Wer sich im Fondsdschungel unter den Tausenden zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Investmentfonds zurechtfinden möchte, greift oft auf ein Rating der einschlägigen Agenturen zurück.
Dabei bleiben allerdings viele Fragen offen: Wer sind die Ratingagenturen, wie sind ihre Bewertungsmethoden? Wie werden Ratings finanziert? Und wie sinnvoll sind Ratings bei der Fondsauswahl?
Folgender Artikel soll versuchen Antworten auf diese wichtigen Fragen zu liefern. Zuallererst aber ein Kurzüberblick über die wichtigsten Anbieter:
1. Standard & Poor´s
S&P legt besonderes Augenmerk auf die Konsistenz der erzielten Anlageergebnisse gelegt. Ein Rating erhalten schließlich nur die Fonds, die zu den besten 20 Prozent ihrer Vergleichsgruppe gehören. Die Bewertungen schwanken zwischen AAA und A. Rentenfonds werden zusätzlich nach ihrer Volatilität beurteilt, hier reicht die Skala von V1 (wenig schwankend) bis V6 (stark schwankend).
2. Morningstar
Morningstar untersucht monatlich die Qualität eines Fonds in einem vergleichbaren Segment. Hierbei werden nur Fonds unter die Lupe genommen, die länger als drei Jahre am Markt sind. Je nach Güte des Fonds in Bezug auf die Performance in seiner Kategorie werden zwischen ein und fünf Sterne vergeben. Während ein Fünf-Sterne-Fonds zu den besten 10 Prozent in Europa gehört, zählt ein Ein-Sterne Fonds zu den schlechtesten 10 Prozent seiner Gruppe und kann somit kaum mehr als Gütesiegel gelten.
3. Lipper Leaders
Bei der zur Reuters Gruppe gehörendem US-Rating-Agentur Lipper stehen vier Kriterien im Vordergrund: Kapitalerhalt, konsistente und absolute Erträge sowie Kosten und Gebühren. Die Notenskala der Lipper Leaders reicht jeweils von eins bis fünf. Während die besten 20 Prozent eine Eins bekommen, erhalten die schlechtesten 20 Prozent die Note Fünf. Je nach den Bedürfnissen der Anleger können die einzelnen Bewertungen entsprechend miteinander verknüpft werden.
4. Feri Trust
Um ein Rating von Feri Trust aus Bad Homburg zu erhalten, muss der zu untersuchende Fonds mindestens fünf Jahre am Markt sein und innerhalb der Kategorie noch mindestens 20 Konkurrenzprodukte existieren. Danach prüft die Rating-Agentur nach zwölf Kriterien wie Volatilität, Tracking Error und die Wahrscheinlichkeit, eine Outperformance gegenüber der Benchmark zu erzielen. Das abschließende Urteil setzt sich zu 70 Prozent aus Performance- und zu 30 Prozent aus Risiko-Kriterien zusammen. Die Skala geht dabei von A bis E.
5. Sauren
Die Sauren Fonds-Research AG nimmt bei der Aufteilung in gute und schlechte Fonds das Fondsmanagement genau unter die Lupe. Untersuchungsgegenstand sind die Anlagepolitik, der Investmentprozess und die Erfolge der Fondsmanager in der Vergangenheit. Im Fokus der Urteilsfindung stehen auch das Fondsvolumen und seine Auswirkungen auf die Managementphilosohie. Sauren führt jährlich über 250 Interviews durch und zeichnet nur die besten Portfoliomanager mit einem bis drei Goldmedaillen je nach Bewertung aus.
6. Scope
Die Berliner Ratingagentur Scope bietet 2005 einen neuartigen Ansatz zur Bewertung von offenen Investmentfonds an. Das von Scope selbst entwickelte System entschlüsselt die Zielmärkte des Fonds unabhängig und wöchentlich über die gesamten drei Jahre des Betrachtungszeitraums - einzig und allein über den Fondspreis. Als Resultat können die Fähigkeiten der Fondsmanager sowohl in Bezug auf seine Zielmarkt-Allocation als auch seine Stock Picking-Fähigkeiten getrennt ausgewiesen und bewertet werden. Für die Gesamtbewertung der einzelnen Performancebeiträge werden neun Bewertungsstufen auf einer Skala von (AAA) bis (D) vergeben. Das Sterne-Rating (1 bis 5 Sterne) hingegen weist die aktiven Fähigkeiten des Fondsmanagements aus.
