Als der Finanzstabilitätsrat (FSB), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der Internationale Währungsfonds (IWF) im April in Gutachten auf mögliche Risiken von ETFs für das Finanzsystem hinwiesen, hat die ETF-Branche als Ganzes nicht darauf reagiert.
Zwar hat der eine oder andere Anbieter nach der Kritik schnell Stellung bezogen – aber nur in Bezug auf das eigene Unternehmen. Und der europäische Fonds-Dachverband Efama brauchte rund sechs Wochen, bis er seine Sicht der Dinge zugunsten von ETFs klarstellte. Dieses Verhalten dürfte der der Branche eher schaden als nützen. Denn wenn jeder nur für sich spricht und dabei womöglich noch Vorteile gegenüber Wettbewerbern hervorhebt, verunsichert die Anleger wahrscheinlich noch mehr als die ursprüngliche Kritik.
Besser wäre es, wenn die Branche mit einer Stimme spräche. Wie das geht, machen die Anbieter aktiv gemanagter Fonds im deutschen Bundesverband Investement und Asset Management (BVI) vor. Als zum Beispiel Offene Immobilienfonds 2008 in die Krise gerieten, ließ der BVI keine Gelegenheit aus, um die damals auftretenden Probleme zu relativieren und die Vorteile Offener Immobilienfonds zu preisen.
Im BVI sind zwar auch einige ETF-Gesellschaften vertreten – allerdings eher pro forma. Denn zwischen der Branche aktiv gemagter Fonds und ETFs herrschen zum Teil offene Grabenkämpfe. Daher wären die ETF-Anbieter meiner Meinung nach gut beraten, einen eigenen Verband zu gründen, um ihre Interessen zu vertreten.
Warum gibt es so einen Verband nicht schon längst? Schließlich ist die Idee nicht neu, die Branche diskutiert darüber schon seit einigen Jahren immer mal wieder. Ein Grund dafür, dass es bislang bei den Gesprächen geblieben ist, dürfte sein, dass die Branche jahrelang in zwei Lager gespalten war: Einige Gesellschaften boten nur ETFs an, welche die Wertpapiere aus ihren Basisindizes in den Portfolios hielten. Andere hatten nur Produkte auf dem Markt, welche die Wertentwicklungen der Indizes über Derivategeschäfte nachbildeten. Beide Lager wurden nicht müde, ihre Vorteile gegenüber Schwachstellen der anderen Seite zu betonen. Inzwischen bieten fast alle Häuser ETFs mit beiden Konstruktionsarten an, so dass dieses Hindernis bald aus der Welt sein dürfte.
Die Chancen dafür, dass es bald einen ETF-Verband geben könnte, steigen also. Einige Branchenvertreter haben sich zuletzt wiederholt dafür ausgesprochen, beispielsweise Thorsten Michalik von der Deutschen Bank auf der Inside ETFs Europe in Amsterdam Anfang Mai. Anlass dafür dürfte die jüngste Kritik von FSB, BIZ und IWF gewesen sein. Da die ETF-Branche sehr international ausgerichtet ist, sollte ein enstprechender Verband nicht auf einzelne Länder beschränkt sein. Angemessener wäre zumindest eine europäische Organisation, wenn nicht gar eine weltweite.
Meiner Ansicht nach ist ein ETF-Verband längst fällig! Dieser könnte die Interessen der Branche gegenüber Investoren, Regulatoren, Wettbewerbern und Medien vertreten und so die sachliche Kommunikation verbessern. Zudem hätten Analysten und Journalisten eine Anlaufstelle, um einheitliche Auskünfte zu rechtlichen oder anderen Fragestellungen zu erhalten. Dies würde für mehr Transparenz und Klarheit sorgen. Am Ende würden also nicht nur die ETF-Anbieter von einem gemeinsamen Branchenverband profitieren.
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Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):
Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Leiter der Fondsanalyse Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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