Die Emanzipation des Euro

Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater der Vermögensanlagebank direktanlage.at, über die Emanzipation des Euro. Erfahren Sie mehr im folgenden Marktkommentar "Als ob wir nicht schon genug Sorgen mit dem Euro hätten": Funds | 21.09.2011 16:54 Uhr
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  • Markenzeichen der Europäischen Zentralbank war bisher die Orientierung an der Bundesbank. Damit geht es jetzt zu Ende.
  • Eine Europäisierung der EZB ist an sich nicht schlecht, vorausgesetzt die Preisstabilität gerät nicht in Gefahr. Dafür gibt es bisher kein Indiz, auszuschließen ist es aber nicht.
  • Als Folge des neuen Kurses ist zu vermuten, dass die EZB die Zinsen als Reaktion auf die schwächere Konjunktur schneller senkt.

 

Als ob wir nicht schon genug Sorgen mit dem Euro hätten.

In meinem neuen Buch („Rettet den Euro“, Murmann Verlag 2011) habe ich den politischen Webfehler der Währungsunion aufs Korn genommen. Jetzt wird immer mehr deutlich, dass das Arbeitsmodell der Europäischen Zentralbank Risse bekommt. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Märkte.

Die Europäische Zentralbank war von Anfang an als Klon der Deutschen Bundesbank konzipiert. Sie war strikt auf Preisstabilität verpflichtet. Sie sollte unabhängig von Staaten und Regierungen sein. Sie orientierte ihre Politik nicht nur an der Entwicklung der Inflationsrate, sondern auch an der der Geldmenge. Um all das optisch zu untermauern, wurde Frankfurt als Sitz der Notenbank bestimmt. Das machte den Deutschen den Abschied von der DMark leichter.

Das Modell war erfolgreich. Die Ergebnisse waren sogar noch besser als die der Bundesbank (siehe Graphik). Bis zur Einführung des Euro betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate in Deutschland 2,7% p.a., danach nur noch 1,5% p.a.

An sich war zu erwarten, dass sich die EZB irgendwann einmal von der Bundesbank emanzipiert. Eine europäische Zentralbank kann auf Dauer nicht eine von Deutschland geprägte Institution sein. Schließlich wollten sich einige Euro-Mitglieder durch die Gründung derDie verstärkte Emanzipation der EZB von der Bundesbank ist an einer Reihe von Punkten festzumachen. Das Spektakulärste war der Rücktritt der zwei deutschen Mitglieder des Governing Council innerhalb von gut einem halben Jahr (zuerst Weber, dann Stark). Kein Mitglied eines anderen Staates ist je so aus der EZB ausgeschieden. Aus keinem anderen europäischen Gremium haben sich die Deutschen so verabschiedet. Da stimmt etwas nicht. Entweder kommen die Deutschen im EZB-Führungsgremium nicht mit ihren Kollegen aus den anderen Ländern aus. Oder die anderen können oder wollen nicht mit den Deutschen zusammenarbeiten. Die neuen Mitglieder im Governing Council, Jens Weidmann und vermutlich Jörg Asmussen werden sich in Zukunft nicht mehr allein auf die Tradition der Bundesbank und/oder auf die Stärke der deutschen Volkswirtschaft verlassen können. Sie werden netzwerken müssen, Verbündete für ihren Kurs suchen und auch Kompromisse schließen. Sie haben keine Sonderstellung mehr. Währungsunion aus der einseitigen Abhängigkeit von der D-Mark zu lösen. Aus dem „D-Mark Block“ sollte eine europäische Währungsunion werden. Dass die Änderung jetzt aber so schnell kommt, damit hatten wenige gerechnet.

Ein anderer Punkt ist die Verschiebung der Macht innerhalb der EZB. Zu Beginn der Währungsunion war der traditionell stabilitätsorientiertere Norden des Euroraums mit vier Mitgliedern im Direktorium vertreten. Sie stellten den Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Chefvolkswirt. Jetzt hat der Norden im Direktorium nur noch drei Stimmen. Der Präsident kommt aus Italien, der Vizepräsident aus Portugal. Der erste Präsident der EZB, der Niederländer Wim Duisenberg sah sich klar in der Tradition der Bundesbank. Der neue Präsident Draghi würde eine solche Charakteristik seiner Person sicher ablehnen.

Man sollte solche nationalen Erwägungen nicht überbetonen. Es ist aber nicht zu leugnen, dass sie die Verhaltensweisen prägen. Die sehr kooperative Art, wie der jetzige EZBPräsident Trichet mit den Staats- und Regierungschefs zusammenarbeitet, ist sicher eine andere als die, die ein Präsident der Bundesbank pflegen würde.

Schließlich gibt es den Streit um die Käufe von Staatsanleihen von Schuldnerländern in Europa. Im Grunde geht es hier um eine Abwägung zwischen geldpolitischen Prinzipien und den Notwendigkeiten des Krisenmanagements. Die geldpolitischen Prinzipien verbieten den Kauf von Staatspapieren ohne Wenn und Aber. Notenbanken dürfen keine Staatsfinanzierung betreiben. Andererseits erleichtern die Käufe von Staatsanleihen das europäische Krisenmanagement. Sie haben die Situation zumindest vorübergehend entspannt. Viele Notenbanken der westlichen Welt haben keine Schwierigkeiten mit Wertpapierkäufen am offenen Markt. US-Finanzminister Geithner hat dies am letzten Wochenende den Europäern erneut ans Herz gelegt.

Jeder einzelne dieser Punkte ist für sich genommen diskutabel. Zusammen geben sie jedoch das Bild einer Notenbank, die sich von ihrer „Mutter“ emanzipiert. Sie wird europäisch. Sie wird ein bisschen so wie andere Notenbanken in der Welt. Sie ist nicht mehr einzigartiger Star. Sie wird Durchschnitt. Das ist an sich kein Schaden. Niemand konnte davon ausgehen, dass Europa in Sachen Geldpolitik auf Dauer nach der Pfeife der Deutschen tanzt. Entscheidend ist, dass die Geldwertstabilität dadurch nicht gefährdet wird. Das ist bisher nicht erkennbar. Die Erfahrung zeigt freilich, dass die Erreichung stabiler Preise bei größerem Pragmatismus und weniger festen geldpolitischen Prinzipien schwieriger ist.

Für den Anleger: Die EZB wird in Zukunft weniger Falke und mehr Taube sein. Es würde mich wundern, wenn sie die Zinsen als Folge der schlechteren Konjunktur nicht schneller zurücknimmt, als sie das in früheren Jahren getan hätte. Das wird sich auch auf den Außenwert des Euro auswirken. Die Gemeinschaftswährung wird sich in langfristig nicht mehr so stark gegenüber dem Dollar aufwerten.

Dr. Martin HüfnerVolkswirtschaftlicher Beraterdirektanlage.at

 


 

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