Ratings vs. Rankings
Vor dem Hintergrund der Anbieterfülle, muss der Anleger zuerst einmal zwischen dem grundlegenden Unterschied zwischen Rating und Ranking unterschieden. Der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. hat im letzten Jahr dazu Transparenz-Standards für die Beurteilung von Investmentfonds durch Ranking-/Ratingagenturen erstellt:
- Das Fondsranking hat einen vergangenheitsbezogenen, deskriptiven Charakter und setzt den Einsatz quantitativer Verfahren zur Ermittlung von (risikoadjustierten) Renditekennzahlen voraus.
- Ein Fondsrating besteht darin, mittels investmentprozessbezogener Soll-Ist-Vergleiche modellbasierte, mindestens ordinalskalierte Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Strukturstabilität der Performance zu fällen. Nur solche Beurteilungsverfahren, die eine nach Gegenstand und Zeitraum genau bezeichnete Vorhersage treffen (Prognosefähigkeit), dürfen für sich beanspruchen, ein Rating vorgenommen zu haben.
In Österreich sind laut Angaben der VÖIG Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften noch keine diesbezüglichen Standards geplant. Eventuell wäre eine Zusammenarbeit mit dem deutschen BVI aber sinnvoll, deutet Dietmar Rupar, Generalsekretär der VÖIG an. Für ihn nehmen Ratings immer mehr an Bedeutung zu: „Der Zug fährt Richtung Ratings“. Kritisch sieht er jedoch die damit verbundenen Kosten. „Und Sicherheit was die zukünftige Performance der Fonds betrifft, erhält der Anleger dadurch auch nicht“.
Wie Profis Ratings einsetzen
Obwohl Ratings theoretisch Prognosequalität aufweisen müssen, sind besonders Profis oftmals skeptisch was die Praxistauglichkeit betrifft. Für Erika Karitnig, Leiterin des Bereiches Dachfondsmanagement bei der Volksbanken KAG, spielen Ratings nur eine sehr untergeordnete Rolle. „Eigentlich schauen wir gar nicht darauf, da wir uns die Fonds die für unsere Dachfonds in Frage kommen selbst genau ansehen“, verrät sie. Einzig die Veränderung des S&P-Ratings, lässt sie in ihre Überlegung mit einfließen: „Dabei schaue ich mir vor allem an, wie Ratingveränderungen begründet werden“, so die Expertin. Ein gutes Rating sei für sie aber kein Grund, einen Fonds in die Portfolios aufzunehmen. Ihre Bedeutung haben Ratings dafür im Marketing: „Im Retailgeschäft darf der Einsatz von Ratings als Marketinginstrument nicht unterschätzt werden“, gibt sie zu bedenken.
Peter Ladreiter, Security KAG: „Wir wählen für unsere Dachfonds immer diejenigen Zielfonds aus, die ein entsprechendes Marktpotenzial erwarten lassen und investieren antizyklisch. Wir sehen uns hierbei die einzelnen Bewertungen sehr genau an. Da nach der Mean Reversion-Theorie alles auf den Mittelwert zustrebt und auch Fonds mit guten Bewertungen in den Folgejahren tendenziell schlechter abschneiden, lässt sich dieses Modell sicherlich auch auf Ratings übertragen. Interessant sind daher die Fonds, die in den letzten Jahren zurückgeblieben sind und nicht die aus den oberen Rängen der Performance-Ranglisten.“
Zielgruppen der Ratings: Fondsverkäufer und Retailkunden
Zielgruppe der Ratings sind also scheinbar nicht die professionellen Fondskäufer, sondern vor allem Fondsverkäufer aus verschiedenen Vertriebskanälen. Und die Marketingstrategen der Fondsgesellschaften haben Ratings schnell als Gütesiegel für sich entdeckt. Wie im Supermarkt - wo mit Qualitätsurteilen á la Stiftung Warentest für Produkte geworben wird - soll mit einem Top-Rating dem Kunden suggeriert werden, einen Topfonds zu kaufen.
