e-fundresearch: Herr Seip, der BVI arbeitet an Wohlverhaltensregeln für die Fondsbranche. Was steckt dahinter?
Seip: Der Investmentfonds als sehr gut reguliertes, transparentes und für den Anleger nachvollziehbares Produkt hat auf Grund seiner Transparenz viele Vorteile. Diese Vorteile gilt es weiter auszubauen. Wir sind im Moment in einer Phase, in der die Euphorie am Kapitalmarkt merklich nachgelassen hat und die Verbraucher wesentlich stärker auf die Qualität der angebotenen Finanzprodukte schauen. Im Wettbewerb mit anderen Finanzprodukten soll sich der Investmentfonds unserer Meinung nach in der Form weiterentwickeln, dass er den aufgeklärten und renditebewussten Anleger besonders stark anspricht. Den Anleger, der gerne wissen will, was mit seinem Geld geschieht, der nachvollziehen will, wie sich seine Anlage entwickelt. Insoweit sind die Wohlverhaltensregeln als eine Transparenz- und Fairnessoffensive unserer Branche zu verstehen.
"Fonds werden im alleinigen Interesse des Anlegers verwaltet"
e-fundresearch: Welche Regeln wollen Sie im Detail aufstellen?
Seip: Ausgangspunkt ist der Grundsatz, der im KaGG, im Kapitalanlagegesellschaftengesetz, festgehalten ist, wonach nämlich Investmentfonds im alleinigen Interesse der Anteilinhaber zu verwalten sind. Und wir stellen uns der Aufgabe, nun in zeitgemäßer Form genauer zu definieren, was denn damit gemeint ist.
BVI fordert Richtlinien für Kauf und Verkauf von Wertpapieren
e-fundresearch: Nämlich?
Seip: Beispielsweise, wenn es um das Stichwort Transaktionen geht: Wo und mit wem sind denn eigentlich Transaktionen in Wertpapieren eines Investmentfonds auszuführen? Hier gibt es den regelmäßig kolportierten Vorwurf – und ich kann nicht ausschließen, dass in der Vergangenheit da auch etwas dran war –, dass Fondsgesellschaften solche Transaktionen fast ausschließlich mit ihren Mutterhäusern ausführen und damit innerhalb der einzelnen Verbünde und Konzerne Zusatzeinkünfte erzielt werden. Dagegen ist auch zunächst einmal nichts zu sagen, wenn das der sinnvollste und günstigste Ausführungsweg ist. Aber wir wollen das transparenter machen. Wir wollen dafür sorgen, dass klare Richtlinien für die Verwaltung eines Investmentfonds auch insoweit gelten, wo die Wertpapiere gekauft werden und mit wem im einzelnen gehandelt wird. Es entspricht ganz klar dem Interesse des Anlegers, dass das Fondsmanagement unter mehreren Alternativen wählt, und das muss nicht immer der hauseigene Broker oder die Konzernmutter sein. Ein weiterer Punkt betrifft das Thema Kosten, das nach der jüngsten Erhöhungswelle in der deutschen Fondsbranche ins besondere Interesse der Anleger und auch der Finanzpresse gerückt ist.
e-fundresearch: Allerdings!
Seip: Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass wir als deutsche Investmentbranche im europäischen Vergleich immer noch im unteren Drittel liegen, was die Gesamtkostenbelastung des Anlegers angeht. Es werden aber gleichwohl – und das, obwohl der Investmentfonds bereits ein hohes Maß an Kostentransparenz bietet – verschiedentlich weitere Verbesserungen gefordert. Und wir sind bereit, mit diesen Forderungen offensiv umzugehen.
BVI will Gesamtkostenbelastung stärker ins Schaufenster stellen
e-fundresearch: Was muss ich mir darunter vorstellen?
Seip: Wir streben an, dass der Anleger künftig klar und deutlich gesagt bekommt, welche Kosten neben der ausgewiesenen, jährlichen Managementgebühr außerdem noch aus dem Fondsvermögen bestritten werden. Diese Kosten lassen sich zwar schon jetzt den Rechenschaftsberichten der Fonds entnehmen. Wir sind uns aber durchaus im Klaren, dass nur wenige Anleger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Deswegen wollen wir die Zahlen stärker ins Schaufenster stellen und beispielsweise auch in Verkaufsunterlagen darauf hinweisen, welche Gesamtkosten mit einem Fonds verbunden sind.
e-fundresearch: Bei einigen ausländischen Anbietern ist das schon jetzt üblich.
Seip: Wenn die Diskussion so konstruktiv und zielführend weiterläuft wie bislang, werden wir uns, so meine Hoffnung, auf eine Gesamtkostenquote einigen. Eine Kennziffer ähnlich der angelsächsischen Total-Expense-Ratio (TER), bei der die Kostenbestandteile, die in sie einfließen, standardisiert sind, und die ausdrückt, welcher Prozentsatz des Fondsvermögens jährlich entnommen wird, um die Kosten für Fondsmanagement aber auch andere Kosten des Fonds zu decken.
e-fundresearch: Gibt es weitere Beispiele von Regeln, die Sie aufstellen wollen?
