Nachgefragt | 6-Monate SFDR: Echter Wendepunkt oder "heiße Luft"?

Vor exakt 6 Monaten ist die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) in Kraft getreten: Wie fällt das bisherige Fazit der Fondsbranche aus? In welchen Punkten konnte die EU-Verordnung in der Praxis überzeugen? Wo hingegen werden die größten Schwachstellen identifiziert? e-fundresearch.com hat nachgefragt: Funds | 10.09.2021 19:00 Uhr
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e-fundresearch.com #Nachgefragt | 6-Monate SFDR: Echter Wendepunkt oder "heiße Luft"?

Am 10. März 2021 ist die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR - Sustainable Finance Disclosure Regulation) in Kraft getreten: Anfangs noch gewöhnungsbedürftig, wissen mittlerweile wohl die meisten Marktteilnehmer etwas mit den Begriffen "Artikel 6, 8 oder 9 Fonds" anzufangen.

Nach 6-Monaten im "Live-Betrieb": Wie unterschiedlich fällt das bisherige Fazit zur SFDR innerhalb der Fondsbranche aus? In welchen Punkten konnte die EU-Verordnung in der Praxis bislang überzeugen? Wo hingegen werden die größten Schwachstellen identifiziert? 

e-fundresearch.com hat bei unterschiedlichsten Expert:innen in der Fondsindustrie nachgefragt und dabei folgende Antworten erhalten:

Sabine Macha, Leitung Produktmanagement und stellvertretende Bereichsleitung Corporate Responsibility, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.
© Pia Morpurgo

Sabine Macha, Leitung Produktmanagement und stellvertretende Bereichsleitung Corporate Responsibility, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.

Die Zielsetzung der SFDR ist begrüßenswert, die Umsetzung zeigt leider sehr viele Probleme. Die Regelung ist überaus komplex ausgefallen. Viele wichtige Fragen sind offen. Das Datenmanagement ist eine enorme Herausforderungen für Banken und Fondsgesellschaften. Dass sehr viele Fonds in Art. 8 klassifiziert wurden, die nur einem eingeschränkten Nachhaltigkeitsansatz folgen, scheint der Kommission zu missfallen. Daher wurde an anderer Stelle – Stichwort Anforderungen für Beratung an Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenz – nachgebessert, was jetzt wiederum zu Inkonsistenzen führt. Mehrmalige Überarbeitungen und das scheibchenweise In-Kraft-Treten sind große Aufwandstreiber bei den Fondsgesellschaften. Die ESG-Offenlegung in den Produktdokumenten ist überaus umfangreich und für einen durchschnittlichen Anleger wahrscheinlich mehr verwirrend als erhellend. In Summe wären mehr Klarheit und eine deutliche Vereinfachung wünschenswert. Das wichtigste Ziel wurde aber erreicht: Nachhaltigkeit ist das Topthema bei allen Asset Managern und nachhaltiges Veranlagen ist im Mainstream angekommen.
Vanda Kovacs-Wild, CFA, Portfolio Managerin, Kathrein Capital Management GmbH
© Kathrein Capital Management GmbH

Vanda Kovacs-Wild, CFA, Portfolio Managerin, Kathrein Capital Management GmbH

Die aufsichtsrechtliche Herausforderung wurde vom Markt erfolgreich erledigt. Die Finanzakteure haben die ersten Schritte zur Umlenkung der Finanzströme in Richtung CO2 Neutralität gut gemanagt und sich zumindest in den Medien zu nachhaltigen Influencern gemausert. Die Datenlage ist im Augenblick sicher das Sorgenkind und ausbaufähig. Die laufende Verbesserung beispielsweise der Daten auf Unternehmensseite (NFDR) und die Erfahrungen im Umgang mit diesen wird hoffentlich die gewünschte Transparenz und Vergleichbarkeit bringen. Die EU-Verordnung konnte bei den Publikumsfonds mit der Kategorisierung punkten. Somit hat sich die Vergleichbarkeit der Produkte für den Endverbraucher stark erhöht und gibt Sicherheit, zumindest auf den ersten Blick. Marktteilnehmer werden auch vorläufig an den vertrauten Zertifizierungen festhalten. Die Weiterentwicklung und die Adaptierung der EU-Verordnung liefert aber besonders im Risikobereich, Ergänzungen. Berater sind aufgerufen „offiziell“ die Gretchenfrage zu stellen, ob auch die Kunden sich zur Nachhaltigkeit bekennen. Diese zusätzliche Aufklärung und Befragung zur Nachhaltigkeit im Beratungsgespräch sind auch schriftlich zu dokumentieren
Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, Deka Investment
© Deka

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, Deka Investment

Die Offenlegungsverordnung erhöht die nachhaltige Transparenz von Finanzprodukten und Anbietern. Seit dem 10. März ist die Verordnung auf Level 1 bei der Deka umgesetzt. Mitte nächsten Jahres wird sukzessive die Produktebene folgen. Im Vordergrund steht die Bereitstellung von Informationen, jedoch keine ausdifferenzierten Produktspezifika, die mit klaren Grenzen belegt sind. Klare Limits sind wichtig, um Emittenten in nachhaltig und nicht nachhaltig unterscheiden zu können. Beispiel Inside-Out-Risiken: Die definierten Kennzahlen, die sogenannten Principal Adverse Impact (PAI), müssten mit Obergrenzen versehen werden, um die größten Risikoträger für die Gesellschaft zu identifizieren und zu eliminieren.

