Die Europäische Kommission hat mit ihrer neuen Strategie zur „Spar- und Investmentunion“ ein klares Ziel formuliert: Europas Kapitalmärkte sollen effizienter, wettbewerbsfähiger und attraktiver für langfristige Investitionen werden. Mobilisierung privater Ersparnisse, grenzüberschreitende Kapitalflüsse, mehr strategische Investitionen in Digitalisierung, Sicherheit und Klimaschutz – all das steht auf der Agenda.
Doch was bedeutet das für die Fonds- und Asset-Management-Industrie? Welche Chancen eröffnen sich – und wo liegen mögliche Hürden?
In der aktuellen Ausgabe von e-fundresearch.com #Nachgefragt geben führende Marktteilnehmer aus der DACH-Region ihre Einschätzung zur neuen Kapitalmarktinitiative der EU. Die Antworten im Überblick:

Sebastian Külps, Head of B2B Germany and Northern Europe, Vanguard
Das stärkt nicht nur die private Vermögensbildung, sondern auch die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft. Eine zentrale Chance liegt in der stärkeren Integration von Kapitalmarktinfrastrukturen – etwa durch einheitliche Standards für Handel, Abwicklung und Transparenz. Dadurch könnte ein echter europäischer Kapitalbinnenmarkt entstehen. Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen den Ländern der EU in Bezug auf nationale Steuersysteme, Regulierung und Finanzkultur nach wie vor große Hürden.
Entscheidend wird sein, dass Mitgliedstaaten erfolgreiche Modelle – wie den französischen PER oder skandinavische Rentenlösungen – adaptieren und konsequent umsetzen. Gelingt dies, kann Europa als Investment-Hub international wettbewerbsfähiger, attraktiver und unabhängiger werden.

Robert Schramm-Fuchs, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
Günstige Besteuerung gilt als der einfachste Weg, um Aktieninvestitionen zu fördern. Diese Initiative entspricht in ihrer Größe in etwa der Initiative der Europäischen Kommission zum Verbriefungsmarkt. Allerdings gibt es keine einheitliche Regulierungsbehörde, und die EU hat keine direkte Befugnis über die Steuersysteme der Mitgliedstaaten. Daher dürfte die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten lediglich Empfehlungen geben. Führende EU-Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich dürften als Vorreiter agieren.

Michael Klimek, Geschäftsführer, Dolphinvest Capital
Das wirtschaftspolitische Interesse muss sein, ausschließlich in die EU zu investieren. Das erst macht einen geeinten EU-Kapitalmarkt zu einer Macht, die sich perspektivisch mit dem US-Kapitalmarkt messen kann. Wohl auf Druck der Asset-Management-Branche verwässerte die EU-Kommission aber diese Anforderung, indem sie Vehikel wie z. B. den ELTIF für Investitionen in Nicht-EU-Ländern und in Börsenwerten öffnete.
Der eigentliche Erfolgsfaktor wird ein Steuerprivileg sein, wie es z. B. die USA mit der 401(k)-Gesetzgebung einführten. Ohne ähnlich attraktiven Steuervorteil in der EU wird der Erfolg ausbleiben, der dem gleicht, von dem der US-Kapitalmarkt seit 50 Jahren profitiert. Auf eine in der EU einheitliche steuerliche Behandlung hat man sich im Falle des ELTIF bis heute nicht einigen können.
Lichtblick? Das gewachsene Bedürfnisse nach Stärkung der EU in einer neuen geopolitischen Ordnung könnte der Katalysator werden, um die SIU zur Erfolgsstory zu machen.

Dr. Wolfgang Baums, Bereichsvorstand Investment Office, FERI AG

Mathias Stenders, Senior Operations Manager, Petiole Asset Management
Die Umsetzung der SIU ist noch unklar, zentrale Ziele sind die Reduzierung der Bankenabhängigkeit, eine stärkere Beteiligung privater Anleger – auch an privaten und illiquiden Märkten –, der Abbau regulatorischer Hürden für EU grenzüberschreitende Investitionen und die Unterstützung der grünen und digitalen Transformation.
Fondsgesellschaften könnten von geringeren regulatorischen Hürden sowie einer Erweiterung des ELTIF-Rahmens profitieren, wodurch alternative Anlagen für Privatanleger zugänglicher werden. Strengere ESG- und Anlegerschutzvorgaben könnten jedoch die Compliance-Kosten erhöhen und kleinere Anbieter vom Markt verdrängen.
Der Erfolg der SIU hängt von der Umsetzung ab. Während die EU mit der UCITS und AIFMD starke Finanzrahmen geschaffen hat, könnte ihr Top-down-Ansatz die Marktflexibilität einschränken.
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