„Der Biotech-Sektor gerät als Investmentthema immer stärker in Vergessenheit. In anderen Bereichen gehen die Anleger große Risiken ein, in Hinsicht auf Biotechnologie ist die Risikoaversität aber sehr hoch“, beklagt Eric Bernhardt, Fondsmanager der zusammen rund 320 Millionen Euro großen Clariden Leu (Gue) Biotechnology Equity bzw. Clariden Leu (Lux) Biotechnology Equity Fonds. Bereits in einem Interview im Oktober 2006 vertrat der Schweizer diese Meinung (siehe „Lohnen sich Biotech-Fonds?“ vom 12.10.2006) und ist damit nicht der einzige: Auch Michael Sjöstrom vom Pictet Biotech Fonds (siehe Artikel vom 13. 6. 2006: "Biotech: "Bewertungen auf historischem Tiefpunkt") oder Hans Leitner (ESPA Stock Biotech) sehen das ähnlich (siehe „Wie der Teufel das Weihwasser“ vom 20.12.2006).
Biotech: Gewinnwachstum zwischen 20-25 Prozent p.a.
So liege das Gewinnwachstum der Biotech-Unternehmen in den nächsten Jahren zwischen 20 und 25 Prozent p.a. „Bei einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23, ist die Bewertung mehr als angemessen“, berichtet der Experte. Auch im Vergleich zu Pharma sei Biotech relativ billig: Dort betrage das KGV zwar nur 14, das Gewinnwachstum sei mit sieben aber unterproportional niedriger.
Auch fundamental habe sich hinter den Kulissen der Biotech-Industrie in den letzten Jahren sehr viel Positives abgespielt: „HIV ist zum Beispiel heute kein Todesurteil mehr“, greift Bernhardt eine Entwicklung heraus. „In der Forschung wurden Riesenschritte gemacht, welche die Anleger schlichtweg ignorieren“.
Biotech als klassisches Growth-Investment
Zudem seien Biotech-Unternehmen aufgrund der hohen Gewinnstiegerungen klassische Growth-Investments. „Die lange Outperformance von Value-Aktien haben die Aufmerksamkeit naturgemäß von Growth-Titeln abgelenkt“. Aber in einem Umfeld eines schwächeren Weltwirtschaftswachstums, würde sich das schnell ändern. „Denn dann rücken Growth-Investments in den Vordergrund, da Wachstum auf einmal rar wird“, so Bernhardt, der ein solches Szenario extrem positiv für Biotech-Aktien bewertet.
Pharma: Absicherung gegen Inflation
Inflation ist ein wichtiges Thema für Investoren. Der Pharmasektor bietet aufgrund der starken Marktposition der Pharmakonzerne einen guten Schutz gegen Inflation. Dominante Marktführer im Pharmasektor sind eher in der Lage, bei allgemeiner Preissteigerung auch höhere Preise für ihre Produkte durchzusetzen als Unternehmen in Branchen, die einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind - beispielsweise im Elektroniksektor oder in der Textil- und Bekleidungsbranche.
Mesznik: Auch Pharma weiterhin unterbewertet
Joel Mesznik, Fondsadvisor des Healthcare-Fonds PHARMA/wHEALTH, sieht dagegen eher Pharma-Aktien attrativ bewertet: "Die aktuelle Bewertung des S&P500 ist mit einem durchschnittlichen KGV von 18 sehr moderat - verglichen mit dem Höchststand von 46,5 Ende 2001. Große Pharma-Unternehmen in den USA werden aktuell mit einem KGV von 14 bewertet." Mesznik erwartet jedoch in den nächsten Monaten Gewinnsteigerungen durch Kostensenkungen und höhere Umsätze.
Die Unterbewertung der Pharma-Aktien ist jedoch kein neues Phänomen. Bereits vor mehr als zwei Jahren wurde diese Einschätzung von Joel Mesznik präsentiert (siehe auch Artikel vom 18. 4. 2005: "Healthcare-Aktien extremst unterbewertet"). Auch damals lag die Pharmabewertung um 20 Prozent unter dem Durchschnitt des Gesamtmarktes. Historisch betrachtet lag der Wert des Pharma-Sektors 20 Prozent über dem Marktniveau.
Warren Buffett und Private Equity auf der Käuferseite
Zwei Faktoren könnten nach Ansicht von Joel Mesznik dazu beitragen, die jahrelange Unterbewertung der Pharma-Aktien zu beenden. "Warren Buffett hat im Rahmen eines SEC Filings ein Investment von 1,3 Mrd. USD in Johnson & Johnson bekannt gegeben - vor allem aufgrund der günstigen Bewertung. Johnson & Johnson ist mit einem zukünftigen KGV von 15, einem ROI von 25 Prozent, einer Nettomarge von 19 Prozent, einer Dividendenrendite von 2,7 Prozent und einem Verschuldungsgrad von 16 Prozent sehr solide aufgestellt", erklärt Mesznik die Motivation von Warren Buffett für den Einstieg in eine Branche, die in der Vergangenheit nicht zu seinen Bevorzugten gehörte.