Die grundsätzliche Idee der Offenlegungsverordnung besteht in der Freiheit, Grenzen und Prozesse individuell zu definieren, und ist zu begrüßen. Es bleibt abzuwarten, ob der dadurch erzeugte Marktdruck das Nachfrageverhalten und damit die Ausgestaltung der Finanzprodukte verändert. Wünschenswert wäre eine stärkere Kompatibilität mit den Kriterien tiefgreifender EU-Regulierungsvorhaben, um einen kohärenten nachhaltigen Analyse- und Produktionsprozess zu gewährleisten.
Karsten-Dirk Steffens, Country Head Switzerland, Aberdeen Standard Investments
© Aberdeen Standard Investments

Karsten-Dirk Steffens, Country Head Switzerland, Aberdeen Standard Investments

Die von der EU vorangetriebene SFDR-Initiative hat die Fondsindustrie vor eine grosse Herausforderung gestellt. Sie hat aber auch einen ersten wichtigen Schritt unternommen, um Fondsanbieter und deren Portfoliomanagement in die Pflicht zu nehmen, ihre Investmentlösungen in puncto Nachhaltigkeit auf Herz und Nieren zu prüfen. Es wurden fast explosionsartig Produkte in diesem Segment angeboten, wobei für den Endverbraucher nur noch schwer nachvollziehbar war, welche Investmentlösungen einen soliden Nachhaltigkeitsansatz verfolgen. Eine Schwachstelle ist die zu wenig stringent geregelten Richtlinien der Kategorisierungen der Fonds, die dazu geführt haben, dass zu viel Spielraum in der Auslegung und zu wenig Regulierung oder gar Überprüfung und allenfalls notwendige Korrektur der Selbstkategorisierung seitens einer übergeordneten Institution stattfinden wird. Somit bleibt als Fazit festzuhalten, dass ein erster wichtiger Schritt zur Erhöhung der Transparenz von Nachhaltigkeitsanlagen getan ist. Es besteht aber auch die Sorge, dass Anbieter versuchen werden, sich im Sinne von „Greenwashing“ unbegründeterweise etwas mehr Glaubwürdigkeit hinsichtlich Nachhaltigkeit zu verschaffen, um etwaige Wettbebewerbsnachteile auszuschliessen.
Herbert Kronaus, Country Head Austria & Central and Eastern Europe, Columbia Threadneedle Investments
© Columbia Threadneedle Investments

Herbert Kronaus, Country Head Austria & Central and Eastern Europe, Columbia Threadneedle Investments

Wir begrüßen die EU-Offenlegungsverordnung mit dem Ziel, branchenweit bessere Standards für eine nachhaltige Geldanlage zu schaffen. Denn wir sind der Ansicht, dass solche Rahmenwerke zu Umwelt- und sozialen Kriterien sowie Aspekten der Unternehmensführung - auf Englisch kurz ESG - Konsistenz und Transparenz fördern. Dies kommt schlussendlich den Anlegern zugute, indem es diesen ermöglicht, fundierte nachhaltige Anlageentscheidungen zu treffen. Verantwortungsvolle, nachhaltige Geldanlage gehört seit 15 Jahren zu unserer Investmentphilosophie in Europa. Vor diesem Hintergrund waren wir bereits 2006 einer der ersten Unterzeichner der Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen. Im Rahmen der EU-Offenlegungsverordnung haben wir die Fondsangaben auf unserer Website um weitere Daten ergänzt und die Prospekte der betreffenden Fonds angepasst. Aktuell bieten wir in Europa fünf Aktien- und Anleihenstrategien an, die auch formal bereits unter Artikel 8 der SFDR fallen. Viele weitere Fonds werden bereits entsprechend gemanagt, und wir arbeiten daran, auch deren Dokumentation Artikel 8-konform zu gestalten. Für zehn dieser Fonds erwarten wir die Genehmigung durch die Regulierungsbehörden noch bis Ende 2021.
Petra Stassen-van Lochem, Senior Responsible Investment Specialist, NN Investment Partners
© NN Investment Partners

Petra Stassen-van Lochem, Senior Responsible Investment Specialist, NN Investment Partners

Bei NN Investment Partners waren wir bei der Umsetzung der SFDR im Vorteil, da diese Art der Analyse für uns nicht neu ist. Seit Jahren verwenden wir unsere eigenen Kriterien, um unsere Fonds und Mandate in vier Kategorien zu unterteilen: traditionell, ESG-integriert, nachhaltig und Impact. Diese Kategorisierung erleichtert uns die Anpassung an die SFDR. Wir befürworten die von der SFDR angestrebte erhöhte Transparenz, da sie zu besseren Einblicken und mehr Vergleichbarkeit beiträgt und gleichzeitig ein größeres Bewusstsein schafft. Darüber hinaus sehen wir, dass sich dies sowohl auf Kunden als auch auf Portfoliomanager auswirkt, was zu einer besser informierten Entscheidungsfindung führt, die letztlich mehr Kapital in nachhaltige Investments und Aktivitäten fließen lässt. Die Kehrseite dieser neuen Standards ist, dass Zeit, Mühe und Budget für die Einhaltung der Vorschriften aufgewendet werden. Dabei besteht das Risiko, dass man sich weniger der Entwicklung neuer Produkte, der Suche nach neuen Investmentmöglichkeiten und der Messung des Impacts widmen kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Asset-Management-Branche dies in Einklang bringt.
Mag. Patrick Poik, Head of Portfoliomanagement, MKP Invest Gesellschaft mbH
© Simon Kupferschmied Fotografie

Mag. Patrick Poik, Head of Portfoliomanagement, MKP Invest Gesellschaft mbH

Seit Einführung der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) boomen nachhaltige Investmentfonds. Themen wie Umweltschutz und Klimawandel rücken auch in der Finanzbranche in den Fokus. Im Zuge dieses aktuellen Trends ist eine nachhaltige Ausrichtung für viele Fondsgesellschaften unausweichlich geworden.

Die Abgrenzung von Nachhaltigkeit ist nicht immer eindeutig; die Grenzen oft fließend: Der Vermögensverwalter DWS ist kürzlich aufgrund von „Greenwashing“-Vorwürfen ins Visier der US-Börsenaufsicht geraten.

Auch nach Einführung der SFDR weichen die Klassifizierungen von Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene weiterhin stark voneinander ab: Während Österreich gegen die Aufnahme von Atomkraft in den Katalog nachhaltiger Finanzinstrumente ist, sind andere europäische Länder - allen voran Frankreich - dafür. MKP Invest hat vor diesem Hintergrund ein eigenes nachhaltiges Investmentkonzept entwickelt, das anhand neuer Bewertungsmethoden laufend weiterentwickelt wird. Ziel unserer Vermögensverwaltung bleibt ein breit diversifiziertes Portfolio nach Regionen und Sektoren, in dem ein aktives Management eine nachhaltig attraktive Performance ermöglicht.
Marcio da Costa, Senior Portfolio Manager SSA & Green Bonds, BANTLEON
© Thomas Wieland

