Der Unterschied zwischen den ETFs und anderen Produkten liegt allerdings darin, dass die Kreativität der Anbieter im Bereich der ETFs von vielen Kommentatoren negativ gesehen wird, während die Innovationen in anderen Bereichen nicht oder nur selten kommentiert werden.
Dabei lautet die Antwort vieler ETF Anbieter auf die Frage, wer sich die neuen Produkte ausgedacht hat: Unsere Kunden. Schaut man sich viele der neuen Produkte an, stellt man tatsächlich fest, dass diese im professionellen Portfoliomanagement einen echten Mehrwert liefern können. Auch die teilweise hohen Lizenzgebühren, die von den ETF-Anbietern an die Index-Produzenten zu entrichten sind, sprechen dafür, dass die Emittenten zunächst prüfen dürften, ob eine entsprechende Nachfrage besteht. Die im Vergleich hohen laufenden Kosten eines offenen Investmentfonds sorgen bereits dafür, dass in dieser Produktkategorie nicht aus jeder Idee auch ein Produkt wird.
Ein weiterer beschränkender Faktor bei der Vielfalt der neuen Produktstrategien ist die von den UCITS-Richtlinien vorgeschriebene Diversifikation. Diese war insbesondere im Bereich der klassischen Branchenindizes nicht immer gegeben. Hier haben die Index-Anbieter reagiert und in vielen Fällen die Diversifikation der entsprechenden Indizes erhöht, beziehungsweise die maximalen Gewichtungen einzelner Indexkomponenten richtlinienkonform angepasst. Hinzu kommt, dass die Anbieter eine entsprechende Liquidität bei den Wertpapieren der Indizes benötigen, um ihre offenen Positionen absichern zu können.
Ein Bereich, der auch mir zuweilen Kopfschmerzen bereitet, sind sowohl die gehebelten als auch die inversen und Short-Produkte. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Produktkategorien scheinen zwar grundsätzlich klar zu sein, die Tücken liegen aber im Detail. Weniger Sorgen machen mir aber die oft zitierten, komplexen Währungs- oder Volatilitätsstrategien, da diese Produkte schon aufgrund ihrer teilweise sehr exotischen Produktnamen von den meisten nicht-professionellen Anlegern gemieden werden.
Auch wenn es viele Marktbeobachter anders sehen, bietet die Mehrheit der neuaufgelegten börsengehandelten Indexfonds meiner Meinung nach zumindest für institutionelle Anleger viele Vorteile. Für diese Investoren, die den Großteil der ETF-Nutzer in Europa darstellen, eröffnen sich oftmals die Möglichkeit, ihre Anlagestrategien präzise und zeitnah umzusetzen. Die Tendenz zu teilweise hochkomplexen Produkten lässt aber die Frage zu, ob auch Privatanleger in solche Produkte investieren sollten. Immerhin können einige dieser Produkte mehr schaden als nutzen, wenn sie falsch eingesetzt werden. Aus dieser Perspektive erscheint eine Aufteilung in Handelssegmente für institutionelle und private Anleger eine sinnvolle Variante der Marktgestaltung zu sein. Der Gesetzgeber würde dann aber sowohl erfahrenen als auch unerfahrenen Privatinvestoren den Zugang zu diesen Produkten versperren. Mit einer solchen Regulierung würde man aber deutlich über das Ziel hinaus schießen, auch wenn der Anlegerschutz grundsätzlich über den Interessen einzelner Kundengruppen und denen der Anbieter stehen sollte.
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Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):
Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Leiter der Fondsanalyse Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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