Private Equity Fonds haben in den letzten Jahren durch steigende Mittelzuflüsse an Stärke und Bedeutung gewonnen und immer größere Akquisitionen durchführen können. Heute verfügen die großen Private Equity Gruppen bereits über die finanzielle Muskelkraft um sogar große Pharmakonzerne zu übernehmen. Denkbar sind Strategien, wo die übernommenen Unternehmen in zwei Teile aufgespalten werden. Venture Capital Manager kümmern sich um den riskanten Forschungs- und Entwicklungsbereich des Unternehmens und klassische Buyout-Fonds übernehmen das stabile und zumeist sehr profitable Marketing- und Distributionsgeschäft des Pharmaunternehmens. Erste Vorstöße in diese Richtung wurden beobachtet (Symphony Capital und Celtic Pharma). Mesznik dazu: "Wir erwarten in den nächsten Monaten Bewegung in diese Richtung - ob dies jedoch im großen Stil bereits nächste Woche oder in einem Jahr passiert ist schwer abzuschätzen."
Pharma Economics: Kosteneinsparungen durch weniger Bürokratie
Auch ein weiterer Megatrend sei festzustellen: "Die Wissenschaft ist im 21. Jahrhunderts angekommen - die Verteilung und Administration der Pharmaprodukte hat sich jedoch in den letzten 50 Jahren nicht verändert. Insgesamt 31 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitssektor entfallen auf administrative Kosten. Dies ist doppelt so viel wie die Kosten für die Medikamente, die bei rund 15 Prozent liegen."
Medikamente 1.000mal schlechter als Chips
Ein weiteres Problem ist nach Ansicht von Mesznik die schlechte Qualität der Produktionsprozesse für Medikamente. Zwischen fünf und zehn Prozent der Medikamente seien aufgrund schlechter Qualität nicht verwendbar. Dies entspricht einer 1.000mal höheren Ausschussquote im Vergleich zur Halbleiterindustrie.
Auch betont Mesznik die zunehmende Bedeutung von Healthcare-Investments in einem Umfeld höherer Inflationsraten: „Pharma und Biotech sind ein sehr guter Hedge gegen steigende Inflation“, so der Experte.
Übergewichtung bei Generika und Biotech
Vor einigen Jahren noch standen Generikaproduzenten bei Joel Mesznik noch nicht sehr hoch auf der Liste der bevorzugten Subsektoren im Healthcare-Bereich. Heute wird die Industrie von ihm positiv eingeschätzt. Mit einer Bewertung von 17mal der geschätzten Gewinne 2008 und einer 5-Jahres-Prognose für das Wachstum des Gewinn/Aktie von 20 Prozent ist dies durchaus attraktiv. Mesznik betont jedoch, dass auch bei der Auswahl der Unternehmen auf die wissenschaftlich fundierte Substanz der Unternehmen sehr wichtig ist, weil er in den meisten Bereichen des Generika-Sektors einen Margenverfall erwartet.
PHARMA/wHEALTH: Asset Allokation und Manager
Die aktuellen Gewichtung im PHARMA/wHEALTH sind: 36 Prozent Pharma, 23 Prozent Biotech, 16 Prozent Medizintechnik, 14 Prozent Generika und 11 Prozent Services.
Momentan verwalten vier verschiedene Manager den Fonds, wobei Wellington Management mit 59 Prozent den größten Anteil hat. Dahinter folgt mit 22 Prozent Sectoral Asset Management in Montreal vor Medical Strategy in München (14 Prozent) und Origin Capital Management in San Francisco mit sechs Prozent (siehe auch Artikel zum letzten Fondsmanagerwechsel: „Medical Strategy wieder im Boot“ vom 10. Juli 2006).
Langfristige Fondsperformances im Überblick
Seit Auflegung am 23. 11. 1993 erzielte der PHARMA/wHEALTH eine annualisierte Performance (USD) von 13,1 Prozent p. a. gegenüber 11,3 Prozent für die Benchmark (50 Prozent NASDAQ Biotech und 50 Prozent MSCI World Health Care). Das aktuelle Fondsvolumen liegt bei USD 205 Mio.
Der Clariden Leu (Lux) Biotechnology Equity Fonds erzielte seit Auflage im Oktober 2001 einen Ertrag von -1,6 Prozent p.a., der bereits 1997 aufgelegte Clariden Leu (Gue) Biotechnology Equity kam seit Mai 1999 aber auf ein jährliches Plus von 13,3 Prozent und schlug etwa den MSCI World/Biotechnology Index um vier Prozent p.a.
Fazit
Kaum ein anderer Sektor erzielte in den letzten fünf Jahren niedrigere Renditen als Pharma/Biotech. Mittlerweile befinden sich die Bewertungen auf historischen Tiefständen, trotzdem bleiben die Mittelzuflüsse aus. Bereits seit Mitte letzten Jahres mehren sich aber die Stimmen derer, die darin eine Übertreibung nach unten hin sehen. Namhafte Experten wie Joel Mesznik, Eric Bernhardt, Michael Sjöström oder Hans Leitner sehen den Sektor im Vergleich zum breiten Markt als zu billig an. Die Gegenbewegung sei nur eine Frage der Zeit…
Alle Daten per 20.6.2007 in Euro (außer anders angegeben)
Quelle: Lipper, Sal. Oppenheim