Unterschiede im Käuferverhalten zwischen Europa und USA
Um die enorme Bedeutung von Ratings aufzuzeigen, hilft ein Blick in die USA: Dort gehen bereits 98 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Fonds mit einen Rating im oberen Drittel, so eine Studie von Cerulli Associates. Um im Vertrieb überhaupt noch eine Chance zu haben, muss der Fonds dort über eine möglichst hohe Bewertung verfügen. Neue Produkte, die für ein nachhaltiges Rating noch nicht lange genug am Markt sind, müssen erst eine Bewährungszeit mit geringen Mittelzuflüssen abwarten, um sich mit guten Bewertungen für höhere Zuflüsse zu qualifizieren.
In Europa ist die Situation (noch) anders. In Deutschland etwa gingen laut selbiger Studie erst 60 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Fonds mit einem Top-Rating. In Spanien, Frankreich oder Italien liegt dieser Prozentsatz sogar unter 40 Prozent. Dagegen kauften Anleger hierzulande verstärkt neue Produkte, die noch auf ein Qualitätsurteil der Ratinganbieter verzichten mussten. Die Fondsflut - die erst zum heutigen Fondsdschungel führte - ist somit auch auf das Kaufverhalten der Anleger selbst zurückzuführen.
Inhalt statt Verpackung zählt
Die Bedeutung von Ratings für den Absatz von Fonds war somit in Kontinentaleuropa bis vor wenigen Jahren noch zu vernachlässigen. Erst heute gewinnt das Rating ein höheres Gewicht. Doch der Anleger sollte aufpassen, dass er nicht wieder nur auf die Verpackung anstatt auf den Inhalt schaut.
Orientierung im Ratingdschungel
Ein Beleg dafür sind die unterschiedlichen Kategorien der einzelnen Anbieter, die zu einer inhomogenen Zusammensetzung der Vergleichsgruppen und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies führt zu der absurden Situation, dass Berater und Anleger heute nicht mehr nur vor einem Fondsdschungel sondern auch vor einem inflationären Ratingdschungel mit nicht weniger als 14 Anbietern stehen: Standard & Poors, Morningstar, Lipper, Feri Trust, Finanzen/Euro am Sonntag, Financial Webworks, Fonds Advice, Fonds Consult, Fitch, Moody’s, RCP, Sauren, Scope und Südprojekt.
Wer finanziert Ratings?
Vor dem Hintergrund der Ratingvielfalt, sollte nicht auf die Frage vergessen werden, wer Ratings überhaupt finanziert. In der Regel ist das nämlich der jeweilige Fondsanbieter selbst. Solange Anleger für unabhängige Ratings aber nicht in die Tasche greifen (wollen), werden die Fondsanbieter weiterhin für ihre Ratings selbst bezahlen müssen. Um diese Kosten zu rechtfertigen scheint es also nur verständlich, diese als Gütesiegel im Vertrieb stark zu forcieren. Logisch erscheint deswegen auch, weshalb schlechte bzw. Negativratings in der Regel nicht veröffentlicht werden.
Von den institutionellen Anlegern lernen
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen Ratings ist aber das Verhalten der institutionellen Anleger, die offenbar bei der Fondsauswahl auf die Urteile der einschlägigen Anbieter verzichten. Viele Retailkunden sollten von den institutionellen Anlegern lernen. Nicht das Rating selbst sollte das erste Auswahlkriterium eines Fonds sein, sondern das kleine Anlageeinmaleins aus persönlichen Zielen, Zeithorizont und individuellem Risikoprofil. Dieser erste Filter schränkt die in Frage kommenden Fonds bereits erheblich ein. Erst dann kann ein Blick auf die einschlägigen Ratinglisten sinnvoll sein, wobei hier die notwendige Skepsis durchaus angebracht erscheint.