Offene Immobilienfonds missbraucht

Offene Immobilienfonds wurden in Deutschland in den letzten Jahren regelrecht mit Geld überschüttet. Oft wurden dabei ansehnliche Rabatte auf die hohen Ausgabeaufschläge gewährt. Die Vermutung, dass die Produkte als Ersatz für Geldmarktfonds missbraucht wurden liegt deshalb nahe, meint Chefredakteur Ali Masarwah. Funds | 19.11.2004 17:25 Uhr
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Die Presseerklärung von vier großen Immobilienfonds-Anbietern am 10. November hatte es in sich: Commerz Grundbesitz, DEGI, Deka Immobilien Investment und Difa, die knapp 70 Prozent des gesamten Markt abdecken, verkündeten eine Transparenz-Initiative für ihre offenen Immobilienfonds. Die Rechenschaftsberichte der Fonds werden zukünftig Anlegern und Ratingagenturen umfassende Auskünfte über die Ergebnisse der einzelnen Liegenschaften, Vermietungsquoten, Mietlaufzeiten, Objektrenditen und Nutzungsarten geben. Darüber hinaus sollen die Positionen in Fremdwährungen sowie die Ergebnisse von Anlagen in Objektgesellschaften separat ausgewiesen werden. Damit erfüllt die bisher wenig transparente Branche wesentliche Forderungen, die von Analysten seit Jahren gefordert werden. „Der Damm ist endgültig gebrochen“, lautet der optimistische Kommentar von Stefan Loipfinger, unabhängiger Analyst und langjähriger Kritiker der Branche. Unumstritten ist, dass sich nach den Marktführern auch die anderen Akteure zwangsläufig öffnen werden. Hier geht es nicht um das „Ob“, sondern um das „Wann“.

Was war passiert?

Dass sich die Anbieter zu diesem Befreiungsschlag entschlossen haben, liegt an den rasanten Umwälzungen in der Branche, die in diesem Jahr das Vertrauen der Anleger erschüttert haben. Anfang September wurde einer der vier Geschäftsführer des Marktführers Deka Immobilien wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit entlassen. Wenige Wochen später geriet der Deka ImmobilienFonds wegen der massiven Rückgabe von Anteilsscheinen in eine Liquiditätskrise. Um den Fonds vor der Schließung zu bewahren, entschloss sich die Konzernmutter, die Deka Bank, unbegrenzt Anteile in die eigenen Bücher zu nehmen. Inzwischen müssen auch andere Gesellschaften verstärkt mit Mittelabflüssen kämpfen.

Volumenszuflüsse rächen sich

Die tiefere Ursache dieser Krise liegt in der enttäuschenden Performance der meisten offenen Immobilienfonds in den vergangenen zwei Jahren. Lag die durchschnittliche Wertentwicklung der Fonds im Jahr 2002 noch bei ansehnlichen fünf Prozent, waren es im vergangenen Jahr etwas über drei Prozent. 2004 wird im Schnitt voraussichtlich nur noch eine zwei vor dem Komma stehen. Insbesondere in diesem Jahr rächt sich das ungezügelte Anwerben von Investoren, die von der Aktienbaisse abgeschreckt wurden. Offene Immobilienfonds wurden – nicht zuletzt durch das aktive Vorgehen des Bankenvertriebs – regelrecht mit Geld überschüttet. Oft wurden dabei ansehnliche Rabatte auf die hohen Ausgabeaufschläge gewährt, sodass die Vermutung zulässig ist, dass die Produkte als Ersatz für Geldmarktfonds missbraucht wurden.

Die Krise am Markt für gewerbliche Immobilien hat jedoch sinkende Mieten und steigende Leerstandsquoten zur Folge. Allein im ersten Halbjahr wurden die Liegenschaften in den Fonds um knapp 800 Millionen Euro abgewertet, der Großteil betraf dabei deutsche Objekte. Seit Anfang 2002 wurden laut einer Umfrage des Investmentverbands BVI bei den deutschen Immobilien Abwertungen von über 2,2 Milliarden Euro vorgenommen. Deutlich besser sieht dagegen die Bilanz bei den ausländischen Liegenschaften aus, bei denen per Saldo eine Aufwertung unter dem Strich stehen und die deutlich bessere Performancebeiträge in den Fonds liefern.

Fazit

Derzeit kann die Branche nur hoffen, dass sie mit der deutlich verbesserten Transparenz möglichst bald das Vertrauen der Anleger wiederherstellen kann. Dann wäre sie mit dem Schrecken davon gekommen, und weitergehender Schaden wäre vermieden. Die Chancen für eine mittelfristige Erholung stehen gut, denn auch die größten Kritiker der Branche stellen nicht den Sinn der Asset Klasse als solche in Frage. Offene Immobilienfonds sind als Teil einer ausgewogenen Asset Allocation nicht aus den Anlegerportfolios wegzudenken. Eingedämmt werden muss freilich der ungezügelte Vertrieb dieser Produkte wie es in der Vergangenheit praktiziert wurde. Darüber hinaus wird eine stärkere Konturierung der einzelnen Produkte auf der Tagesordnung stehen. Konservativere Produkte mit Euroland-Schwerpunkt werden dann von international ausgerichteten Fonds oder solchen mit höheren Fremdkapitalquoten ergänzt. Alles ganz transparent im Sinne der Anleger. 



Ali Masarwah ist Chefredakteur von portfolio international, e-mail: [email protected]


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