Marcio da Costa, Senior Portfolio Manager SSA & Green Bonds, BANTLEON

Die Sustainable Finance Disclosure Regulation soll die Nachhaltigkeitstransparenz erhöhen und Greenwashing vermeiden. Zu befürworten ist, dass die umfangreichen Offenlegungs- und Berichtspflichten einen Anreiz für Finanzmarktteilnehmer schaffen, konkrete Nachhaltigkeitsindikatoren zu definieren und regelmäßig zu veröffentlichen. Dies beschleunigt den Fortschritt der nachhaltigen Finanzindustrie und gibt Verbrauchern einen einheitlichen Orientierungsrahmen. Die Implementierung der EU-Verordnung birgt jedoch auch Hürden. Einerseits ist die Datenverfügbarkeit zur Überwachung der Nachhaltigkeitskennziffern lückenhaft. Lediglich EU-Unternehmen sind verpflichtet diese künftig offenzulegen. Darüber hinaus erweisen sich Umfang und Komplexität der Verordnung als hoch, was in der Praxis Raum für Interpretationsspielräume schafft und die Gefahr unterschiedlicher Auslegungen erhöht. Eine rein quantitative Nachhaltigkeitsbeurteilung halten wir zudem nicht für zielführend. Auch wenn die EU-Verordnung mit einigen Mängeln einhergeht, befürworten wir einen einheitlichen und transparenten Gesetzesrahmen. In einem zweiten Schritt sollte der Fokus auf die Überarbeitung der Mängel gelegt werden.
Ursula Tonkin, Head of Listed Strategies und Portfoliomanagerin, Whitehelm Capital
© Whitehelm Capital

Ursula Tonkin, Head of Listed Strategies und Portfoliomanagerin, Whitehelm Capital

Wir sehen in der SFDR einen bedeutenden Fortschritt und einen Treiber für positive Veränderungen in der gesamten Branche. Der Whitehelm Low Carbon Core Infrastructure Fund (LCCIF) ist ein Artikel 8-Fonds. Deshalb haben wir die Dokumente zur Offenlegung aktualisiert und unseren Nachhaltigkeitsansatz detaillierter dargelegt. Der Umgang mit den Principal Adverse Impacts (PAI) wird auch direkt in unser Engagement mit den Unternehmen, in die wir investieren, integriert. Wenn alle Fondsmanager dies tun, wird dies eine der größten Stärken der SFDR sein.

Im März 2021 veröffentlichten wir den jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, der auch unsere erste PAI-Erklärung und Wirkungsanalyse enthielt. Leider mussten wir für viele Kennzahlen „Daten nicht verfügbar“ angeben, da die Unternehmen, in die wir investiert sind, einfach nicht darüber berichten. Dies macht deutlich, wie viel noch getan werden muss. Und auch wenn der erste Impuls darin besteht, das zu messen, was quantifizierbar ist, sagen einfache Vergleiche nicht immer alles aus. In einigen Fällen sind die qualitativen Elemente ebenso wichtig oder sogar wichtiger als die quantitativen, aber schwieriger zu er- und den Investoren zu vermitteln.
Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin, Invest in Visions GmbH
© Invest in Visions GmbH

Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin, Invest in Visions GmbH

Für uns stellt die SFDR einen ambitionierten einheitlichen EU-Standard in Bezug auf die nachhaltige Ausrichtung von Finanzprodukten dar. Insbesondere begrüßen wir, dass die Analyse nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen aufgenommen wurde. Die PAI-Indikatoren unterstützen die Transparenz über die umfassenden Auswirkungen der Investmentaktivitäten. Der Fokus auf der Integration von ESG-Risiken bei der Auswahl von Investments betont die Wichtigkeit der Berücksichtigung dieser Risiken bei der Bewertung von Investitionen.

Wir fördern mit unseren Fonds u. a. die finanzielle Inklusion in Schwellen- und Entwicklungsländern. Durch die fehlende Sozialtaxonomie besteht derzeit keine standardisierte Möglichkeit, Aussagen über das Nachhaltigkeitsniveau eines Artikel 9-Fonds mit sozial-nachhaltigem Fokus zu treffen. Zudem gibt es keine Vorschrift zu einem Mindestniveau nachhaltiger Assets bei Artikel 8- und 9-Fonds. Besondere Herausforderungen ergeben sich insbesondere für Fondsprodukte, die keine klassische Anlagestrategie verfolgen, wie bspw. der IIV Mikrofinanzfonds.

Grundsätzlich betrachten wir die SFDR und die daraus entstehenden Dialoge rund um das Thema Nachhaltigkeit als sehr positiv.
Brunno Maradei, Global Head of Responsible Investment, Aegon Asset Management
© Aegon Asset Management

Brunno Maradei, Global Head of Responsible Investment, Aegon Asset Management

Auch wenn die SFDR als funktionsfähig und wirkungsvoll angesehen werden kann, ist sie noch lange nicht vollständig umgesetzt. Wichtige Teile der Gesetzgebung - insbesondere die technischen Standards für die wichtigsten in der Gesetzgebung geforderten Offenlegungen - sind noch nicht fertiggestellt. Die Verknüpfung mit den Taxonomievorschriften, die ihrerseits noch nicht abgeschlossen sind, schafft weitere Unsicherheit, insbesondere in Bezug auf die Frage, welche Angaben für Produkte, die als Artikel 9 eingestuft sind, als akzeptabel gelten.

Das Ziel der Gesetzgebung - Sicherheit und Transparenz für Investoren in nachhaltige Finanzprodukte zu schaffen - ist ein wichtiges und lobenswertes Ziel. Bislang sehen wir jedoch kaum Anzeichen für Fortschritte bei der Erreichung dieses Ziels: Die Anleger bleiben so unsicher wie zuvor. Einige verpflichten sich, nur in Fonds nach Artikel 8 und 9 zu investieren, wobei sie diese Klassifizierungen als Qualitätssiegel betrachten, ohne ein vollständiges Verständnis der Standards zu haben, die diese Klassifizierungen darstellen und die bei weitem nicht eindeutig sind.
Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft
© KEPLER-FONDS KAG

Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft

Wenn es nach sechs Monaten bereits ein Fazit geben kann, dann fällt dieses gemischt aus. Auf der Habenseite ist der Versuch zu verbuchen, Transparenz zu wesentlichen Themen der Nachhaltigkeit zu schaffen. Auf der Sollseite steht Mehreres. Zunächst fehlen eindeutigere Bestimmungen, was wie offen zu legen ist. Daneben fehlt in manchen Bereichen eine einheitliche Datenbasis. Hier gilt es, sowohl seitens der Unternehmen als auch der Regulatorik nach zu schärfen. Und nicht zuletzt fehlen noch wesentliche Teile der Taxonomie-Verordnung als Basis der SFDR. Ein guter Anfang ist gemacht, doch bewegen sich die Finanzmarktteilnehmer, die der SFDR unterliegen, auf unsicherem, weil nicht oder zu wenig definiertem Gebiet.
Rochus Appert, Head Of Sales, Intermediary, Central Europe, BMO Global Asset Management
© BMO GAM

Rochus Appert, Head Of Sales, Intermediary, Central Europe, BMO Global Asset Management

Die SFDR zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit in den Finanzmärkten zu verankern und das Kapital effektiv zu lenken. Ziel ist es, die globalen Herausforderungen zu bewältigen denen wir gegenüberstehen, wobei der Schwerpunkt auf dem Klimawandel liegt. Die Verordnung ist im Gegensatz zu bisherigen Initiativen ein großer Erfolg, weil sie ein strengeres Nachdenken über Nachhaltigkeit erzwingt. Bislang haben wir gesehen, dass dies erhebliche Auswirkungen auf ESG-kategorisierte Strategien hatte. Wie z.B. der Rückgang der als ESG gemeldeten Vermögenswerte in Europa um 13 % (GSIA, 2021), was die Verwendung robusterer Definitionen belegt. Während die SFDR Verordnung sich auf die Auswirkungen konzentriert, sehen wir, dass in der Praxis Investitionen stärker in Aktien von Unternehmen driften, die bereits grün sind. Dies kann zwar indirekt die Kapitalkosten für nachhaltige Unternehmen senken, aber Artikel 9 schreibt nicht vor, dass neues Kapital zur Bewältigung globaler Herausforderungen eingesetzt werden muss, oder dass ein solides Engagement zur Änderung von Unternehmenspraktiken erforderlich ist. Dies könnte die Wirksamkeit der Verordnung schwächen.
Nima Pouyan, Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein, Invesco
© Invesco

Nima Pouyan, Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein, Invesco

Viele haben sicher erwartet, dass die SFDR-Initiative unzählige Antworten liefert, die Verordnung hat jedoch mehr Fragen aufgeworfen. Das ist nicht unbedingt schlecht, da die Debatte die Branche ins Gespräch bringt und letztlich mehr Klarheit für die Anleger schafft. Ein Schlüsselbereich ist die Definition subjektiver Begriffe wie Nachhaltigkeit. Die SFDR bietet eine Reihe sowohl weit gefasster (Artikel 8) als auch sehr spezifischer (Artikel 9). Definitionen für einige Bereiche der Nachhaltigkeit, erfasst aber bei weitem nicht alle ESG-Ziele für alle Anleger. Die SFDR ist nicht das Ende, sie ist nur ein guter Ausgangspunkt, der in die richtige Richtung führt.

Es wird wohl zu sehr darauf geachtet, ob ein Fonds das eine oder andere Kriterium erfüllt, anstatt sicherzustellen, dass seine Ziele eindeutig sind, damit die Anleger eine fundierte Einschätzung seiner Eignung vornehmen können. Ich glaube, dass weitere Leitlinien, insbesondere auf lokaler Ebene, für mehr Klarheit sorgen werden. Die Fondsbranche muss sicherstellen, dass die Ansichten eines Anlegers über verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Investieren genauso mit einem Fonds in Einklang gebracht werden können wie sein Fachwissen und seine Risikobereitschaft.
Maria Teresa Zappia, Deputy CEO und Chief Impact and Blended Finance Officer, BlueOrchard
© BlueOrchard

Maria Teresa Zappia, Deputy CEO und Chief Impact and Blended Finance Officer, BlueOrchard

Die Verordnung hat Berge versetzt, das steht fest. Anleger und Vermögensverwalter haben jetzt eine klarere Vorstellung davon, was die verschiedenen Marktsegmente bei der Suche nach alternativen Anlagemöglichkeiten sind. Inzwischen gibt es ein gemeinsames Verständnis davon, was ein Fonds nach Artikel 8 im Vergleich zu einem Fonds nach Artikel 9 ist. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Ausrichtung und Transparenz im nachhaltigen und Impact Investing zu erhöhen. Dennoch ist es für Impact-Investment-Manager wie BlueOrchard von entscheidender Bedeutung, über die einfachen regulatorischen Anforderungen hinauszugehen, um innovative und wirkungsvolle Anlagelösungen voranzutreiben und bei der Bereitstellung von Best-Practice-Beispielen mit angemessener Offenlegung und Transparenz weiterhin führend zu bleiben. Wir sind auch gespannt, wie die soziale Taxonomie integriert wird, da wir glauben, dass der Planet und Menschen zwei Seiten einer Medaille sind.
Walter Hatak, Head of Responsible Investments, Erste Asset Management
© Alle Rechte bei Erste Asset Management

Walter Hatak, Head of Responsible Investments, Erste Asset Management

Positiv ist zu sehen, dass durch SFDR sich ein jeder Fondsanbieter mit der Nachhaltigkeitsausrichtung seiner Fonds erstmalig auseinandersetzen musste und eine grobe Einordnung in Nachhaltigkeitsstandards stattfand. Damit ist allerdings erst ein erster kleiner Schritt getan, spannend wird der große zweite Schritt, wenn offengelegt werden muss, warum diese Einordnung durch die jeweilige Fondsgesellschaft erfolgte und sich dadurch offenbaren wird, wer es besonders ernst nimmt.
Will Oulton, Global Head of Responsible Investment, First Sentier Investors
© First Sentier Investors

Will Oulton, Global Head of Responsible Investment, First Sentier Investors

Wir unterstützen die politischen Ziele der EU-Verordnung für nachhaltige Finanzen in Bezug auf den Klimawandel und die SDGs vollumfänglich. Wir begrüßen auch deren Zielsetzung, „Greenwashing“ zu verhindern und Investoren vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist die Umsetzung nur unzureichend ausgearbeitet worden.

