Sie ist in aller Munde und herrscht bereits lange vor ihrem voraussichtlichen Inkrafttreten ab November 2007 für Diskussionen. Die Rede ist von der neuen EU- Richtlinie über Märkte für Finanzdienstleistungen (engl. "Markets in Financial Instruments Directive“), kurz MiFID.
Was ist MiFID?
Die MiFID ist Kernstück des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen und wurde im November 2002 vorgestellt, mit der Absicht die bestehende Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen (ISD) von 1993 zu aktualisieren. Sie sollte der wachsenden Anzahl grenzüberschreitender Transaktionen, welche seit 1996 jährlich um 20 bis 25 Prozent gestiegen waren, gerecht werden und sie weiter vorantreiben.
Vor allem der Vertrieb ist betroffen
Die Hauptpunkte der neuen Richtlinie sind neben dem grenzüberschreitenden Erwerb von Finanzprodukten ein verbesserter Anlegerschutz und eine erhöhte Transparenz gegenüber den Endkunden, etwa im Kostenbereich. Sie zielt vor allem auf den Finanzvertrieb ab und verpflichtet etwa Banken und Berater dazu "ehrlich, redlich und professionell im besten Interesse eines Kunden zu handeln". Bedeutet: Der Vertrieb muss erstmals die Kosten für die Finanzdienstleistungen „in geeigneter Form“ offen legen.
Tabuthema Bestandsprovisionen bzw. Retrozessionen
Besonders heikel ist im Rahmen der Offenlegung der Kosten dem Endkunden gegenüber die gesonderte Ausweisung der Bestandsprovisionen. Diese Provisionen (auch "Kickbacks" oder „Retrozessionen“ genannt), erhalten die Vermittler - zusätzlich zum einmaligen Ausgabeaufschlag beim Kauf des Fonds - von den Fondsgesellschaften als Bestandsprovisionen auf die von ihren Kunden gehaltenen Fondsbestände. Je höher die Bestände, desto größer sind die jährlichen Einnahmen des Vermittlers.
Finanziert werden die Kickbacks aus der jährlichen Verwaltungsvergütung, die die Fondsgesellschaften dem Vermögen der jeweiligen Fonds verrechnen und entnehmen. Dieser Punkt ist für Berater derzeit noch ein Tabuthema, weil Endkunden die Existenz dieser Bestandsprovisionen zumeist nicht bewußt ist.
Die Frage ist, ob in der Praxis die unterschiedlichen Gebührenstrukturen einzelner Fondsgesellschaften die Beratungsqualität und Fondsauswahl der Vermögensberater und -vermittler beeinflußt.
Modell der Honorarberatung
Kritiker des bestehenden Systems der Vergütung der Vertriebspartner fordern eine Reduzierung der Bestandsprovisionen und dafür die Verrechnung eines Beratungshonorars für die Erstellung von Anlagevorschlägen und die Fondsauswahl. Obwohl dieses Modell bei Ärzten, Notaren, Rechtsanwälten und Steuerberatern gut funktioniert, gelang der Durchbruch im Bereich der Finanzdienstleistungen bislang noch nicht. Das liegt einerseits daran, daß die Beratungs- bzw. Vermittlungsdienstleistung von den Kunden nicht genügend geschätzt wird und andererseits die Honorarberatung weniger lukrativ für die Vermittler sein dürfte. Im Vordergrund sollte die optimale Beratung des Anlegers stehen - und für gute Beratung sollte auch ein angemessenes Honorar bezahlt werden. Auch hier gilt das bekannte Prinzip: "Was nichts kostet, ist zumeist nichts wert."
Schweiz: Mehr Transparenz bei Bestandsprovisionen gefordert
In der Schweiz haben Bestandsprovisionen kürzlich für einige Aufregung gesorgt. Das schweizerische Bundesgericht hat entschieden, dass diese den Kunden zustehen – sofern die Schweizer Vermögensverwalter oder Banken ihre Kunden nicht "vollständig und wahrheitsgetreu" darüber informiert haben. Den eidgenössischen Fondsvermittlern droht nun eine Klagewelle mit Rückforderungen in Milliardenhöhe. Nicht auszuschließen ist auch, daß unter Umständen auch die Fondsgesellschaften selbst dafür haften könnten. Dies könnte dann der Fall sein, wenn Vermittler nicht mehr in der Lage wären, diese rückgeforderten Provisionen an ihre Kunden zurückzuzahlen.
„Zudem sollen Provisionen zukünftig laut MiFID nur noch zulässig sein, wenn sie bezwecken, die Dienstleistung gegenüber dem Kunden zu verbessern. Bei einer über Jahre gezahlten Bestandsprovision ist natürlich schwer zu argumentieren, warum diese Zahlung noch die Betreuung für den Kunden verbessert“, gibt Dr. Christian Waigel, Rechtsanwalt bei der Münchner Sozietät GSK Gassner, Stockmann & Kollegen, gegenüber dem Nordea-Fondsmagazin „nordic friends“ zu bedenken.
Weitere Neuerungen für Anleger
Zudem müssen sich potenzielle Anleger künftig auf eine längere Fragerunde mit dem Berater einstellen. Denn bald muss dieser seine Kunden auch nach Höhe und Herkunft des Einkommens, nach Verbindlichkeiten und dem Beruf oder Bildungsstand befragen. Investoren von kleineren Unternehmen oder vermögende Anleger werden mit Inkrafttreten der MiFID zudem wie Kleinanleger behandelt werden. In Zukunft werden Anleger nämlich in zwei Klassen aufgeteilt: in Kleinanleger und professionelle Kunden. Die Kleinanleger, zu denen in der Regel nur größere Unternehmen nicht zählen werden, werden voll mit den Frage-, Informations- und Warnpflichten des Anlageberaters konfrontiert.
NEU: Best Execution
Eine Neuerung der MiFID ist zudem die Absicht, in den Regelungen den Grundsatz der „Best Execution“ zu verankern. Die Wertpapierfirmen werden damit verpflichtet, Grundsätze für die bestmögliche Auftragsausführung (Execution Policy) mit detaillierten Inhalten auszuarbeiten und umzusetzen.
NEU: „Best Advice“ - Immer im Interesse des Anlegers
Auch neu ist der Bereich „Best Advice“. Dieser bedeutet, dass Berater sich ausschließlich vom Interesse des Anlegers leiten lassen dürfen. Ganz neu ist dieser Grundsatz jedoch nicht, verankert etwa im deutschen Maklerrecht. „Es war schon immer rechtwidrig, sich beispielsweise vom Provisionsgedanken leiten zu lassen“, stellt Waigel weiter fest.
Ab dem 31. Januar 2007 soll die Richtlinie übrigens in Kraft treten. Bis spätestens zum 1. November des kommenden Jahres muss sie dann in jeweiliges nationales Recht umgesetzt werden.
MiFID wird die Fondsindustrie in den nächsten Monaten noch stärker beschäftigen. Ziel ist ein effizienter Fondsmarkt mit besseren Dienstleistungen für Anleger und mehr Wachstumschancen für Fondsgesellschaften in Europa.
Hinweis: Den Volltext der EU-Richtlinie finden Sie hier.