Volatile Aktienmärkte und die Entwicklung an den Devisenmärkten beherrschten in den vergangenen Wochen und Monaten das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten. Speziell die so genannten Emerging Markets mussten zum Teil empfindliche Verluste hinnehmen. Etwa die Türkei: Der Istanbul Stock Exchange National 100 Index verlor seit Anfang Mai bis Mitte Juni rund 21 Prozent auf Basis Türkische Lira. Im gleichen Zeitraum büßte die türkische Landeswährung sowohl gegen den US-Dollar als auch gegen den Euro knapp 17 Prozent ein.
„Solch eine Entwicklung legt den Schluss nahe, dass an den Emerging Markets eine Verbindung zwischen Kursänderungen an den Aktienmärkten und der jeweiligen Landeswährung herrscht“, ortet Edgar Maichel, Zinsexperte der Salzburger Schoellerbank.
Besteht hier ein genereller Zusammenhang?
Um den Zusammenhang zu überprüfen, stützt er sich auf langfristige Daten. Als Beispiel führt er die Türkei an: „Die türkischen Aktienmärkte haben seit Jänner 1999 durchschnittlich ein jährliches Plus von rund 40 Prozent erwirtschaftet, während die Türkische Lira gegen den Euro im gleichen Zeitraum ein durchschnittliches Minus von nicht ganz 25 Prozent hinnehmen musste“. Auch andere Beispiele bestätigen das Bild: „Während in Südkorea beide Märkte seit 1999 im Plus (Aktien: 11,6 Prozent p. a., Währung: 2 Prozent p. a.) liegen, ähnelt die Entwicklung in Mexiko (Aktien: +24 Prozent p. a., Währung: -3 Prozent p. a.) zumindest in Ansätzen jener der Türkei“.
Aber was passiert in Krisensituationen?
Wie sieht die Situation aber im Falle plötzlich eintretender Turbulenzen an den Märkten aus? Während der Asienkrise verzeichneten die Finanzmärkte der so genannten Tigerstaaten massive Verluste. Alleine der "KOSPI" (Korea) verlor 1997 von seinem Höchststand über 50%. An der Korea Stock Exchange setzte der Abwärtstrend Mitte des Jahres ein und auch der Koreanische Won musste im Laufe desselben Jahres noch deutlich Kursverluste hinnehmen.
Ein ähnliches Bild zeigte sich auch in Thailand: Der Abwärtstrend des "SET" setzte zwar bereits zu Beginn des Jahres ein, wurde im Juni und Juli von einer kurzen Erholung unterbrochen und ging dann bis Ende des Jahres weiter. Alles in allem verlor der thailändische Aktienindex in diesem Zeitraum deutlich über 50%. Aber auch in Thailand konnte sich die Landeswährung, der Bath, der Schwäche der Aktienmärkte nicht entziehen und verlor ab Mitte des Jahres ebenfalls rund 50%.
„Solch ein Zusammenhang zwischen Aktien und Währungen lässt sich jedoch nicht nur während der Asienkrise beobachten. Auch in Mexiko Ende 1994 oder während der Russlandkrise folgten die jeweiligen Währungen dem Vorbild der Aktienmärkte und verzeichneten zum Teil erhebliche Kursverluste. Dieses Phänomen kann somit nicht regional eingegrenzt werden. Eher schon trifft hier die Aussage zu, dass in erster Linie die Emerging Markets betroffen sind“, berichtet Maichel.
Festzustellen seien in diesem Zusammenhang auch die in Krisenzeiten stark zusammenlaufenden Korrelationen. Auch breit gestreute und gut diversifizierte Portfolios würden in Krisenzeiten deshalb stark verlieren.
Was ein Investor noch wissen sollte…
Aber noch weitere Aspekte seien auffallend und für den Investor wichtig: „Im Vorfeld solcher Phasen sieht man oft starke Kursgewinne an den Aktienmärkten, verbunden mit einem regelrechten Hype seitens privater Investoren und einer deutlich intensiveren Medienberichterstattung als üblich. Ein weiterer Punkt ist, dass im Falle von Krisen meist zuerst die Aktienmärkte unter Druck kommen – hin und wieder zwar mit einer gewissen Verzögerung, schlussendlich aber doch, kann sich dann auch die jeweilige Landeswährung der Entwicklung an den Aktienmärkten nicht entziehen und muss ebenfalls Kursverluste hinnehmen“, stellt der Experte fest.
Aktuelle Gefahrenherde
Derzeit ist dieser für den Investor wichtige Zusammenhang jedoch nicht nur im Falle der Türkei oder Osteuropa erkennbar. Auch im asiatischen Raum mehren sich die Länder mit ähnlich gelagerten Problemen. Egal ob Indien, Indonesien oder Thailand – die Börsen dieser Staaten mussten in den vergangenen Wochen und Monaten nach sagenhaften Gewinnen und dem damit verbundenen Medieninteresse zum Teil erhebliche Kursverluste hinnehmen; auch die jeweiligen Landeswährungen geraten zunehmend unter Druck. Und trotz leichter zwischenzeitlicher Erholungstendenzen scheinen weitere Währungsverluste nicht unwahrscheinlich.
Aber auch die großen süd- und mittelamerikanischen Märkte konnten sich den Problemen an den Emerging Markets nicht entziehen. Neben Argentinien, das in den letzten Jahren ohnehin mit großen Problemen kämpfte, und Mexiko ist mit Brasilien auch das größte Land dieser Region davon betroffen.
„Anleger vergessen Währungsrisiko“
„Hier zeigt sich einmal mehr, dass gerade nach Boomphasen an den Emerging Markets Vorsicht geboten ist. Zu groß ist der Reiz von möglichen Gewinnen und gleichzeitig blendet man potenzielle Gefahrenherde aus. Die Gefahr lauert jedoch wie beschrieben nicht nur an den Aktienbörsen. Die Währungskomponente sollte nicht außer Acht gelassen werden. Denn andernfalls droht doppeltes Ungemach“, rät Maichel schließlich.
Spread derzeit zu gering
In der gesamten Schoellerbank stehe man deswegen dem Thema Emerging Markets sehr kritisch gegenüber: „Die Risiken stehen momentan in einem ungünstigen Verhältnis zu den Chancen“ Abzulesen sei das am geringen Risikoaufschlag riskobehafteter Assetklassen, zu denen neben Emerging Markets Aktien und Anleihen aber u.a. auch Corporate Bonds zählen.