Das klare Bekenntnis zur Erfüllung der politischen Ziele der EU durch die SFDR- und Taxonomie-Verordnung und die Konsistenz dieser Botschaft tragen dazu bei, die Branche davon zu überzeugen, dass die Verordnung ernsthafte und wichtige Absichten verfolgt.

Der Zeitplan für die Umsetzung der Stufe 2 war teilweise unübersichtlich. Die EU-Kommission hat nicht berücksichtigt, wie lange es dauert, die vielen erforderlichen Änderungen an der Dokumentation vorzunehmen. Diese werden oft durch rechtliche Anforderungen der nationalen Behörden vorgegeben. Die mangelnde Klarheit über die Anforderung von Artikel 8 der SFDR in Bezug auf die „Förderung von E- und S-Merkmalen“ war und ist nicht hilfreich.

Sabine Macha, Leitung Produktmanagement und stellvertretende Bereichsleitung Corporate Responsibility, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.
© Pia Morpurgo

Sabine Macha, Leitung Produktmanagement und stellvertretende Bereichsleitung Corporate Responsibility, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.

Die Zielsetzung der SFDR ist begrüßenswert, die Umsetzung zeigt leider sehr viele Probleme. Die Regelung ist überaus komplex ausgefallen. Viele wichtige Fragen sind offen. Das Datenmanagement ist eine enorme Herausforderungen für Banken und Fondsgesellschaften. Dass sehr viele Fonds in Art. 8 klassifiziert wurden, die nur einem eingeschränkten Nachhaltigkeitsansatz folgen, scheint der Kommission zu missfallen. Daher wurde an anderer Stelle – Stichwort Anforderungen für Beratung an Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenz – nachgebessert, was jetzt wiederum zu Inkonsistenzen führt. Mehrmalige Überarbeitungen und das scheibchenweise In-Kraft-Treten sind große Aufwandstreiber bei den Fondsgesellschaften. Die ESG-Offenlegung in den Produktdokumenten ist überaus umfangreich und für einen durchschnittlichen Anleger wahrscheinlich mehr verwirrend als erhellend. In Summe wären mehr Klarheit und eine deutliche Vereinfachung wünschenswert. Das wichtigste Ziel wurde aber erreicht: Nachhaltigkeit ist das Topthema bei allen Asset Managern und nachhaltiges Veranlagen ist im Mainstream angekommen.
Vanda Kovacs-Wild, CFA, Portfolio Managerin, Kathrein Capital Management GmbH
© Kathrein Capital Management GmbH

Vanda Kovacs-Wild, CFA, Portfolio Managerin, Kathrein Capital Management GmbH

Die aufsichtsrechtliche Herausforderung wurde vom Markt erfolgreich erledigt. Die Finanzakteure haben die ersten Schritte zur Umlenkung der Finanzströme in Richtung CO2 Neutralität gut gemanagt und sich zumindest in den Medien zu nachhaltigen Influencern gemausert. Die Datenlage ist im Augenblick sicher das Sorgenkind und ausbaufähig. Die laufende Verbesserung beispielsweise der Daten auf Unternehmensseite (NFDR) und die Erfahrungen im Umgang mit diesen wird hoffentlich die gewünschte Transparenz und Vergleichbarkeit bringen. Die EU-Verordnung konnte bei den Publikumsfonds mit der Kategorisierung punkten. Somit hat sich die Vergleichbarkeit der Produkte für den Endverbraucher stark erhöht und gibt Sicherheit, zumindest auf den ersten Blick. Marktteilnehmer werden auch vorläufig an den vertrauten Zertifizierungen festhalten. Die Weiterentwicklung und die Adaptierung der EU-Verordnung liefert aber besonders im Risikobereich, Ergänzungen. Berater sind aufgerufen „offiziell“ die Gretchenfrage zu stellen, ob auch die Kunden sich zur Nachhaltigkeit bekennen. Diese zusätzliche Aufklärung und Befragung zur Nachhaltigkeit im Beratungsgespräch sind auch schriftlich zu dokumentieren
Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, Deka Investment
© Deka

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, Deka Investment

Die Offenlegungsverordnung erhöht die nachhaltige Transparenz von Finanzprodukten und Anbietern. Seit dem 10. März ist die Verordnung auf Level 1 bei der Deka umgesetzt. Mitte nächsten Jahres wird sukzessive die Produktebene folgen. Im Vordergrund steht die Bereitstellung von Informationen, jedoch keine ausdifferenzierten Produktspezifika, die mit klaren Grenzen belegt sind. Klare Limits sind wichtig, um Emittenten in nachhaltig und nicht nachhaltig unterscheiden zu können. Beispiel Inside-Out-Risiken: Die definierten Kennzahlen, die sogenannten Principal Adverse Impact (PAI), müssten mit Obergrenzen versehen werden, um die größten Risikoträger für die Gesellschaft zu identifizieren und zu eliminieren.

Die grundsätzliche Idee der Offenlegungsverordnung besteht in der Freiheit, Grenzen und Prozesse individuell zu definieren, und ist zu begrüßen. Es bleibt abzuwarten, ob der dadurch erzeugte Marktdruck das Nachfrageverhalten und damit die Ausgestaltung der Finanzprodukte verändert. Wünschenswert wäre eine stärkere Kompatibilität mit den Kriterien tiefgreifender EU-Regulierungsvorhaben, um einen kohärenten nachhaltigen Analyse- und Produktionsprozess zu gewährleisten.
Karsten-Dirk Steffens, Country Head Switzerland, Aberdeen Standard Investments
© Aberdeen Standard Investments

Karsten-Dirk Steffens, Country Head Switzerland, Aberdeen Standard Investments

Die von der EU vorangetriebene SFDR-Initiative hat die Fondsindustrie vor eine grosse Herausforderung gestellt. Sie hat aber auch einen ersten wichtigen Schritt unternommen, um Fondsanbieter und deren Portfoliomanagement in die Pflicht zu nehmen, ihre Investmentlösungen in puncto Nachhaltigkeit auf Herz und Nieren zu prüfen. Es wurden fast explosionsartig Produkte in diesem Segment angeboten, wobei für den Endverbraucher nur noch schwer nachvollziehbar war, welche Investmentlösungen einen soliden Nachhaltigkeitsansatz verfolgen. Eine Schwachstelle ist die zu wenig stringent geregelten Richtlinien der Kategorisierungen der Fonds, die dazu geführt haben, dass zu viel Spielraum in der Auslegung und zu wenig Regulierung oder gar Überprüfung und allenfalls notwendige Korrektur der Selbstkategorisierung seitens einer übergeordneten Institution stattfinden wird. Somit bleibt als Fazit festzuhalten, dass ein erster wichtiger Schritt zur Erhöhung der Transparenz von Nachhaltigkeitsanlagen getan ist. Es besteht aber auch die Sorge, dass Anbieter versuchen werden, sich im Sinne von „Greenwashing“ unbegründeterweise etwas mehr Glaubwürdigkeit hinsichtlich Nachhaltigkeit zu verschaffen, um etwaige Wettbebewerbsnachteile auszuschliessen.
Herbert Kronaus, Country Head Austria & Central and Eastern Europe, Columbia Threadneedle Investments
© Columbia Threadneedle Investments

