Umfrage | Kapitalmarktunion 2.0: Neue Dynamik für Europas Finanzmärkte?

Die EU-Kommission will Europas Kapitalmärkte vertiefen, Ersparnisse mobilisieren und Investitionen gezielt fördern. Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben? In der aktuellen Ausgabe von #Nachgefragt haben wir Asset Manager und Kapitalmarktprofis um ihre Einschätzungen gebeten – die Antworten finden Sie hier. Funds | 28.03.2025 10:45 Uhr

Die Europäische Kommission hat mit ihrer neuen Strategie zur „Spar- und Investmentunion“ ein klares Ziel formuliert: Europas Kapitalmärkte sollen effizienter, wettbewerbsfähiger und attraktiver für langfristige Investitionen werden. Mobilisierung privater Ersparnisse, grenzüberschreitende Kapitalflüsse, mehr strategische Investitionen in Digitalisierung, Sicherheit und Klimaschutz – all das steht auf der Agenda.

Doch was bedeutet das für die Fonds- und Asset-Management-Industrie? Welche Chancen eröffnen sich – und wo liegen mögliche Hürden?

In der aktuellen Ausgabe von e-fundresearch.com #Nachgefragt geben führende Marktteilnehmer aus der DACH-Region ihre Einschätzung zur neuen Kapitalmarktinitiative der EU. Die Antworten im Überblick:

Sebastian Külps, Head of B2B Germany and Northern Europe, Vanguard
© Vanguard

Sebastian Külps, Head of B2B Germany and Northern Europe, Vanguard

Die Pläne der EU-Kommission zur Spar- und Investitionsunion sind aus unserer Sicht ein wichtiger und richtiger Schritt. Sie setzen auf konkrete und umsetzbare Maßnahmen: steuerliche Anreize für langfristiges Sparen, den Ausbau kapitalgedeckter Altersvorsorge sowie bessere Finanzierungsbedingungen für Start-ups und Wachstumsunternehmen.

Das stärkt nicht nur die private Vermögensbildung, sondern auch die Innovationskraft der europäischen Wirtschaft. Eine zentrale Chance liegt in der stärkeren Integration von Kapitalmarktinfrastrukturen – etwa durch einheitliche Standards für Handel, Abwicklung und Transparenz. Dadurch könnte ein echter europäischer Kapitalbinnenmarkt entstehen. Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen den Ländern der EU in Bezug auf nationale Steuersysteme, Regulierung und Finanzkultur nach wie vor große Hürden.

Entscheidend wird sein, dass Mitgliedstaaten erfolgreiche Modelle – wie den französischen PER oder skandinavische Rentenlösungen – adaptieren und konsequent umsetzen. Gelingt dies, kann Europa als Investment-Hub international wettbewerbsfähiger, attraktiver und unabhängiger werden.
Robert Schramm-Fuchs, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors
© Janus Henderson Investors

Robert Schramm-Fuchs, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors

Die EU verfügt über einen enormen privaten Sparüberschuss (die Sparquote ist hier fast viermal so hoch wie in den USA), der zur Reprivatisierung der Wirtschaft genutzt werden kann. Diese Ersparnisse fließen derzeit größtenteils in renditeschwache Anlagen (z. B. Bankkonten und Bargeldreserven) oder werden im Ausland investiert. Die Lösung der Europäischen Kommission: Überschüssige Ersparnisse europäischer Haushalte in Anlageprodukte lenken, die den Investitionsbedarf europäischer Unternehmen finanzieren. Somit sollen diese Ersparnisse produktiv eingesetzt werden und gleichzeitig höhere Renditen für Sparer erzielen.

Günstige Besteuerung gilt als der einfachste Weg, um Aktieninvestitionen zu fördern. Diese Initiative entspricht in ihrer Größe in etwa der Initiative der Europäischen Kommission zum Verbriefungsmarkt. Allerdings gibt es keine einheitliche Regulierungsbehörde, und die EU hat keine direkte Befugnis über die Steuersysteme der Mitgliedstaaten. Daher dürfte die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten lediglich Empfehlungen geben. Führende EU-Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich dürften als Vorreiter agieren.
Michael Klimek, Geschäftsführer, Dolphinvest Capital
© Dolphinvest Capital

Michael Klimek, Geschäftsführer, Dolphinvest Capital

Die SIU kann enorme Dynamik für das Geschäft der Asset-Management-Branche auslösen – vorausgesetzt, aus politischen Absichten wird gesetzgeberische Realität. Die Erfahrung mit der KMU lehrt, dass das keineswegs zwingend ist.

