dit-Industria: Warten auf die neue Derivate-Richtlinie

Der Industria des dit wurde bereits 1959 aufgelegt und gilt als Klassiker unter den Aktienfonds. e-fundresearch sprach mit dem verantwortlichen Fondsmanager Jörg de Vries-Hippen über die Performance im laufenden Jahr, das enge Anlageuniversum und die Probleme mit Hedgefonds. Funds |

Der Anlageschwerpunkt des Industria sind Aktien großer Unternehmen, die langfristig eine gute Ertragsentwicklung erwarten lassen. Konnten Anleger im Jahresvergleich noch eine Performance von mehr als 14 Prozent erzielen, liegt der Fonds in diesem Jahr unter seiner Benchmark MSCI Europe.

e-fundresearch/Frankfurt: Der Industria liegt in diesem Jahr drei Prozent unter seiner Benchmark. Wo liegen die Gründe?

Benchmark MSCI Europe als zentrale Herausforderung
 
de Vries-Hippen: Genau wie meine Konkurrenten muss ich dieses Jahr hart um die Performance kämpfen, da sich der Markt völlig anders entwickelt als im vergangenen Jahr. Das zentrale Problem ist die Benchmark. Ich halte die Benchmark MSCI Europe für die größte Herausforderung, der sich ein Fondsmanager stellen kann. Um die Ideen des MSCI Europe umzusetzen, muss ich Aktien kaufen, die für einen Fonds dieser Kategorie aufgrund ihrer Marktkapitalisierung eigentlich nicht greifbar sind. Wir werden also immer Aktien haben, die zu klein für uns sind, aber die Performance beeinflussen. Weiterhin ist durch den Schwerpunkt Europa das Anlageuniversum stark begrenzt. Im Gegensatz zu einem Fonds, der sich am MSCI Global orientiert, kann ich meine Anlage- und  Allokationsentscheidungen nicht innerhalb von Regionen fällen, da sich die Wirtschaftsräume in Europa relativ gleich entwickeln.
 
Britische Anleger in Aktien überinvestiert

e-fundresearch/Frankfurt: Welches Problem sehen Sie im britischen Markt?

de Vries-Hippen: Der britische Markt hat das zentrale Problem, dass die Anleger derzeit in Aktien überinvestiert sind. Ich nenne als Beispiel die Pensionssparpläne einzelner privater Investoren, aber auch die Pensionskassen der Unternehmen. So wechselten viele Investoren von Aktien in die überbewertete Assetklasse Bonds, umgekehrt zur Entwicklung im Jahr 2000. Allerdings kann ein Fonds mit einem hohen Anlagevolumen wie der Industria Großbritannien auch nicht unberücksichtigt lassen, weil dann auf der Währungsseite Probleme entstehen. Im Vergleich zum Index bin ich im Pfund drei Prozent untergewichtet. Ich sehe mein Risiko daher in der Währung und warte auf die neue Derivate-Richtlinie im deutschen Investmentrecht, mit der ich zwar nicht die Aktien halten muss, aber aktive Währungspositionen eingehen und Währungsgewinne für den Fonds generieren könnte.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Das heißt, Sie versuchen Ihren Anlagespielraum zu erweitern?
 
de Vries-Hippen: Ja. Wenn es gelingt, das Währungsrisiko in den Griff zu bekommen, kann ich auch den Tracking Error besser steuern. Dies gelingt nicht mit der Untergewichtung bestimmter Währungsräume. Wer zum Beispiel England untergewichtet, hat ein großes Risiko, weil er dann den Währungsraum nicht hat. Wenn aber die Währung die gleiche ist, kann ich mich ausschließlich auf die Aktien konzentrieren und viel besser diversifizieren. Ich gehe somit die Risiken gezielter ein.

e-fundresearch/Frankfurt: Was sind die größten Positionen des Fonds und warum?

BP und TotalFina als Favoriten

de Vries-Hippen: Ölwerte sind derzeit klar übergewichtet, darunter halte ich BP und TotalFina als größte Einzelwerte. Bei TotalFina haben wir beispielsweise einen Wert, der innerhalb des Ölsektors sehr günstig bewertet ist und ein größeres Gewinnwachstum bringt.
 
Eine entscheidende Messgröße ist hierbei die Reserve Replacement Rate. Die Reserve Replacement Rate drückt aus, wie viel mehr Sie an Öl wiederfinden als Sie verkauft haben, sodass die Gesamtmenge an Reserven nicht kleiner wird. TotalFina habe ich deshalb im Portfolio, weil das Unternehmen seine Rate mit 150 Prozent auf einem hohen Level halten kann. Royal Dutch/Shell liegt hier nur bei 69 Prozent. Die Firma produziert jedes Jahr viel mehr Öl als sie wiederfindet, sodass sich der Wert des Unternehmens reduziert. Royal Dutch/Shell wird dies nur dann in den Griff bekommen, wenn das Investitionsvolumen wieder erhöht wird. Ölfelder haben heute eine kürzere Lebensdauer als ursprünglich angenommen und die Erschließung neuer Felder gestaltet sich eher schwierig.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Aktien aus?
 
de Vries-Hippen: Bei Ölaktien schaue ich auf die relative Bewertung, das Gewinnwachstum und die Reserve Replacement Rate. Ganz allgemeine Größen für die anderen Sektoren sind der Nettogewinn und das KGV sowie der Free Cashflow. Der Free Cashflow ist die einzige Größe, die wirklich für Investitionen zur Verfügung steht. Weniger wichtig ist für mich die Zahlung von Dividenden. Entscheidend ist, was unter dem Strich übrig bleibt und wieder investiert werden kann.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Welche Rolle spielt das richtige Market-Timing bei Ihrem Investmentansatz?
 