Seip: Wir wollen uns auch mit dem derzeit stark diskutierten Thema Outsourcing beschäftigen. Wir werden, so jedenfalls unsere Erwartung, demnächst ein Schreiben der Aufsichtsbehörde bekommen, das klar festlegt, in welchen Fällen Outsourcing zulässig sein wird - und wir erwarten eine deutliche Liberalisierung. Nach derzeitiger Erwartung wird es künftig möglich sein, alle Teile aus der Prozesskette einer KAG auf Dritte zu übertragen, insbesondere auch das Fondsmanagement. Die einzige klar definierte Voraussetzung wird sein, dass die KAG die Kontrolle und die Verantwortung über die von ihr ausgelagerten Geschäftsteile behält und jederzeit ein klares Reporting der von ihr eingesetzten Dienstleister gewährleistet ist. Wir begrüßen die anstehende Liberalisierung, sind allerdings der Meinung, dass sie von eindeutigen Grundsätzen begleitet werden muss, die sicherstellen, dass auch hier das Interesse des Anlegers an oberster Stelle steht.
Deutsche Fondsgesellschaften bisher mit sauberer Weste
e-fundresearch: Warum braucht es überhaupt Regeln, für Dinge, die selbstverständlich sein sollten? Gab es in der Vergangenheit Vorfälle, die verbindliche Regelungen notwendig machen?
Seip: Seit In-Kraft-Treten des KAGG im Jahre 1957 ist kein Anleger durch ein Fehlverhalten einer deutschen Fondsgesellschaft, durch Gesetzesverstöße oder Regelverstöße, zu Schaden gekommen. Die Fälle, die es gegeben hat, betrafen Anbieter aus dem Ausland mit Vertriebszulassung in Deutschland. Gleichwohl registrieren wir ein allgemeines Anwachsen der Ansprüche der Anleger und der Öffentlichkeit. Wir wollen mit diesem Thema offensiv umgehen und Standards einheitlich anheben und für unsere Branche verbindlich machen, bevor es zu Vorkommnissen kommt, die für uns alle kontraproduktiv sind. Deshalb sind wir auch der Meinung, dass eine Transparenz- und Fairnessoffensive gerade in Zeiten stagnierender Kapitalmärkte, in denen Anleger durchaus zurecht kritischer darauf schauen, was ihnen an Finanzprodukten angeboten wird, der richtige Weg ist. Wir haben keinen konkreten Anlass, in irgendeiner Form an der Integrität unserer Mitgliedsgesellschaften zu zweifeln. Aber Integrität ist das eine und klare Regeln, die dann in interne Richtlinien münden, sind eine wichtige Hilfestellung, um Verbesserungen zu erreichen und das Niveau allgemein anzuheben.
e-fundresearch: Was versprechen Sie sich am Ende des Tages von den Wohlverhaltensregeln in der Kundenbeziehung?
Seip: Zum einem versprechen wir uns davon eine größere Kundenzufriedenheit bei den gut 15 Millionen Investmentsparern, die wir schon gewonnen haben. Und zum anderen haben wir Anfang des Jahres das Ziel angekündigt, die Zahl der Investmentsparer bis 2010 zu verdoppeln. Das heißt, wir wollen das Thema Transparenz durchaus auch als Marketinginstrument einsetzen. Unsere Wohlverhaltensregeln sollen, sobald sie verabschiedet sind, stark ins Bewusstsein der Kunden rücken, um deutlich zu machen, dass der Investmentfonds als einziges Produkt mit der gesetzlichen Verpflichtung, im alleinigen Interesse des Anlegers zu handeln, für alle Anlageziele das geeignete Instrument ist. Und das ist wirklich der Unterschied zu anderen Anlageprodukten.
Die Vorteile von Fonds gegenüber Zertifikaten
e-fundresearch: Ein Beispiel bitte.
Seip: Nehmen sie nur die Zertifikate, die oftmals als Wettbewerber für Investmentfonds gesehen werden. Hier stellt sich der Emittent mit seinem Interesse oft gegen das Interesse des Anlegers. Das muss nicht unbedingt dazu führen, dass der Anleger übervorteilt wird, das wollen wir nicht unterstellen. Aber eine Verpflichtung, im alleinigen Interesse der Anleger zu handeln, hat der Emittent eines Zertifikates nicht. Auch die Kostenstruktur eines Zertifikates bleibt häufig ungenannt. Im übrigen trägt der Anleger beim Zertifikat das Risiko der Insolvenz des Emittenten. Der Investmentfonds als Sondervermögen ist dagegen konkurssicher.
e-fundresearch: Bis wann glauben Sie, werden die Wohlverhaltensregeln eingeführt sein?
Seip: Wir befinden uns derzeit in der Endphase intensiver Abstimmungen mit unseren Mitgliedsgesellschaften. Wir haben das Ziel, im Dialog mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu einem Ergebnis zu kommen, das "Best Practice" oder "Standards of the Industry" in Deutschland einheitlich definiert. Wir wollen im November dieses Jahres damit an die Öffentlichkeit gehen.