Deutschland: Politische Börse mit kurzen Beinen?

Nach der Ankündigung von Neuwahlen richtet sich die Aufmerksamkeit wieder stärker auf die Frankfurter Börse. Sind deutsche Aktien jetzt ein klarer Kauf oder haben politische Börsen einfach nur kurze Beine? e-fundresearch fragte Heidrun Heutzenröder (ADIG Fondak) und Felix Meier (CS EF Small Cap Germany). Funds | 31.05.2005 09:48 Uhr
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e-fundresearch: Welche Auswirkungen auf den deutschen Aktienmarkt erwarten Sie sich von der Ankündigung der Regierung Schröder von Neuwahlen?

Felix Meier: Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine. Ich erwarte erst eine positive Entwicklung, falls wichtige Reformen hart durchgezogen werden. Ob wir da einen härteren Kurs von Schwarz Gelb erwarten können bleibt fraglich aber wünschenswert. Zudem kommt es aus Zeitgründen wahrscheinlich zu Verzögerungen bei einigen geplanten Gesetzen. Auf jeden Fall sind die Neuwahlen eine Chance für klare politische Mehrheiten und weitergehende Reformen.

Heidrun Heutzenröder: Die Auswirkungen sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Ein erwarteter Regierungswechsel im September sollte der deutsche Aktienmarkt sukzessive antizipieren (letzte Umfrage 45% CDU / 29% SPD). Historisch gesehen hat der Aktienmarkt nach einem Machtwechsel ins bürgerliche christliche Lager mit besseren Performancezahlen reagiert. Dies war sehr eindrucksvoll 1982 zu sehen. Nicht zu vernachlässigen ist die Aufmerksamkeit, die der bis dato wenig beachtete DAX nun vom In- und Ausland erhalten sollte.

Die fundamentalen Verbesserungen deutscher Unternehmen der letzten Jahre durch Restrukturierungsprogramme, Cost-Cutting-Programme, Verlagerungen von teuren Produktionsteilen nach Osteuropa und Asien, hat deutsche Unternehmen wieder zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Pricing Power im internationalen Vergleich, verholfen. Gute Gewinnentwicklungen mit erhöhten Dividendenausschüttungen, trotz verhaltenem Wirtschaftwachstum, waren in der jüngsten Vergangenheit die Folge. Durch einen Regierungswechsel bedingte wahrscheinliche Beschleunigung der zögerlich begonnenen Reformen im Sozialversicherungsbereich und im Steuersektor. Der deutsche Aktienmarkt sollte nicht nur von inländischen Marktteilnehmern sondern auch von ausländischen Investoren wieder mehr wahrgenommen werden und an Bedeutung gewinnen.

e-fundresearch: Welche Sektoren bzw. Einzeltitel würden von einem Regierungswechsel am Meisten profitieren, welche am Meisten darunter leiden?

Felix Meier: Profitieren würden die grossen Versorgeraktien (Atomstrom) und Aktien mit hoher inländischer Wertschöpfung und Steuerquote durch die geplante Unternehmenssteuersenkung. Falls das Erneuerbare Energiengesetz verändert würde, würden Solar- und Windenergieaktien leiden.

Heidrun Heutzenröder: Durch mögliche weitere unternehmenssteuerliche Erleichterungen sollten vor allem Unternehmen im Investitionsgüterbereich und Gesellschaften mit hoher inländischer Steuerbasis profitieren; beispielsweise Rheinmetall, IWKA oder die deutschen Versorger und Autohersteller (exkl. Daimler) und Conti, sowie Deutsche Post , Dt. Telekom und SAP.

Kritisch dagegen sind  deutsche  Konsumwerte zu sehen, wenn es zur befürchteten Anhebung der Mehrwertsteuer kommen sollte, um die Unternehmenssteuererleichterungen zu finanzieren. Das würde dem deutschen Konsumverhalten sicherlich nicht guttun. Weitere Profiteure könnte der Immobilienbereich sein (IVG z.B.), wenn die Genehmigung der Reits für den deutschen Kapitalmarkt beschleunigt und durchgezogen werden würde. Näher ist noch einmal auf die Versorgerbranche einzugehen, da bei einem Machtwechsel die bestehenden Kernkraftwerke weiterlaufen könnten. Laut einem Interview mit Frau Merkel sind sogar noch länger laufende  Laufzeiten der KKW’s  möglich, als die bisher in Deutschland zulässige Gesamtlaufzeit von 45 Jahren. Frau Merkel würde die Entscheidung darüber den Verssorgungsunternehmen selbst überlassen. Der faire Wert der Aktien  bei einer Gesamtbetriebszeit von 45 Jahren würde sich bei Eon um 7,-€ erhöhen; bei RWE ca. um 6,€. Desweiteren könnten geplante Substitutionsinvestitionen (z.B. Gasturbinenkraftwerke) zurückgefahren werden. Ebenso könnten Aktionäre aus den Auflösungen der Kernkraftwerksrückstellungen profitieren, in welchem Umfang sie auch immer stattfinden (Rückstellungen dafür bei EON ca. 13 Mrd .€ und bei RWE 9 Mrd. €). Die anfängliche Schwäche der erneuerbaren Energie-Unternehmen am ersten Handelstag nach Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen, dürften sich m.E. wieder relativieren, da auch insbesondere ausländische Nachfrager dieser Technologien nicht wegbrechen werden und mittel-/langfristig gesehen auch in Deutschland an Alternativenergie nicht vorbeigegangen werden kann. Selbst wenn die zukünftige Subventionierung nun unsicher ist. Einzugehen wäre auch wiederholt auf Dt. Post und Dt. Telekom., da eine eventuell schnellere Deregulierung (z.B. vorgezogene Aufhebung des Postmonopols) die Unternehmen belasten könnte.  Ebenso stehen bei beiden Unternehmen weitere Aktienplatzierungen an, die nun ebenso zügiger durchgezogen werden könnten. Allerdings ist dies mittelfristig für den Aktienmarkt eher positiv zu sehen, da der Druck durch den Aktienüberhang dann abgebaut wäre. Ein flexiblerer Arbeitsmarkt und eine damit einhergehende Erholung des deutschen Mittelstandes, davon sollten deutsche ‚Mittelstandsbanken‘ wie IKB und Commerzbank profitieren. Der Biotechnologiesektor könnte durch mögliche Erleichterungen bei Forschungsprojekten, ebenso zu den Gewinnern zählen. Unklar ist die Behandlung der quasi Steuerbefreiung (z.Z. 5%) auf Beteiligungsverkäufe. Eine mögliche Erhöhung dieser Steuer könnte z.B. Linde und MAN betreffen.

