- Die US-Wirtschaft hat zuletzt an Fahrt aufgenommen. Das wird nicht nur eine vorübergehende Entwicklung bleiben.
- Die USA haben in den letzten Jahren unerwartet starke Fortschritte beim Abbau der privaten Verschuldung gemacht.
- Das wird sich positiv auf die Finanzmärkte auswirken. Gehen Sie nicht davon aus, dass es 2012 zu einer Schuldenkrise in den USA kommt.
Bis vor kurzem sah es so aus, als sei den Amerikaner in diesem Konjunkturaufschwung die Luft ausgegangen.
Bis Herbst vorigen Jahres wuchs die deutsche Wirtschaft wie die Graphik zeigt wesentlich dynamischer. Jetzt hat sich die Lage umgedreht. Im vierten Quartal expandierte die Produktion in den USA um 2,8%, in Deutschland ging sie um 1,2% zurück (jeweils annualisierte Wachstumsraten nach amerikanischer Rechnung). Auch wenn die vorläufigen Zahlen vielleicht noch korrigiert werden (vor allem in Deutschland nach oben), ergibt sich ein signifikanter Unterschied. Was ist passiert? Und vor allem: Wird es so bleiben?
Die naheliegendste Erklärung ist natürlich die Eurokrise. Sie drückt auf die Stimmung in Deutschland, bremst den Export nach Euroland und dämpft die Investitionsneigung (vielleicht auch die Konsumbereitschaft). Hinzu kommt, dass in Europa bei den öffentlichen Haushalten auf Teufel komm raus gespart wird. In den USA liegen die Konsolidierungsbemühungen bei den öffentlichen Finanzen dagegen auf Eis.
Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. In diesen Tagen sind durch eine interessante Studie des Mckinsey Global Institute die Zahlen für die private Verschuldung in den USA bekannt geworden. Danach ist die Verschuldung der privaten Haushalte seit Ende 2008 um 580 Mrd Dollar gesunken. Der Anteil des Einkommens, der für Zinsen und Tilgungen ausgeben wird, ist auf den niedrigsten Stand seit Anfang der 90er Jahre zurückgegangen.
Das hängt nicht nur damit zusammen, dass die Amerikaner solider geworden sind, also mehr sparen und Kredite zurückzahlen. Entscheidender ist der Unterschied im Rechtssystem. Nach amerikanischem Recht können Hypothekenschuldner ganz einfach die Schlüssel ihres Hauses bei der Bank abgeben und sind damit ihre Verbindlichkeiten los. Das haben viele auch getan. Zwei Drittel des bisherigen Schuldenrückgangs der privaten Haushalte ergaben sich auf diese Weise. Der Prozess ist gemessen an den laufenden Zwangsvollstreckungen noch nicht abgeschlossen.
Gleichzeitig ist die Verschuldung der amerikanischen Finanzwirtschaft um knapp 2 000 Mrd Dollar zurückgegangen. Sie liegt mit 40% des Bruttoinlandsprodukts jetzt unter dem Stand von Ende 2 000. Auch die Verbindlichkeiten der Unternehmen haben sich, freilich nicht ganz so krass, verringert. Die Vereinigten Staaten sind damit die einzigen unter den großen Industrienationen, bei denen sich die private Verschuldung seit dem Beginn der Subprimekrise verringert hat. In allen anderen Staaten ist sie gestiegen, auch in Deutschland.
Damit sind die Spielräume für künftige Investitionen und Konsumausgaben in den USA wieder gewachsen. Auch Schweden und Finnland haben Anfang der 90er Jahre bei der Überwindung der damaligen Bankenkrise zuerst ihre private Verschuldung reduziert. Dann ist die Wirtschaft wieder gewachsen und dann wurden die öffentlichen Haushalte saniert.
Die USA sind aber nicht nur bei der Gesundung ihrer Bilanzen weiter gekommen. Auch in anderen Bereichen sind Fortschritte erkennbar. Die Hauspreise scheinen sich zu stabilisieren. Die amerikanische Automobilindustrie hat sich regeneriert. Die Liquidität, die die amerikanische Notenbank schafft, bleibt – anders als in Europa – nicht im Bankensystem hängen, sondern kommt unmittelbar in der Realwirtschaft an. Die Geldmengenaggregate, die in Europa mehr oder weniger stagnieren, gehen in den USA wieder kräftig in die Höhe.
All das deutet darauf hin, dass die gute Entwicklung der letzten Monate nicht nur ein Ausreißer ist. Natürlich wachsen auch in Amerika die Bäume nicht in den Himmel. Der Abbau der privaten Verschuldung ist noch nicht abgeschlossen. Er wird nach der Schätzung von Mckinsey noch ca. zwei Jahre dauern. Die öffentlichen Schulden sind nach wie vor hoch. Ihre Reduzierung ist noch gar nicht in Angriff genommen worden. Der private Verbrauch wird nicht mehr so dynamisch wachsen, weil die früheren Impulse vom Häusermarkt fehlen. Das Land wird von der zu erwartenden Abschwächung in China und vom Fortgang der Eurokrise betroffen. Es ist Wahlkampf. In solchen Zeiten geben die öffentlichen Haushalte zwar mehr aus. Es herrscht aber viel Unsicherheit über den langfristigen Fortgang des Landes.
Für den Anleger drei Schlussfolgerungen: Erstens die überraschend schnelle Gesundung der amerikanischen Wirtschaft wird sich am amerikanischen Aktienmarkt auswirken. Die Tatsache, dass die US-Märkte im bisherigen Verlauf des Jahres schlechter als andere gelaufen sind, steht dem nicht entgegen. Es hängt im wesentlichen damit zusammen, dass die Entwicklung in Europa, Japan und den Schwellenländern im letzten Jahr so viel schlechter war, so dass sich hier Aufholpotenzial aufgebaut hatte.
Zweitens: Gehen Sie nicht davon aus, dass die USA in diesem Jahr in eine größere Staatsschuldenkrise wie die Europäer hineinlaufen. Es ist auf dem alten Kontinent zuletzt immer beliebter geworden, zur Ablenkung von den eigenen Problemen auf die finanzpolitischen Schwierigkeiten der USA zu verweisen (auch ich habe das getan). Wenn in den USA die private Verschuldung zurückgeht und die Wirtschaft wächst, lässt sich dort auch ein höheres öffentliches Defizit verkraften.
Drittens: Der Euro wird sich unter diesen Umständen nicht so schnell erholen.
Dr. Martin HüfnerVolkswirtschaftlicher Beraterdirektanlage.at
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