Herbert Kronaus, Country Head Austria & Central and Eastern Europe, Columbia Threadneedle Investments

Wir begrüßen die EU-Offenlegungsverordnung mit dem Ziel, branchenweit bessere Standards für eine nachhaltige Geldanlage zu schaffen. Denn wir sind der Ansicht, dass solche Rahmenwerke zu Umwelt- und sozialen Kriterien sowie Aspekten der Unternehmensführung - auf Englisch kurz ESG - Konsistenz und Transparenz fördern. Dies kommt schlussendlich den Anlegern zugute, indem es diesen ermöglicht, fundierte nachhaltige Anlageentscheidungen zu treffen. Verantwortungsvolle, nachhaltige Geldanlage gehört seit 15 Jahren zu unserer Investmentphilosophie in Europa. Vor diesem Hintergrund waren wir bereits 2006 einer der ersten Unterzeichner der Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen. Im Rahmen der EU-Offenlegungsverordnung haben wir die Fondsangaben auf unserer Website um weitere Daten ergänzt und die Prospekte der betreffenden Fonds angepasst. Aktuell bieten wir in Europa fünf Aktien- und Anleihenstrategien an, die auch formal bereits unter Artikel 8 der SFDR fallen. Viele weitere Fonds werden bereits entsprechend gemanagt, und wir arbeiten daran, auch deren Dokumentation Artikel 8-konform zu gestalten. Für zehn dieser Fonds erwarten wir die Genehmigung durch die Regulierungsbehörden noch bis Ende 2021.
Petra Stassen-van Lochem, Senior Responsible Investment Specialist, NN Investment Partners
© NN Investment Partners

Petra Stassen-van Lochem, Senior Responsible Investment Specialist, NN Investment Partners

Bei NN Investment Partners waren wir bei der Umsetzung der SFDR im Vorteil, da diese Art der Analyse für uns nicht neu ist. Seit Jahren verwenden wir unsere eigenen Kriterien, um unsere Fonds und Mandate in vier Kategorien zu unterteilen: traditionell, ESG-integriert, nachhaltig und Impact. Diese Kategorisierung erleichtert uns die Anpassung an die SFDR. Wir befürworten die von der SFDR angestrebte erhöhte Transparenz, da sie zu besseren Einblicken und mehr Vergleichbarkeit beiträgt und gleichzeitig ein größeres Bewusstsein schafft. Darüber hinaus sehen wir, dass sich dies sowohl auf Kunden als auch auf Portfoliomanager auswirkt, was zu einer besser informierten Entscheidungsfindung führt, die letztlich mehr Kapital in nachhaltige Investments und Aktivitäten fließen lässt. Die Kehrseite dieser neuen Standards ist, dass Zeit, Mühe und Budget für die Einhaltung der Vorschriften aufgewendet werden. Dabei besteht das Risiko, dass man sich weniger der Entwicklung neuer Produkte, der Suche nach neuen Investmentmöglichkeiten und der Messung des Impacts widmen kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Asset-Management-Branche dies in Einklang bringt.
Mag. Patrick Poik, Head of Portfoliomanagement, MKP Invest Gesellschaft mbH
© Simon Kupferschmied Fotografie

Mag. Patrick Poik, Head of Portfoliomanagement, MKP Invest Gesellschaft mbH

Seit Einführung der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) boomen nachhaltige Investmentfonds. Themen wie Umweltschutz und Klimawandel rücken auch in der Finanzbranche in den Fokus. Im Zuge dieses aktuellen Trends ist eine nachhaltige Ausrichtung für viele Fondsgesellschaften unausweichlich geworden.

Die Abgrenzung von Nachhaltigkeit ist nicht immer eindeutig; die Grenzen oft fließend: Der Vermögensverwalter DWS ist kürzlich aufgrund von „Greenwashing“-Vorwürfen ins Visier der US-Börsenaufsicht geraten.

Auch nach Einführung der SFDR weichen die Klassifizierungen von Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene weiterhin stark voneinander ab: Während Österreich gegen die Aufnahme von Atomkraft in den Katalog nachhaltiger Finanzinstrumente ist, sind andere europäische Länder - allen voran Frankreich - dafür. MKP Invest hat vor diesem Hintergrund ein eigenes nachhaltiges Investmentkonzept entwickelt, das anhand neuer Bewertungsmethoden laufend weiterentwickelt wird. Ziel unserer Vermögensverwaltung bleibt ein breit diversifiziertes Portfolio nach Regionen und Sektoren, in dem ein aktives Management eine nachhaltig attraktive Performance ermöglicht.
Marcio da Costa, Senior Portfolio Manager SSA & Green Bonds, BANTLEON
© Thomas Wieland

Marcio da Costa, Senior Portfolio Manager SSA & Green Bonds, BANTLEON

Die Sustainable Finance Disclosure Regulation soll die Nachhaltigkeitstransparenz erhöhen und Greenwashing vermeiden. Zu befürworten ist, dass die umfangreichen Offenlegungs- und Berichtspflichten einen Anreiz für Finanzmarktteilnehmer schaffen, konkrete Nachhaltigkeitsindikatoren zu definieren und regelmäßig zu veröffentlichen. Dies beschleunigt den Fortschritt der nachhaltigen Finanzindustrie und gibt Verbrauchern einen einheitlichen Orientierungsrahmen. Die Implementierung der EU-Verordnung birgt jedoch auch Hürden. Einerseits ist die Datenverfügbarkeit zur Überwachung der Nachhaltigkeitskennziffern lückenhaft. Lediglich EU-Unternehmen sind verpflichtet diese künftig offenzulegen. Darüber hinaus erweisen sich Umfang und Komplexität der Verordnung als hoch, was in der Praxis Raum für Interpretationsspielräume schafft und die Gefahr unterschiedlicher Auslegungen erhöht. Eine rein quantitative Nachhaltigkeitsbeurteilung halten wir zudem nicht für zielführend. Auch wenn die EU-Verordnung mit einigen Mängeln einhergeht, befürworten wir einen einheitlichen und transparenten Gesetzesrahmen. In einem zweiten Schritt sollte der Fokus auf die Überarbeitung der Mängel gelegt werden.
Ursula Tonkin, Head of Listed Strategies und Portfoliomanagerin, Whitehelm Capital
© Whitehelm Capital

