Europa: eine verlorene Dekade?

"Europa hat sicherlich ein Wachstumsproblem", Horst Simbürger, CIO, Volksbank Investments, spricht mit e-fundresearch.com über die aktuellen Herausforderung am europäischen Markt sowie die Gefahr einer "lost decade" und erläutert überdies, welche globalen Asset Allocation Möglichkeiten sich aus den derzeitigen Marktbewertungen ergeben könnten. Managers | 10.12.2013 11:52 Uhr
Horst Simbürger, Chief Investment Officer, Volksbank Investments
Horst Simbürger, Chief Investment Officer, Volksbank Investments
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

e-fundresearch.com: Längerfristig betrachtet sehen Sie die Aktienmärkte fair bewertet und Europa günstiger als die USA. In welchem Umfang würden Sie in einem MSCI World Aktienportfolio USA unter- und Europa übergewichten?  

Horst Simbürger: Sowohl länger als auch kürzerfristig handeln die US Märkte ca 20. über fair value. Auf aktuellen earnings liegen die USA bei einem PE von 20,9 der Durchschnitt über die letzten 50 Jahre ist bei 16,7. Auch im Vergleich zu den letzten 10 Jahren (höhere PEs wegen Niedrigzinspolitik + Notenbankliquidität) liegen wir über fair value. Wenn eine Neutralgewichtung beispielsweise 50:50 beträgt wäre die Aufteilung bei 40:60.

e-fundresearch.com: Über welchen Zeitraum würden Sie diese Allokation planen?

Horst Simbürger: Je nach Marktdynamik unterschiedlich, aktuell einmal auf 1 Jahr und dann Reevaluierung.

e-fundresearch.com: Welche Faktoren beobachten Sie in den USA um das Risiko einer Korrektur zu erkennen?

Horst Simbürger: Zusätzlich stellt sich natürlich die Frage des Tapering, es gab eine Aussage der FED die Zinsen nicht erhöhen solange die Arbeitslosenrate über 7% liegt. Die letzte, am Freitag veröffentlichte Arbeitslosenrate liegt bei exakt 7%, eine weitere Senkung würde den Ruf nach Zinsmaßnahmen und Liquiditätsrückführung (Tapering) verstärken.

e-fundresearch.com: Sind Emerging Markets vor Jahresende eine gute Kaufempfehlung?

Horst Simbürger: Angesichts des Bewertungsspreads zum Rest der Welt, ein JA.

e-fundresearch.com: Kurzfristig gibt es auch in Europa sinkende Margen und im Vergleich dazu stärker steigende Kurse. Welches Risiko sehen Sie hier?

Horst Simbürger: Europa hat in den letzten 2 Jahren nahezu keine Gewinnsteigerungen gezeigt, war aber gleichzeitig von höheren Lohnabschlüssen und sinkender Nachfrage konfrontiert. Auf der Kostenseite zeigt sich über sinkende Rohstoffpreise eine Entspannung, die Margen sind seit 2 Jahren rückläufig. Viele Unternehmen haben aber auf der Kostenseite agiert und haben bei einem leichten Wirtschaftswachstum einen operativen Hebel. Weiter sinkende Margen sind - auch aus Gesprächen mit zahlreichen Unternehmen, die wir geführt haben - nicht zu erwarten. Also eher stabil, bis leicht steigende Margen.

e-fundresearch.com: Sind diese Margenrückgänge ein Vorzeichen der drohenden Deflation in Europa?

Horst Simbürger: Das würde ich weniger erwarten, Unternehmen haben zwar keine große pricing power, sie geben aber Preissenkungen nicht 1:1 weiter. Deflation in größerem Stil sollte davon nicht kommen, da werden lieber Kapazitäten stillgelegt als sich in einen ruinösen Preiswettbewerb zu begeben.

e-fundresearch.com: Sie erwähnten zuletzt im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Europa die Gefahr einer „Japanifikation“ und einer verlorenen Dekade. Wie groß ist das Risiko aus Ihrer Sicht und welche Anlagestrategie wird in einem solchen Umfeld empfohlen?

Horst Simbürger: Das war eine Formulierung vom Societe Generale Research, gemeint ist eine Stagnation oder sogar Rezession bei gleichzeitig deflationären Tendenzen. Europa hat sicherlich ein Wachstumsproblem, angesichts der Struktur der europäischen Wirtschaft. Aktuell erzielen die größeren europäsichen Unternehmen nur mehr weniger als 50% ihres Umsatzes in der EU (1970 waren es noch über 70%), und bereits 1 Drittel mit emerging markets. Sollte die Dynamik in den emerging markets anhalten - wovon in abgeschwächter Form auszugehen ist - sollten die Auswirkungen abgefedert werden. Wenn wirklich eine lost decade auf uns zukommt, bedeutet dass auf der Rentenseite wenig Risiko, jedoch auch kein Ertrag, und ein negatives Szenario für Aktien.

e-fundresearch.com: Vielen Dank!

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