Deutsche Fonds: Volatile Underperformer

Deutschland-Aktienfonds schneiden in der Analyse der Berliner Ratingagentur Scope wenig zufriedenstellend ab: Obwohl der Deutsche Aktienmarkt in den letzten drei Jahren enorm an Boden gewinnen konnte, vernichteten 42 der 67 Fonds im aktiven Management das Geld ihrer Investoren. Funds | 01.11.2005 18:00 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Wahl ist entschieden. Deutschland wird –erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte- von einer großen Koalition regiert und hat erstmals mit Angela Merkel eine Kanzlerin. Neben dem Anstieg des Ölpreises und dem wieder schwächelnden Euro war das politische Umfeld wohl das meist diskutierte Thema der Börsianer in den letzten Monaten. Die Kurse der deutschen Aktien konnten seit November des letzten Jahres nahezu ununterbrochen zulegen. Seit Mai diesen Jahres verstärkte sich die Aufwärtsbewegung noch einmal. Deutsche Aktien scheinen wieder en vogue zu sein.

Zweigeteilte Bösenlandschaft

Die Börsenlandschaft in Deutschland ist zweigeteilt: Segmente und Indizes.
Die Aufgliederung in Segmente soll -neben der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Börse selbst- vor allem dem Anlegerschutz und der Transparenz dienen. Für jedes Segment bestehen bestimmte Zulassungsvoraussetzungen und Informationspflichten, welche die Unternehmen erfüllen müssen, um in das jeweilige Segment aufgenommen werden zu können. Diese sind in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen wie z.B. dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) verankert. Die Hauptsegmente an der Frankfurter Wertpapierbörse sind der „General Standard“ und der „Prime Standard“.

Im General Standard gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen für den Amtlichen Markt oder den Geregelten Markt, die selbst auch Marktsegmente repräsentieren. Die Aufnahme in den General Standard erfolgt automatisch mit der Zulassung der Wertpapiere zu einem der beiden Handelssegmente. Entsprechend müssen Unternehmen, die im General Standard notiert sind, jeweils die Zulassungsfolgepflichten des Amtlichen Marktes oder des Geregelten Marktes erfüllen. Derzeit sind dies 441 Unternehmen.

Im Prime Standard müssen die Unternehmen über das Maß des General Standard hinausgehende internationale Transparenzanforderungen erfüllen. Dies sind z.B. die Anwendung eines internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS oder US-GAAP) oder die quartalsweise Berichterstattung in deutscher und englischer Sprache. Derzeit erfüllen 375 Unternehmen diese Voraussetzungen. Die Zulassung zum Prime Standard ist eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die Auswahlindizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX.

Wie Indizes aufgebaut sind

Die Indizes selbst sind sehr strukturiert aufgebaut, jedoch auch zahlreich vorhanden.
Der bekannteste deutsche Aktienindex ist der DAX. Er misst die Performance der 30 größten deutschen Unternehmen des Prime Standard hinsichtlich Umsatz und Marktkapitalisierung. Der Index basiert auf den Kursen des elektronischen Handelssystems Xetra. Seine Berechnung beginnt ab 9.00 Uhr und wird veröffentlicht, sobald tagesaktuelle Preise für mindestens 20 Gesellschaften vorliegen. Sie endet um 17.30 Uhr mit den Kursen der Xetra-Schlussauktion. Die größten Werte im DAX sind E.ON, Siemens und die Allianz. Auf der Sektorebene sind hier Industriegüter & Dienstleistungen, Versorger, Automobil- und Finanzwerte dominierend.

Der MDAX enthält die Werte der 50 Unternehmen des Prime Standard aus klassischen Sektoren, die den im Aktienindex DAX enthaltenen Unternehmen hinsichtlich Umsatz und Marktkapitalisierung nachfolgen (Midcaps). Die größten Unternehmen sind hier EADS, Hypo Real Estate und die Depfa Bank. Die Sektoren Industriegüter & Dienstleistungen, Gesundheitswesen und Banken machen hier bereits die Hälfte der Marktkapitalisierung aus.

Der SDAX ist der Auswahlindex für 50 kleinere Unternehmen, so genannte Smallcaps, die den im Aktienindex MDAX enthaltenen Werten nachfolgen. Die Top 3 sind GFK, Fuchs Petrolub und Balda.
Die Entwicklung der 30 größten Technologieunternehmen des Prime Standard, die den im DAX enthaltenen Unternehmen hinsichtlich Umsatz und Marktkapitalisierung nachfolgen, bildet der TecDax (als „Nachfolger“ des Neuer Markt Indexes Nemax) ab. Qiagen, BB Biotech und –nach den exorbitanten Kurszuwächsen der letzten Monate- Solarworld sind hier die bedeutendsten Unternehmen.

Schlussendlich fasst der CDAX alle Unternehmen des General Standard und Prime Standard zusammen, der HDAX die Werte des DAX, MDAX und TecDAX. Die Grafik rechts verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den Segmenten und Indizes.

Politische Börsen haben kurze Beine

Auch wenn die „Wahlrallye“ relativ lang war, politische Börsen haben in der Regel relativ kurze Beine. Insofern werden sich die Markteilnehmer wieder der Realität zuwenden und diese muss man doch relativ differenziert betrachten.