Ursula Tonkin, Head of Listed Strategies und Portfoliomanagerin, Whitehelm Capital

Wir sehen in der SFDR einen bedeutenden Fortschritt und einen Treiber für positive Veränderungen in der gesamten Branche. Der Whitehelm Low Carbon Core Infrastructure Fund (LCCIF) ist ein Artikel 8-Fonds. Deshalb haben wir die Dokumente zur Offenlegung aktualisiert und unseren Nachhaltigkeitsansatz detaillierter dargelegt. Der Umgang mit den Principal Adverse Impacts (PAI) wird auch direkt in unser Engagement mit den Unternehmen, in die wir investieren, integriert. Wenn alle Fondsmanager dies tun, wird dies eine der größten Stärken der SFDR sein.

Im März 2021 veröffentlichten wir den jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, der auch unsere erste PAI-Erklärung und Wirkungsanalyse enthielt. Leider mussten wir für viele Kennzahlen „Daten nicht verfügbar“ angeben, da die Unternehmen, in die wir investiert sind, einfach nicht darüber berichten. Dies macht deutlich, wie viel noch getan werden muss. Und auch wenn der erste Impuls darin besteht, das zu messen, was quantifizierbar ist, sagen einfache Vergleiche nicht immer alles aus. In einigen Fällen sind die qualitativen Elemente ebenso wichtig oder sogar wichtiger als die quantitativen, aber schwieriger zu er- und den Investoren zu vermitteln.
Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin, Invest in Visions GmbH
© Invest in Visions GmbH

Edda Schröder, Gründerin und Geschäftsführerin, Invest in Visions GmbH

Für uns stellt die SFDR einen ambitionierten einheitlichen EU-Standard in Bezug auf die nachhaltige Ausrichtung von Finanzprodukten dar. Insbesondere begrüßen wir, dass die Analyse nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen aufgenommen wurde. Die PAI-Indikatoren unterstützen die Transparenz über die umfassenden Auswirkungen der Investmentaktivitäten. Der Fokus auf der Integration von ESG-Risiken bei der Auswahl von Investments betont die Wichtigkeit der Berücksichtigung dieser Risiken bei der Bewertung von Investitionen.

Wir fördern mit unseren Fonds u. a. die finanzielle Inklusion in Schwellen- und Entwicklungsländern. Durch die fehlende Sozialtaxonomie besteht derzeit keine standardisierte Möglichkeit, Aussagen über das Nachhaltigkeitsniveau eines Artikel 9-Fonds mit sozial-nachhaltigem Fokus zu treffen. Zudem gibt es keine Vorschrift zu einem Mindestniveau nachhaltiger Assets bei Artikel 8- und 9-Fonds. Besondere Herausforderungen ergeben sich insbesondere für Fondsprodukte, die keine klassische Anlagestrategie verfolgen, wie bspw. der IIV Mikrofinanzfonds.

Grundsätzlich betrachten wir die SFDR und die daraus entstehenden Dialoge rund um das Thema Nachhaltigkeit als sehr positiv.
Brunno Maradei, Global Head of Responsible Investment, Aegon Asset Management
© Aegon Asset Management

Brunno Maradei, Global Head of Responsible Investment, Aegon Asset Management

Auch wenn die SFDR als funktionsfähig und wirkungsvoll angesehen werden kann, ist sie noch lange nicht vollständig umgesetzt. Wichtige Teile der Gesetzgebung - insbesondere die technischen Standards für die wichtigsten in der Gesetzgebung geforderten Offenlegungen - sind noch nicht fertiggestellt. Die Verknüpfung mit den Taxonomievorschriften, die ihrerseits noch nicht abgeschlossen sind, schafft weitere Unsicherheit, insbesondere in Bezug auf die Frage, welche Angaben für Produkte, die als Artikel 9 eingestuft sind, als akzeptabel gelten.

Das Ziel der Gesetzgebung - Sicherheit und Transparenz für Investoren in nachhaltige Finanzprodukte zu schaffen - ist ein wichtiges und lobenswertes Ziel. Bislang sehen wir jedoch kaum Anzeichen für Fortschritte bei der Erreichung dieses Ziels: Die Anleger bleiben so unsicher wie zuvor. Einige verpflichten sich, nur in Fonds nach Artikel 8 und 9 zu investieren, wobei sie diese Klassifizierungen als Qualitätssiegel betrachten, ohne ein vollständiges Verständnis der Standards zu haben, die diese Klassifizierungen darstellen und die bei weitem nicht eindeutig sind.
Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft
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Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement, KEPLER-FONDS Kapitalanlagegesellschaft

Wenn es nach sechs Monaten bereits ein Fazit geben kann, dann fällt dieses gemischt aus. Auf der Habenseite ist der Versuch zu verbuchen, Transparenz zu wesentlichen Themen der Nachhaltigkeit zu schaffen. Auf der Sollseite steht Mehreres. Zunächst fehlen eindeutigere Bestimmungen, was wie offen zu legen ist. Daneben fehlt in manchen Bereichen eine einheitliche Datenbasis. Hier gilt es, sowohl seitens der Unternehmen als auch der Regulatorik nach zu schärfen. Und nicht zuletzt fehlen noch wesentliche Teile der Taxonomie-Verordnung als Basis der SFDR. Ein guter Anfang ist gemacht, doch bewegen sich die Finanzmarktteilnehmer, die der SFDR unterliegen, auf unsicherem, weil nicht oder zu wenig definiertem Gebiet.
Rochus Appert, Head Of Sales, Intermediary, Central Europe, BMO Global Asset Management
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Rochus Appert, Head Of Sales, Intermediary, Central Europe, BMO Global Asset Management

