Laut Dr. Jörg Lüschow, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der West LB, ist der Wahlausgang in Griechenland entscheidend für die weitere Zukunft der europäischen Währungsunion. In seiner Expertise führt er an, dass gewisse Dinge und Probleme von Anfang an vorprogrammiert waren und es somit zur Krise kommen musste.
Fehler von Anfang an begangen
„Im Grunde genommen wurden schon vor Beginn der Währungsunion Fehler gemacht. Wir hatten von Anfang an ein unvollständiges Vertragswerk, denn es wurden keine Klauseln inkludiert für den Fall, dass ein Land die Währungsunion verlassen möchte oder muss. Es wurde dafür einfach nichts vorgesehen“, erklärt der Experte. Weiters vergleicht er die Union mit einem Fußballspiel, in dem sich die Spieler an die Regeln halten müssen. Tun sie das nicht, so gibt es eine gelbe bzw. rote Karte und dann den Verweis. „Es gab auch nicht Klauseln für den Fall der Insolvenz im Rahmen der Maastrichter Verträge. Was passiert wenn ein Land zahlungsunfähig wird? Damals sagte man nur, dass ein Staat nicht pleite gehen würde. Seit dem Frühjahr wissen wir, dass es doch geht“, führt Lüschow weiter aus.
Fiskale Konvergenz muss her
Dr. Lüschow ist davon überzeugt, dass die Maastrichter Stabilitätskriterien - trotz Fehlens von bailout Klauseln - ausreichend gewesen wären, wenn sich alle Länder aber an die Regeln gehalten hätten. Seiner Meinung nach kann eine Währungsunion nur bei fiskaler Konvergenz funktionieren und eine einheitliche Geldpolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn die involvierten Länder eine einheitliche Entwicklung aufweisen.
Als die Länder vom Weg abkamen
„Problematisch wurde es als sich gerade „die Guten“, also Deutschland und Frankreich, nicht mehr an die Regeln gehalten haben. Es gab aber keinerlei Konsequenzen, was einem Freifahrtschein für alle anderen gleichkam“, bringt es der West LB Volkswirt auf den Punkt. „Wenn das Ganze nochmal eine Chance haben soll, dann brauchen wir glaubwürdige und respektierte Regeln. Die Überwachung darf nicht in den Händen der Politiker sondern in jenen einer unabhängigen Institution liegen.“ Die Schuldenkrise sei aber nicht nur in Europa ein Problem sondern mittlerweile global. Lüschow geht davon aus, dass sobald das Thema in Europa abgearbeitet ist, der nächste Sorgenfall die USA werden.
Zinsentwicklung in der EWU
Wie der obige Chart zeigt, waren die Zinsen in Deutschland wesentlich niedriger als in vielen anderen Ländern. Im Zuge der europäischen Währungsunion kam es zu einer Konvergenz der Zinsen - diese Phase bezeichnet Lüschow auch als „Zeit der Sorglosigkeit“ - denn die Risiken, die nach wie vor in den einzelnen Ländern bestanden haben, wurden nicht mehr eingepreist. „Entweder haben die Märkte den Maastrichter Stabilitätskriterien vertraut oder sie haben die no-bailout Klausel einfach nicht akzeptiert und im Umkehrschluss gesagt, wenn der Fall der Fälle eintreten wird, dann wird die Europäische Union schon für eines ihrer Länder haften“, bringt es der Volkswirt auf den Punkt.
Zu wenig offen gesprochen
Lüschow stellt weiters die These auf, dass Anfang 2010, als der Schuldenstand Griechenlands offensichtlich wurde, Angela Merkel dazu stehen hätte müssen, dass Griechenland gerettet und unterstützt werden wird. Damals waren aber laut dem Volkswirt Landtagswahlen in NRW und keiner der Politiker hat offen über dieses Problem gesprochen. „Wenn eine Unterstützung angekündigt worden wäre, wären die Zinsen der EU Staaten nicht so weit auseinander gebrochen“, ist sich Lüschow sicher.
Drohen weitere Schuldenschnitte?
Laut Dr. Lüschow muss man sich als Investor heute fragen, ob es denn auch zu einem Schuldenschnitt in anderen Ländern kommen wird. Würde dieser nach dem Muster in Griechenland durchgeführt werden, wären wieder die Privaten am meisten betroffen. „Für mich habe ich klar entschieden: Ich würde keine Peripherie Staatsanleihen derzeit anfassen“, so der Volkswirt.
Was würde passieren wenn Griechenland nach der Wahl entscheidet den Konsolidierungsprozess nicht fortzusetzen?
Der West LB Experte ist davon überzeugt, dass Griechenland bereits in den nächsten Wochen weiteres Geld benötigt, das es dann aber nicht mehr bekommen wird. Damit wäre das Land quasi gezwungen aus der EWU auszusteigen um an frisches Geld zu kommen. Es könnte natürlich auch sein, dass Griechenland die EU verlassen muss, außer die Verträge würden noch schnell geändert werden, was Lüschow ebenfalls nicht ausschließt. In jedem Fall wäre der Primärsaldo in Griechenland zu hoch, denn selbst wenn keine Zinsen für die Tilgung der Kredite mehr gezahlt werden, würden die Einnahmen nicht reichen um die Ausgaben zu decken.
Griechen kein Interesse an einem Austritt
Mit Hilfe einer eigenen neuen Notenbank wären die Griechen dann in der Lage frisches Geld zu drucken. Natürlich würde dies bedeuten, dass das griechische Bankensystem dann endgültig kollabiert. „Wahrscheinlich müsste man einen 100 Prozent Schuldenschnitt durchführen. Aber wie soll eine Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut werden? Der Aufbau einer exportfähigen Wettbewerbsfähigkeit bedarf vieler Jahre und zahlreicher Investitionen. Wo soll das Geld herkommen? Ich sehe daher an Stelle von Griechenland kein großes Interesse wirklich aus der EWU auszutreten“, resümiert Lüschow.
Ansteckungsgefahr nicht unterschätzen
Nicht zu vergessen wäre auch noch die Ansteckungsgefahr auf andere Länder. Dabei führt Lüschow die ähnliche Entwicklung von Portugal, Spanien, Irland und Italien an. Gerade Portugal hätte eine ähnliche Zinsentwicklung und kaum Wettbewerbsfähigkeit wie aktuell Griechenland. Laut dem Volkswirt ist das große Risiko eine Kettenreaktion wenn die Wahlen in Griechenland zugunsten der Contra-EWU Parteien ausgehen. Damit würden sich die Spreads weiter auseinander entwickeln und der Zerfall der Währungsunion, wie wir sie heute haben, drohen.
Was bleibt noch?
„Wenn die Sache in Griechenland gut geht, werden wir um Eurobonds nicht herum kommen. Natürlich nicht zum Nulltarif, sondern mit entsprechend harten Regeln. Wer sich daran nicht hält, wird rausfliegen“, ist der Experte überzeugt. „Wenn die Währungsunion auseinanderbricht, muss man sich im Klaren sein was dies bedeutet: Deutschland und auch Österreich müssten deutliche Einbrüche bei Exporten verkraften und viele Jahre daran nagen. Eurobonds bedeuten steigende Zinsen für Länder die besser dastehen. Dafür würden die Spreads der Peripherieländer wieder zusammenlaufen. Das ist der Preis der reichen Länder - höhere Zinsen.“