Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, niedrige Exportzahlen, sowie knappe Kredite werden die globalen Kapitalmärkte im kommenden Jahr 2012 kennzeichnen, so die Experten unisono.
Europa
„Europa steht bei der Bewältigung der Schuldenkrise erst am Anfang, eine schnelle Lösung gibt es nicht“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Die Politik der kleinen Schritte werde daher weitergehen. Kater geht davon aus, dass sich die prekäre Situation bei der Finanzierung europäischer Staatsanleihen 2012 zwar stabilisiert, einen durchgreifenden Vertrauensaufbau für die Währungsunion erwartet er allerdings noch nicht. „Die Lösung der Schuldenkrise liegt nicht in immer neuen Kreditprogrammen, sondern in den betroffenen Ländern selbst.“ Das werde den Mitgliedsländern der Währungsunion mehr und mehr bewusst und sei das richtige Signal an die Kapitalmärkte. Auch Michael Clark, Fondsmanager des Fidelity European Dividend Fund, rechnet für 2012 in Europa mit einem schwachen Wirtschaftswachstum. Neben den Sparmaßnahmen werden die Wahltermine (Präsidentenwahlen in Frankreich im Frühjahr 2012, allgemeine Wahlen in Deutschland und Italien im Jahr 2013) im kommenden Jahr die Positionen des einen oder anderen beeinflussen, kommentieren die Experten der Banque Syz & Co. Unter den Mitgliedsländern hat lediglich Deutschland ein höheres Produktionsniveau als im vorangehenden Zyklus erreicht. Italien und Spanien haben sich kaum von dem Einbruch von 2008 erholt und ihr BIP wuchs im vergangenen Quartal nicht. Dieser Ausfall des Wirtschaftswachstums verschärft die Problematik der Staatsverschuldung. „Die Probleme in der Eurozone und das chronisch schwache Wachstum in den Industrieländern werden die Anlagerenditen auch 2012 entscheidend beeinflussen. Die Rahmenbedingungen für Geldanlagen dürften somit weiterhin äußerst schwierig sein und sich zumindest vorerst nicht verändern“, bringt es Alan Brown, Schroders Group Chief Investment Officer, auf den Punkt.
Deutschland
Die Schuldenkrise und gesunkene Exportperspektiven sorgen auch in Deutschland für zurückhaltende Investitionspläne bei den Unternehmen. „Für den Konsum stehen die Chancen jedoch weiterhin nicht schlecht und auch die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten zwei Jahren weitgehend stabil bleiben“, prognostiziert Dr. Ulrich Kater, Dekabank. Deutschland habe viele Jahre harter Reformarbeit hinter sich, die sich nun auszahlten. „Seit 2005 ist die deutsche Volkswirtschaft nicht nur in erhöhtem Tempo gewachsen, sondern auch schneller als der Rest der Eurozone“. Zudem profitiere Deutschland von niedrigen Zinsen. Der Blick in die Details zeige, dass Deutschland auch im neuen Krisenjahr 2012 in der Euro-Wachstumsliga mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von 0,1 Prozent ganz oben mitspielen werde. 2013 sollte der Anstieg mit 1,6 Prozent noch stärker ausfallen.
USA
"Das Marktumfeld wird so lange volatil bleiben, bis die strukturellen Probleme der europäischen Währungsunion und die geopolitischen Herausforderungen gelöst sind. In Europa ist die politische Situation angesichts der Meinungsdifferenzen einzelner Länder zur Lösung der Probleme viel komplizierter als in den USA. Aufgrund dieser Unsicherheit stellt die Region aktuell das größte Risiko dar und wird die Märkte weltweit beeinflussen. In den USA wird der politische Druck auf Demokraten und Republikaner gleichermaßen dazu führen, dass wir in den nächsten Monaten eine umfassende Steuer- und Haushaltsreform erleben werden. Das ist in den aktuellen Bewertungen noch nicht berücksichtigt. In diesem unsicheren Umfeld erscheinen die USA als vergleichsweise defensives Investment. Die Neubauquoten, Autoverkäufe und Investitionsausgaben lagen bislang weit unter den Erwartungen und könnten sich 2012 als wichtiger Treiber für die Konjunktur entpuppen. Nach der jüngsten Verschiebung zugunsten defensiver Sektoren werden Bereiche wie Industrie und Technologie zunehmend attraktiv", meint Aris Vatis, Fondsmanager des Fidelity American Growth Fund. Der UniCredit Analyst Jochen Hitzfeld sieht einen positiven Aspekt bei den US-Märkten: Die Amerikaner haben kein Währungsproblem im Gegensatz zur Eurozone. Während etwa der deutsche Leitindex DAX® im laufenden Jahr 11,2 Prozent an Wert einbüßte, verzeichnete der US-Index S&P 500®, der die 500 größten Unternehmen der USA enthält, ein Plus von 0,5 Prozent (Stand: 5. Dezember 2011). Und die jüngsten Quartalszahlen der US-Unternehmen deuten auf Aufwärtspotenzial hin: Mehr als 60 Prozent der S&P-500®-Unternehmen konnten die Konsenserwartungen der Analysten übertreffen. Zugleich ist die Bewertung der Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13 im historischen Vergleich relativ niedrig.
China & Emerging Markets
China und der Emerging Markets-Sektor müssen sich auf einen deutlichen Rückgang im Exportgeschäft einstellen sowie auf eine deutliche Verknappung der Kreditvergabe, da der europäische Bankensektor seine Bilanzen schmälert, erklärt Percival Stanion, Head of Asset Allocation von Barings. „Noch verfügen diese Staaten über den Luxus politischer Tools, mit denen die Entwicklung im weiteren Verlauf des Jahres 2012 umgekehrt werden könnte; kurzfristig wird sich jedoch auch hier das Wachstum spürbar verlangsamen. Die Nachricht über eine Reduzierung der Reserveanforderungen durch die chinesische Zentralbank ist insoweit hilfreich, da die chinesischen Behörden ein Nachlassen des Inflationsdrucks erkannt haben.“
Die Schwellenländer sind wegen ihrer immer stärkeren Abhängigkeit von der Nachfrage aus den Industrieländern der Gefahr einer klaren Abschwächung ihrer Wachstumsdynamik ausgesetzt. „Wenn der Schock zu stark ausfällt, werden die ihnen zur Unterstützung des Wachstums verfügbaren Handlungsspielräume nicht ausreichen, damit auch sie eine markante Verlangsamung vermeiden können“, so das Analystenteam der Bank SYZ & CO AG.
Global
Im kommenden Jahr wird die Weltwirtschaft bestenfalls stagnieren. Alex Durrer, Chefökonom der LGT Group, ist allerdings überzeugt, dass die Perspektiven am Finanzmarkt vor allem vom Ausgang der chronisch-akuten Strukturprobleme abhängen. Für Anleger bleibe vor diesem Hintergrund eine disziplinierte Diversifikation ein Muss. Gegenüber Risikoanlagen ist Durrer vorsichtig.