Die SFDR zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit in den Finanzmärkten zu verankern und das Kapital effektiv zu lenken. Ziel ist es, die globalen Herausforderungen zu bewältigen denen wir gegenüberstehen, wobei der Schwerpunkt auf dem Klimawandel liegt. Die Verordnung ist im Gegensatz zu bisherigen Initiativen ein großer Erfolg, weil sie ein strengeres Nachdenken über Nachhaltigkeit erzwingt. Bislang haben wir gesehen, dass dies erhebliche Auswirkungen auf ESG-kategorisierte Strategien hatte. Wie z.B. der Rückgang der als ESG gemeldeten Vermögenswerte in Europa um 13 % (GSIA, 2021), was die Verwendung robusterer Definitionen belegt. Während die SFDR Verordnung sich auf die Auswirkungen konzentriert, sehen wir, dass in der Praxis Investitionen stärker in Aktien von Unternehmen driften, die bereits grün sind. Dies kann zwar indirekt die Kapitalkosten für nachhaltige Unternehmen senken, aber Artikel 9 schreibt nicht vor, dass neues Kapital zur Bewältigung globaler Herausforderungen eingesetzt werden muss, oder dass ein solides Engagement zur Änderung von Unternehmenspraktiken erforderlich ist. Dies könnte die Wirksamkeit der Verordnung schwächen.
Nima Pouyan, Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein, Invesco
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Nima Pouyan, Head Invesco ETF Switzerland & Liechtenstein, Invesco

Viele haben sicher erwartet, dass die SFDR-Initiative unzählige Antworten liefert, die Verordnung hat jedoch mehr Fragen aufgeworfen. Das ist nicht unbedingt schlecht, da die Debatte die Branche ins Gespräch bringt und letztlich mehr Klarheit für die Anleger schafft. Ein Schlüsselbereich ist die Definition subjektiver Begriffe wie Nachhaltigkeit. Die SFDR bietet eine Reihe sowohl weit gefasster (Artikel 8) als auch sehr spezifischer (Artikel 9). Definitionen für einige Bereiche der Nachhaltigkeit, erfasst aber bei weitem nicht alle ESG-Ziele für alle Anleger. Die SFDR ist nicht das Ende, sie ist nur ein guter Ausgangspunkt, der in die richtige Richtung führt.

Es wird wohl zu sehr darauf geachtet, ob ein Fonds das eine oder andere Kriterium erfüllt, anstatt sicherzustellen, dass seine Ziele eindeutig sind, damit die Anleger eine fundierte Einschätzung seiner Eignung vornehmen können. Ich glaube, dass weitere Leitlinien, insbesondere auf lokaler Ebene, für mehr Klarheit sorgen werden. Die Fondsbranche muss sicherstellen, dass die Ansichten eines Anlegers über verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Investieren genauso mit einem Fonds in Einklang gebracht werden können wie sein Fachwissen und seine Risikobereitschaft.
Maria Teresa Zappia, Deputy CEO und Chief Impact and Blended Finance Officer, BlueOrchard
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Maria Teresa Zappia, Deputy CEO und Chief Impact and Blended Finance Officer, BlueOrchard

Die Verordnung hat Berge versetzt, das steht fest. Anleger und Vermögensverwalter haben jetzt eine klarere Vorstellung davon, was die verschiedenen Marktsegmente bei der Suche nach alternativen Anlagemöglichkeiten sind. Inzwischen gibt es ein gemeinsames Verständnis davon, was ein Fonds nach Artikel 8 im Vergleich zu einem Fonds nach Artikel 9 ist. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Ausrichtung und Transparenz im nachhaltigen und Impact Investing zu erhöhen. Dennoch ist es für Impact-Investment-Manager wie BlueOrchard von entscheidender Bedeutung, über die einfachen regulatorischen Anforderungen hinauszugehen, um innovative und wirkungsvolle Anlagelösungen voranzutreiben und bei der Bereitstellung von Best-Practice-Beispielen mit angemessener Offenlegung und Transparenz weiterhin führend zu bleiben. Wir sind auch gespannt, wie die soziale Taxonomie integriert wird, da wir glauben, dass der Planet und Menschen zwei Seiten einer Medaille sind.
Walter Hatak, Head of Responsible Investments, Erste Asset Management
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Walter Hatak, Head of Responsible Investments, Erste Asset Management

Positiv ist zu sehen, dass durch SFDR sich ein jeder Fondsanbieter mit der Nachhaltigkeitsausrichtung seiner Fonds erstmalig auseinandersetzen musste und eine grobe Einordnung in Nachhaltigkeitsstandards stattfand. Damit ist allerdings erst ein erster kleiner Schritt getan, spannend wird der große zweite Schritt, wenn offengelegt werden muss, warum diese Einordnung durch die jeweilige Fondsgesellschaft erfolgte und sich dadurch offenbaren wird, wer es besonders ernst nimmt.
Will Oulton, Global Head of Responsible Investment, First Sentier Investors
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Will Oulton, Global Head of Responsible Investment, First Sentier Investors

Wir unterstützen die politischen Ziele der EU-Verordnung für nachhaltige Finanzen in Bezug auf den Klimawandel und die SDGs vollumfänglich. Wir begrüßen auch deren Zielsetzung, „Greenwashing“ zu verhindern und Investoren vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist die Umsetzung nur unzureichend ausgearbeitet worden.

Das klare Bekenntnis zur Erfüllung der politischen Ziele der EU durch die SFDR- und Taxonomie-Verordnung und die Konsistenz dieser Botschaft tragen dazu bei, die Branche davon zu überzeugen, dass die Verordnung ernsthafte und wichtige Absichten verfolgt.

Der Zeitplan für die Umsetzung der Stufe 2 war teilweise unübersichtlich. Die EU-Kommission hat nicht berücksichtigt, wie lange es dauert, die vielen erforderlichen Änderungen an der Dokumentation vorzunehmen. Diese werden oft durch rechtliche Anforderungen der nationalen Behörden vorgegeben. Die mangelnde Klarheit über die Anforderung von Artikel 8 der SFDR in Bezug auf die „Förderung von E- und S-Merkmalen“ war und ist nicht hilfreich.

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