Seit fast zwei Wochen hält die politische Krise rund um die Präsidentenwahl die Türkei in Atem. Die Auseinandersetzung zwischen den säkularen Kräften, vor allem dem Militär, und der gemäßigt islamistischen Regierung führte zu einem Einbruch der Istanbul Stock Exchange (ISE) um knapp acht Prozent. Der Ausweg aus der politischen Krise führt über Neuwahlen. Gleich zwei Mal bittet Premierminister Recip Tayyip Erdogan nun das Wahlvolk an die Urnen. Das Parlament wird am 24. Juni neu gewählt und der Präsident – nach einer Verfassungsänderung – wird zum ersten Mal ebenfalls vom Volk, nicht vom Parlament, gewählt.
Volatilität als Konstante
Damit scheint die politische Krise vorerst überstanden. Der Istanbuler Aktienmarkt wird aber noch die nächsten Wochen nervös bleiben. Dabei zählt die türkische Börse auch ohne politische Krisen zu den volatilsten der Welt. Türkei-Aktienfonds liegen im 12-Monats-Vergleich nach dem enormen Kurssturz im Mai 2006 daher zwischen -1,5 Prozent (ESPA Stock Istanbul) und -11,0 Prozent (East Capital Turkish). Seit dem 26. April verloren Türkei-Fonds zwischen 5,7 Prozent (DWS Türkei) und 7,5 Prozent (Parvest Turkey C). Im 12-Monatsvergleich konnte Manfred Zourek, Fondsmanager des ESPA Stock Istanbul, somit am besten mit dem volatilen türkischen Aktienmarkt umgehen.
In einer ersten Aussendung warnte er vor der Überbewertung der Krise, „die Türkei bleibt ein langfristiges Investment,“ denn „politische Börsen haben kurze Beine.“ Im Gespräch mit e-fundresearch sprach er über die Aussichten für Türkei-Anleger und das besondere Risiko bei Türkei-Investments.
e-fundresearch: Herr Zourek, die aktuelle Krise hat zahlreiche Investoren verunsichert. Citigroup hat die türkischen Aktien von overweight auf underweight zurückgestuft. Wie sollten Anleger vor diesem Hintergrund reagieren?
Manfred Zourek: Die kommenden Wochen werden in der Türkei sicher nicht zu den ruhigsten Zeiten gehören, sondern von stärkerer Volatilität geprägt sein. Abhängig von den publizierten Wahlumfragen ist nicht auszuschließen, dass wir auch noch tiefere Kurse sehen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das Downgrade von Citigroup zu sehen. Investoren, die an das langfristige Potential der Türkei glauben - wie wir es tun - empfehle ich jedoch, die Nerven zu bewahren und sich nicht von politischen Headlines verunsichern zu lassen.
e-fundresearch: Bietet die aktuelle Kurskorrektur auch Einstiegschancen?
Manfred Zourek: Wir erwarten für die Zeit bis zu den vorgezogenen Wahlen eine volatile Bewegung, die immer wieder Chancen für günstige Käufe bieten wird. Investoren sollten die Kurse als günstige Chance sehen.
e-fundresearch: Welche wirtschaftlichen Risiken sehen Sie neben den aktuellen politischen? Experten verweisen immer wieder auf die stark defizitäre Leistungsbilanz, die Gefahr des Kapitalabflusses und Zins- und Währungsängste.
Manfred Zourek: Die angesprochenen Punkte zählen sicher alle zu den potentiellen Risken. Der ausschlaggebendste Punkt ist meiner Meinung nach jedoch die generelle Risikoeinstellung der Investoren. Wenn auf globaler Ebene die Risikoakzeptanz hoch ist, dann wird den existierenden Gefahren nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Steigt die Risikoaversion wie beispielsweise im Mai 2006, werden plötzlich nur mehr Risken und keine Chancen gesehen. Dieses Pendel ist selten im Gleichgewicht sondern schlägt meist zu weit in die eine oder andere Richtung aus.
e-fundresearch: Inwieweit beeinflusst der Ausgang der vorgezogenen Wahlen die langfristigen Investmentaussichten?
Manfred Zourek: Wesentlich ist, dass die Türkei wieder eine stabile Regierung erhält. Historisch waren Koalitionen immer von Meinungsverschiedenheiten geprägt. Das ist auch die Angst, die sich momentan breit macht. Wahlumfragen, die in die Richtung unklarer Verhältnisse deuten, werden den Markt daher eher belasten.
e-fundresearch: Herr Zourek, vielen Dank für das Gespräch.
Alle Daten per 7.5.2007 in Euro
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