Darüber hinaus wären die Fonds jederzeit in beliebiger Höhe zu fairen und günstigen Preisen handelbar.
Doch selbst in so einer perfekten Welt gäbe es immer wieder Dinge, die den einen oder anderen zu Kritik veranlassten. Beispielsweise könnten ETFs dann plötzlich als Auslöser beziehungsweise Verstärker eines Finanzcrashes an den Pranger gestellt werden, sollten die bei einer Abwärtsbewegung ausgelösten Stop-Loss-Orders den negativen Markttrend verstärkt haben. Oder es heißt mit einem Mal, dass ETFs zu viel Liquidität in ein enges Marktsegment pumpen und dadurch Verwerfungen herbeiführen.
In der realen Welt scheinen börsennotierte Indexfonds eine Art Sündenbock zu sind. Denn seit der im Frühjahr geäußerten Kritik von Finanzstabilitätsrat, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Internationalem Währungsfonds und der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA melden sich immer wieder neue Kritiker zu Wort. Vor einigen Tagen stimmte beispielsweise die australische Finanzaufsicht in den Kanon ein. Fehlt nur noch, dass ETFs die Schuld an der derzeitigen Schuldenkrise gegeben wird - zum Beispiel, weil sie Staatsanleihen zur Besicherung von Leih- und Derivategeschäften eingesetzt haben.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Die bisher an den ETFs geäußerte Kritik ist in Teilen durchaus berechtigt. Aber mir stellt sich nach wie vor die Frage, warum die Kritik nur auf den relativ kleinen Bereich der ETFs begrenzt ist. Schließlich setzen so gut wie alle anderen Fonds auch derivative Instrumente in der einen oder anderen Form ein. Was in der letzten Zeit in den Hintergrund geraten ist, ist die Tatsache, dass durch ETFs Liquidität in die Märkte fließt. Diese Liquidität sorgt nicht nur für höhere Umsätze, sondern trägt auch zu der oft zitierten Effizienz der Märkte bei.
ETFs auf Swap-Derivatebasis abzuschaffen, wie es manche Kritiker wohl am liebsten sähen, wäre in meinen Augen schlecht. Beispielsweise bilden diese Fonds die Wertentwicklungen ihrer Indizes in der Regel genauer ab als ETFs ohne Derivate. Für Letztere ist das ein Anreiz dazu, ihre Managementqualitäten zu steigern. Dadurch tragen Swap-ETFs dazu bei, dass sich ETFs insgesamt verbessert.
Die perfekte Welt der börsennotierten Indexfonds, die ich oben kurz beschrieben habe, ist natürlich Utopie. Denn beispielsweise können ETFs aus rechtlichen Gründen nicht alle Finanzmarktindizes nachbilden, indem sie deren einzelne Komponenten in den Portfolios halten. Und Wertabweichungen von den Indizes kommen schon allein dadurch zustande, dass innerhalb der Fonds Kosten entstehen, die zulasten der Performance gehen.
Aber was kann die Branche tun, um sich der perfekten Welt wenigstens anzunähern? Sie könnte ihre ohnehin schon gute Transparenz weiter steigern. Zwar ist ein Großteil der an ETFs geäußerten Kritik dadurch entstanden, dass die Produktanbieter den Aufbau ihrer Produkte sehr transparent und für jeden einsehbar dargestellt haben. Dennoch könnte eine höhere Transparenz - insbesondere hinsichtlich der Derivate- und Wertpapierleihegeschäfte in den ETF-Portfolios - dazu beitragen, dass die Branche einen Teil des verlorenengegangenen Vertrauens zurückgewinnt.
Zudem sollten die ETF-Anbieter in den Portfolios ihrer Fonds auf Wertpapiere oder sonstige Instrumente verzichten, die zu einer berechtigten Kritik führen könnten. Damit meine ich nicht, dass ein Dax-ETF keine japanischen Aktien halten sollte. Mir geht es darum, dass in den Portfolios keine illiquiden Werte geparkt werden oder man sich an undurchsichtigen Cash-Pools beteiligt. Denn diese könnten bei den Anlegern fragen aufwerfen oder bei einem möglichen Ausfall das Vertrauen der Investoren in die gesamte Branche belasten.
Insgesamt betrachtet nehmen ETFs meiner Ansicht nach eine wichtige Rolle an den Kapitalmärkten ein. Diese Position können die Produktanbieter durch verschiedene Maßnahmen noch deutlich verbessern. Dazu muss die Branche aber an einem Strang ziehen und sich anbieterübergreifend auf entsprechende Verbesserungen verständigen.
Die perfekte ETF-Welt, wie ich sie eingangs beschrieben habe, wird niemals Wirklichkeit werden. Und das ist auch nicht schlimm. Denn so, wie sich manche Kritiker die Branche offenbar wünschen, wäre sie um einiges ärmer - und die Investoren in ihren Möglichkeiten deutlich eingeschränkt.
Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Thomson Reuters.
Über den Autor Detlef Glow, MBA (UoW):
Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters - Lipper. Seit Anfang 2007 war er dort Leiter der Fondsanalyse für Zentral-, Nord- und Osteuropa. Seit Herbst 2010 ist Herr Glow Head of Lipper EMEA Research und damit Leiter der Fondsanalyse Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanger für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse sowohl für das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.
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