e-fundresearch:  Planen Sie in Ihrem Portfolio aufgrund der aktuellen Entwicklungen Adaptierungen? Wenn ja, welche?

Felix Meier: Interessanter werden Unternehmen mit hoher Steuerquote in Deutschland. Versorger haben wir nicht im Small Cap Fund, da sie zu gross sind.

Heidrun Heutzenröder: Die Auswirkungen auf den ADIG Fondak sollten durch einen möglichen Regierungswechsel im Herbst überwiegend positiv sein, da der gesamte deutsche Aktienmarkt daran gewinnen sollte. Die Gewichtungen in Versorgerwerten, Investitionsgütertitel, IVG und Banken ist relativ hoch, so daß mögliche Outperformer der beschriebenen Branchen dem Fonds zu zusätzlichen Gewinnen verhelfen dürften.

e-fundresearch: Das deutsche BIP wuchs im 1. Quartal 2005 annualisiert um 4,1 Prozent und damit schneller als die USA (3,1 Prozent) oder die Euro-Zone (2 Prozent). Auf Sicht der letzten 12 Monate liegt der MSCI Europe aber immer noch klar vor dem DAX. Wann zieht die Stimmung der Investoren nach?

Felix Meier: Das Wachstum kam vor allem aus dem Export. Die Inlandsnachfrage war weiterhin sehr schwach. Die Stimmung der Investoren wird erst deutlich drehen, wenn auch die Inlandsnachfrage wieder anzieht. Dafür sind konsequente Reformen notwendig, um mittelfristig den Menschen die Zukunftsangst zu nehmen.

Heidrun Heutzenröder: Die bei einem Regierungswechsel erwartete beschleunigte Auflösung des Reformstaus und die generell unternehmensfreundlichere Politik sollte branchenübergreifend überwiegend positiv auf den deutschen Aktienmarkt ausstrahlen.

e-fundresearch: Wie lautet Ihr Ausblick für den deutschen Aktienmarkt (DAX und MDAX/SDAX) auf Sicht der nächsten 3-5 Jahre absolut bzw. relativ zu westeuropäischen Titeln?

Felix Meier: Der Markt ist mit einem P/E06 von 11,5 für den DAX bzw. 12.5 für den M-Dax  moderat bewertet.  Wir gehen dieses Jahr von einem geringen Wirtschaftswachstum aus. Solange es hier keinen unerwartet grösseren Einbruch gibt, dann sollte sich der Aktienmarkt gut entwickeln. Deutsche Aktien sind etwas zyklischer als andere europäische Märkte.

Für den deutschen Markt spricht die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, da die Lohnstückkosten sich in den letzten Jahren deutlich verbessert haben und einige Reformen und Restrukturierungen eingeleitet wurden. Zudem ist die Bewertung des deutschen Marktes tiefer als die des europäischen Marktes. Daher sollte sich der deutsche Markt mittelfristig besser entwickeln.

Heidrun Heutzenröder: Der deutsche Aktienmarkt ist weiterhin gegenüber dem Rentenmarkt, gegenüber Resteuropa und den USA und auch im historischen Vergleich günstig! Hier sind insbesondere die liquiditätsstarken  Dax-Werte zu nennen. Diese haben nun schon seit vielen Monaten eine günstigere Bewertung, als die in den letzten 5 Jahren sehr gut gelaufenen Mid Caps. Auch die Dividendenrenditen sind bei Dax-Aktien inzwischen höher als bei MDAX-Titeln. Die Konsensuszahlen belegen dies: DAX KGV 2005: 12 / MDAX KGV 2005: 14 / DAX KGV 2006: 11 und MDAX KGV 2006: 12,5. Also auch von der Bewertungsseite spricht vieles für ein Engagement im deutschen Aktienmarkt!

e-fundresearch: Vielen Dank für das Gespräch! 

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