Revision der Gewinne hält Bewertungen im Ölsektor niedrig

de Vries-Hippen: Der größte Fehler ist, Entwicklungen von heute in die Zukunft fortzuschreiben. Was heute gut war, muss morgen nicht auch noch gut sein. Der Mut zum Verkaufen gehört also unbedingt dazu. Der Ölsektor ist hier ein sehr gutes Beispiel. Wir sind im Moment bei mehr als 40 Dollar für die Tonne Brent Nordseeöl, dies ist ein enorm hoher Preis. Strategisch gesehen sind wir wahrscheinlich für die nächsten 30 Monate in einer Situation, wo nicht genügend Öl produziert wird. Die Schätzungen der meisten Analysten liegen aber eher bei 25 Dollar und nicht bei 30 bis 33 Dollar. Wir werden also eine kräftige Revision der Gewinne für die nächsten Jahre sehen. Das hält die Bewertung des Ölsektors niedrig. Bezogen auf die Nachfrage-/Angebotsseite lohnt es sich somit noch, Ölwerte überzugewichten.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Wie sieht die Situation bei den Finanzdienstleistern aus, mit mehr als 27 Prozent die größte Position im Fonds?

Gute Kaufgelegenheiten im Bankensektor

de Vries-Hippen: Finanzdienstleister stellen die größte Branche im Industria, weil sie auch im MSCI Europe mit 29 Prozent am höchsten gewichtet sind. Das heimische Business der Banken läuft hervorragend. Zu meinen Favoriten zählen derzeit UBS, Credit Suisse und ING, in Deutschland Commerzbank, Depfa und HypoVereinsbank. Ich halte den Bankensektor derzeit für günstig bewertet, auch wenn Banken und Versicherungen im letzten halben Jahr die totalen Underperformer waren.

e-fundresearch/Frankfurt: Wie sehen Sie die Entwicklungen bei den Banken vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage in Deutschland?
 
de Vries-Hippen: Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist sehr viel besser als die Stimmung der Leute auf der Straße. Tatsache ist, dass die deutsche Wirtschaft jährlich mit 1,5 bis 2,0 Prozent wächst. Wenn wir den Weg so weitergehen, werden wir auch im nächsten Jahr wachsen. Wir befinden uns in Deutschland in einem ganz normalen 10-jährigen Zyklus, wo wir die High- und Boomjahre und die Rezession hinter uns gelassen haben. Die Ausrüstungsinvestitionen laufen hervorragend, nur der Konsument muss wieder optimistischer werden. Die Bürger werden erst dann wieder Vertrauen fassen und in die Geschäfte laufen, wenn die Erwartungen über das zukünftige Einkommen ansteigen. Im Moment sind diese noch negativ. Für Banken ist das allerdings hervorragend, weil die Sparquote ansteigt. Das führt dazu, dass die Banken derzeit in der komfortablen Situation sind, sich ihr Geschäft aussuchen zu können.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Wie sind Sie gegenüber Versicherungstiteln eingestellt?
 
Raus aus Versicherungen – rein in die Bankentitel

de Vries-Hippen: Bei Versicherungen bin ich derzeit noch übergewichtet. Allerdings werde ich deutlich reduzieren, weil Versicherungen derzeit zu 60 Prozent in Bonds investiert sind. Die Versicherungen begehen somit den gleichen Fehler wie vormals bei den Aktien. Meine Devise lautet daher, raus aus Versicherungen und rein in die Banken.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Was ist das messbare Anlageziel des Industria?

Hedgefonds konterkarieren Fundamentalresearch 
 
de Vries-Hippen: Das messbare Anlageziel ist natürlich, die Benchmark zu schlagen. Dieses Ziel habe ich in diesem Jahr klar verfehlt. Wir sind im Moment in einer Situation, wo fundamentales Research nicht bezahlt wird. Zwar haben wir ein brillantes Fundamentalresearch im Haus, allerdings kann ich damit keine Outperformance erzielen, weil wir uns durch andere Teilnehmer wie Hedgefonds den Markt kaputtgemacht haben.

e-fundresearch/Frankfurt: Haben Sie ein konkretes Beispiel?

de Vries-Hippen: Das beste Beispiel ist hier Altana, ein großer Wert im Industria. Das Unternehmen ist im Pharmasektor hervorragend aufgestellt und hat eine aussichtsreiche Produktpipeline. Jetzt kommt die triviale Nachricht, dass Altana bei einem der neuen Produkte sechs Monate im Zeitplan hinterher ist. Also nehmen sich die Hedgefonds diesen Wert vor und spekulieren auf einen Verkauf in den großen Fonds. So gehen sie short und leihen sich bei uns die Aktien in der Hoffnung, dass wir die Nerven verlieren. Bei diesem kurzfristigen Horizont kann ich nicht mitspielen, auch wenn die Aktie inzwischen 20 Prozent gefallen ist.
 
e-fundresearch/Frankfurt: Vielen Dank für das Gespräch!



Über die Person:

Jörg de Vries-Hippen trat 1993 als Portfoliomanager in den Deutschen Investment Trust ein. Er besitzt einen Abschluss als Diplom-Kaufmann der Universität Mannheim und ist seit 1997 DVFA-Analyst.


Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.

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