e-fundresearch: Herr Professor Walter, macht das Konjunkturprogramm von US-Präsident Bush Sinn oder wird es verpuffen?
Walter: Wir haben es hier mit einem gut durchdachten Programm zur Investitionsförderung zu tun, das ich uneingeschränkt begrüße. Meiner Meinung nach wird es sich sehr positiv auswirken – nicht nur auf die US-Konjunktur, sondern auf die gesamte Weltwirtschaft. Die Steuererleichterungen, insbesondere der Wegfall der Dividenden-Besteuerung, werden zwar nicht unmittelbar zum Kauf von mehr Autos oder Möbelstücken führen. Aber: Wenn die Börse und damit der Markt für Unternehmensfinanzierungen gestärkt wird, erhöht sich die Wachstumsdynamik. Dadurch steigt langfristig auch die Nachfrage nach Konsumgütern.
"Wer keine Steuern zahlt, kann natürlich nicht entlastet werden"
e-fundresearch: Die Opposition in den USA bemängelt, dass vor allem die Reichen profitierten.
Walter: Diese Gerechtigkeitsdiskussion halte ich für eine Farce. Wer keine Steuern zahlt, kann natürlich nicht entlastet werden. Und es ist nicht so, dass die Reichen etwas dazubekommen, ihnen wird nur weniger abgenommen. Davon abgesehen sind Aktien nicht der Oberschicht vorbehalten, sondern in den USA ein weit verbreitetes Anlage-Instrument und ein wichtiger Teil der Altersversorgung. Insofern haben alle, auch die Arbeiterschicht, etwas davon.
"Ich kann mir eine Massenflucht aus US-Staatsanleihen nicht vorstellen"
e-fundresearch: Die Verlierer könnten sicherheitsbewusste Anleger sein, die ihr Geld in Anleihen investiert haben.
Walter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt eine Massenflucht aus US-Staatsanleihen einsetzt. Nach drei Jahren Baisse am Aktienmarkt haben genügend Anleger eine Risiko-Aversion entwickelt und werden den Zinspapieren treu bleiben. Einen Crash am Rentenmarkt brauchen wir also nicht zu befürchten. Sicher ist aber auch, dass das derzeit niedrige Zinsniveau nicht bis in alle Ewigkeit Bestand haben wird – vor allem, wenn die Konjunktur tatsächlich an Fahrt gewinnt. Steigende Zinsen werden die Anleihen eines Tages belasten. Allerdings rechne ich damit frühestens 2004.
"Ich halte es für gefährlich, nur auf die Dividende zu achten"
e-fundresearch: Fest steht aber auch, dass Aktien mit hoher Dividendenrendite gegenüber Anleihen attraktiver werden. Sollen Anleger jetzt in Aktien von US-Unternehmen investieren, die traditionell großzügige Dividenden ausschütten?
Walter: Da zehnjährige Staatsanleihen derzeit nur vier Prozent Zinsen bringen, sind dividendenstarke Titel sicher eine interessante Alternative. Allerdings halte ich es für gefährlich, nur auf die Dividende zu achten. Denn der drohende Irak-Krieg und der damit einhergehende hohe Ölpreis könnten einige Branchen gehörig unter Druck bringen. Für Luftfahrt-Gesellschaften oder Autohersteller, deren Produktpalette schwerpunktmäßig aus Spritschluckern besteht, wäre ein Ölpreis von dauerhaft über 40 Dollar je Barrel brandgefährlich. Deutsche Anleger sollten bei Investments in US-Aktien zudem das Wechselkurs-Risiko bedenken.
"Die Zeiten der beinahe religiösen Verehrung des Dollar sind vorbei"
e-fundresearch: Das heißt: Ein fallender Dollar kann etwaige Kursgewinne wieder aufzehren. Aber stärkt Bushs Konjunkturprogramm nicht gerade die US-Währung?
Walter: In der Theorie: ja. Aber die Zeiten der beinahe religiösen Verehrung des Dollar sind vorbei. Das hohe Leistungsbilanzdefizit und der steigende Schuldenstand der USA werden nicht länger verdrängt. Obwohl ich erwarte, dass das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten in den nächsten zehn Jahren um durchschnittlich einen Prozentpunkt höher ausfallen wird als in der Euro-Zone, glaube ich, dass die Tendenz zum fallenden Dollar noch einige Zeit anhalten kann – wenn auch in abgeschwächter Form.