamt beträgt diese Quote 160%. Der private Sektor macht jedoch Fortschritte beim Schuldenabbau. Immerhin beträgt die Sparquote des private Sektors 25% des BIP."

Gerhard Winzer, Chefvolkswirt ERSTE-SPARINVEST (03.05.2011): "Das Problem in Spanien ist nicht die Höhe der Staatsverschuldung, sondern das der Neuverschuldung des Staats sowie die Verschuldung der Unternehmen und der Bankensektor. Damit ist klar, dass ein sehr schmerzhafter Einsparungsprozess nötig ist. Das unmittelbar größte Risiko für Spanien stellt die Gefahr einer Ansteckung im Fall einer Restrukturierung der griechischen Staatsschulden dar. Hinzu kommt ein möglicherweise größer als erwarteter Kapitalbedarf von spanischen Banken mit unzureichenden Refinanzierungsmöglichkeiten am Markt. In diesen beiden Fällen könnte auch Spanien die EU/IMF-Fazilitäten in Anspruch nehmen müssen. Allerdings müssten dann die Fazilitäten ausgeweitet werden, sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Art (direkte Kreditvergabe an Banken). Solange der politische Wille für das Überleben der EU und des Euro bestehen bleibt, würde im schlimmsten Fall wahrscheinlich die EZB die spanischen Staatsanleihen kaufen und Kredite an quasi insolvente Banken vergeben."

 

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