Gesamtwirtschaftlich ist in Deutschland nach wie vor viel im Argen. Hohe Arbeitslosenzahlen gekoppelt mit geringem Wirtschaftswachstum, eine durch steigende Inflation verursachte Zinsanhebungsangst, demografisch induzierte Probleme in den sozialen Sicherungssystemen, starre Tarifsysteme vs. einem mehr und mehr europäisierten Arbeitsmarkt, eine hohe Politikverdrossenheit verbunden mit Frustration in der Bevölkerung etc. „warten“ auf die neue Regierung.

Auf Unternehmensseite sind ebenso divergente Entwicklungen zu beobachten. Auf der einen Seite schreitet die Globalisierung weiter voran. Die großen Banken und Versicherungen geben Ihre Überkreuzbeteiligungen auf und stoßen Unternehmensbeteiligungen ab, um sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und wettbewerbsfähiger zu werden, die Restrukturierungen gehen weiter und es sind auch wieder Übernahmen –in beide Richtungen- zu verzeichnen. So wird z.B. die Hypo- und Vereinsbank (HVB) von der UniCredit übernommen und Lufthansa erwarb im März diesen Jahres die Schweizer Fluggesellschaft Swiss. Auf der anderen Seite gehen die Automobilkonzerne derzeit den umgekehrten Weg. Der Einstieg von Porsche bei VW stieß auf wenig Zustimmung an den Kapitalmärkten, da sich hier die „Deutschland AG“ wieder von den Marktgegebenheiten abzuschotten versucht und Besitzstandswahrung betreibt.

Deutsche Aktien: Billig oder teuer?

Relativ gesehen spricht die günstige Bewertung für die deutschen Standardwerte. So hat der DAX trotz der Kursanstiege der Vergangenheit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (auf Basis der Gewinn-Schätzungen für 2006) von ca. 13-14, historisch lag dies eher bei 16. Grund sind die soliden Ergebnisse der im Index enthaltenen Firmen. Betrachtet man nur diese Fakten, so könnte der DAX durchaus ca. 10-15% höher notieren als derzeit.

Die Nebenwertesegmente hingegen liegen über ihren historischen Durchschnittswerten, da sie sich deutlich besser entwickelten als ihr großer „Bruder“. So legten sowohl der MDAX als auch der SDAX seit Jahresanfang um über 30% zu (DAX + 18%). Ausnahme ist der TecDax, der sich schlechter entwickelte (+ 16%) als die anderen Segmente, da hier nach Meinung der Marktteilnehmer die Bewertungen zu hoch und die meisten Titel zu stark zyklisch sind.  Die Zinsen der Bundesanleihen befinden sich weiterhin auf historischen Tiefstständen. Betrachtet man deren KGV (30!), so stellt rational gesehen der Rentenmarkt auch keine Investitionsalternative dar und unterstützt die positive Tendenz am Aktienmarkt. Die Investorenstimmung in Deutschland ist leicht widersprüchlich. Nach einer jüngsten Studie von JP Morgan sind zwar 46,4% aller privaten Investoren positiv für den heimischen Markt gestimmt, jedoch wollen nur 43% in den nächsten zwölf Monaten investieren.

Insofern ist der deutsche Aktienmarkt derzeit nicht zu teuer, aber auch nicht billig. Korrekturen sind nach den starken Anstiegen der Vergangenheit jederzeit möglich. Viele Branchen, wie z.B. der Einzelhandel, befinden sich immer noch in tiefen Krisen. Des weiteren sind gerade in den Nebenwertesegmenten viele Unternehmen sehr spezialisiert oder in kleinen Nischen tätig, so dass hier pauschale Bewertungsaussagen kaum möglich sind. Ein perfektes Umfeld für aktive Fondsmanager, die es verstehen, die richtigen Titel zu selektieren.

Fonds mit enttäuschenden Ergebnissen

Die 67 analysierten Fonds des Clusters „Deutschland“ variieren in ihrer Performance von +61,8% bis –3,5% und im Risiko (Volatilität) von 28,4% bis 12,6% p.a. (Zeitraum 28.06.02-30.09.05). Somit waren die Fonds im Vergleich zum Gesamtmarktdurchschnitt (Volatilität 15,2% p.a.) überdurchschnittlich volatil und hatten tendenziell auch eine unterdurchschnittliche (relative) Performance (Markt +23,8%).

Im Rating konnten fünf Fonds die maximale Bewertung von 5 Sternen für hervorragendes aktives Management erreichen. Der Fonds sowohl mit dem höchsten Gesamtertrag als auch mit dem höchsten Beitrag aus dem aktiven Management war der DWS Aktien Strategie Deutschland mit 61,8% bzw. 31,4%.

Obwohl der Deutsche Aktienmarkt in den letzten drei Jahren enorm an Boden gewinnen konnte, vernichteten 42 Fonds im aktiven Management das Geld ihrer Investoren. So verloren z.B. der Nestor Deutschland 13,7% und der Adig Adifonds 8,3% bei der Titelauswahl.


Tilo Marotz ist Senior Analyst im Bereich Aktienfonds bei der Scope Group in Berlin. www.scope.de



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