Das wirtschaftspolitische Interesse muss sein, ausschließlich in die EU zu investieren. Das erst macht einen geeinten EU-Kapitalmarkt zu einer Macht, die sich perspektivisch mit dem US-Kapitalmarkt messen kann. Wohl auf Druck der Asset-Management-Branche verwässerte die EU-Kommission aber diese Anforderung, indem sie Vehikel wie z. B. den ELTIF für Investitionen in Nicht-EU-Ländern und in Börsenwerten öffnete.

Der eigentliche Erfolgsfaktor wird ein Steuerprivileg sein, wie es z. B. die USA mit der 401(k)-Gesetzgebung einführten. Ohne ähnlich attraktiven Steuervorteil in der EU wird der Erfolg ausbleiben, der dem gleicht, von dem der US-Kapitalmarkt seit 50 Jahren profitiert. Auf eine in der EU einheitliche steuerliche Behandlung hat man sich im Falle des ELTIF bis heute nicht einigen können.

Lichtblick? Das gewachsene Bedürfnisse nach Stärkung der EU in einer neuen geopolitischen Ordnung könnte der Katalysator werden, um die SIU zur Erfolgsstory zu machen.
Dr. Wolfgang Baums, Bereichsvorstand Investment Office, FERI AG
© FERI AG

Dr. Wolfgang Baums, Bereichsvorstand Investment Office, FERI AG

Die EU-Kommission hat kürzlich ihre Strategie für eine Spar- und Investitionsunion vorgestellt. Sie zielt darauf ab, die europäischen Kapitalmärkte zu stärken und private Ersparnisse effizienter in strategische Investitionen zu lenken. Anleger sollen u.a. über steuerliche Anreize die Möglichkeit erhalten, leichter in renditestärkere Finanzinstrumente zu investieren. Investitionen in kritische Sektoren zur Adressierung gesellschaftspolitischer Herausforderungen sollen gefördert und regulatorische Hindernisse abgebaut werden. Aus Sicht der Fonds- und Asset-Management-Industrie ist dies begrüßenswert, um die Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten an renditestarken Anlagen zu ermöglichen, Investitionen zu fördern, und Wachstum und Arbeitsplätze zu sichern. Die Chancen liegen in einer stärkeren Demokratisierung von Aktien und alternativen Investments (u.a. Private Equity, Infrastruktur) und darin, Kapital für kleine Unternehmen leichter zugänglich zu machen. Hürden bestehen in politischer und regulatorischer Hinsicht und in strukturellen Integrationshindernissen (steuerliche Unterschiede, Umsetzung von EU-Regeln durch nationale Aufsichtsbehörden etc.).
Mathias Stenders, Senior Operations Manager, Petiole Asset Management
© Petiole AM

Mathias Stenders, Senior Operations Manager, Petiole Asset Management

Die EU Savings and Investment Union (SIU) zielt darauf ab, die europäischen Kapitalmärkte weiter zu vertiefen und zu integrieren. Der Regulator hat erkannt, dass die EU Kapitalmärkte hinter Märkten wie die USA zurückliegt (US Firmen machen 70% des MSCI World Index nach Marktkapitalisierung aus). Die Differenz geht auf strukturelle sowie historische Faktoren zurück.
Die Umsetzung der SIU ist noch unklar, zentrale Ziele sind die Reduzierung der Bankenabhängigkeit, eine stärkere Beteiligung privater Anleger – auch an privaten und illiquiden Märkten –, der Abbau regulatorischer Hürden für EU grenzüberschreitende Investitionen und die Unterstützung der grünen und digitalen Transformation.
Fondsgesellschaften könnten von geringeren regulatorischen Hürden sowie einer Erweiterung des ELTIF-Rahmens profitieren, wodurch alternative Anlagen für Privatanleger zugänglicher werden. Strengere ESG- und Anlegerschutzvorgaben könnten jedoch die Compliance-Kosten erhöhen und kleinere Anbieter vom Markt verdrängen.
Der Erfolg der SIU hängt von der Umsetzung ab. Während die EU mit der UCITS und AIFMD starke Finanzrahmen geschaffen hat, könnte ihr Top-down-Ansatz die Marktflexibilität einschränken.

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