Walid Kassem: Nicht alle Finanzwerte leiden

Die Kurse von Allianz und Münchener Rück sind im Sinkflug. Deutsche Banken stecken in einer Kredit- und Ertragskrise. US-Investmentbanken leiden unter ihren Exzessen während der Börsenhausse. Die Liste der Probleme im Finanzsektor ist lang. e-fundresearch sprach mit "Chicago-Boy" Walid Kassem, Fondsmanager des MLIIF World Financials, über die Aussichten für Finanzwerte. Managers |

"Etliche Finanztitel sind günstig bewertet"

e-fundresearch: Mr. Kassem, wie geht es mit Finanzaktien weiter?

Kassem: Ich weiß es nicht besser als der Markt. Insofern gebe ich keine Prognosen ab, wann und wie hoch die Kurse steigen.

e-fundresearch: Aber die Kurse sind stark gefallen. Sind Finanztitel jetzt günstig?

Kassem: Nicht alle Aktien sind günstig bewertet, aber etliche Aktien schon.

"In Europa gibt es teilweise nur zwei oder drei Banken pro Land"

e-fundresearch: Welche zum Beispiel?

Kassem: Einige Banken aus Großbritannien sind sehr günstig, ihre KGVs und Preis-/Buchwerte notieren auf langjährigen Tiefstständen. Zudem ist das britische Filialgeschäft keinem starken Wettbewerb ausgesetzt. Deshalb teilen sich wenige Banken den Markt. Zudem setzen sie ihren Fokus auf Profitabilität.

e-fundresearch: Aber das gilt doch nicht nur für Großbritannien?

Kassem: Nein, viele Banken befinden sich in einer oligopolistischen Umgebung. In Europa gibt es teilweise nur zwei oder drei Banken pro Land, die den Markt beherrschen. Das heißt, diese Banken haben Pricing-Power. Also die Macht, ihre Preise durchzusetzen. Das überträgt sich in hohe Erträge.

"In den USA haben wir eine extreme Spezialisierung"

e-fundresearch: Dennoch setzen Sie vor allem auf US-Banken.

Kassem: Viele europäische Banken sind stark diversifiziert. In einer Bank findet man zum Beispiel Privatkundengeschäft und Investmentbanking. Die Attraktivität der einzelnen Geschäftsfelder ist jedoch nicht gleich groß. In den USA haben wir eine extreme Spezialisierung von Finanzdienstleistern, die nur eine Sache machen, und in gewisser Weise auch in Großbritannien. Und wegen ihrer besonderen Fähigkeiten generieren sie so sehr hohe Returns on Capital.

e-fundresearch: Welche sind Ihre Lieblingsspezialisten in den USA?

Kassem: lm Kreditkartensektor sind MBNA und Capital One attraktiv. Bei Banken, die in Hypotheken investieren,  mögen wir Freddie Mac oder Fannie Mae.

"Gute Versicherer preisen ihre Produkte so, als würde der schlimmste Fall eintreten"

e-fundresearch: Wie steht es mit der Profitabilität von Versicherern?

Kassem: Versicherer starten jeden Tag in der Ungewissheit, ob sie einen Verlust erleiden oder nicht. Aber sie wollen überleben. Daher preisen gute Versicherer ihre Produkte so, als würde der schlimmste Fall eintreten. Auf diese Weise machen sie ihre Gewinne. Zwar gibt es kurzfristige Rückschläge, langfristig sind die Gewinne aber stabil.

e-fundresearch: Wo sehen Sie Wachstumschancen für Finanzdienstleister?

Kassem: In den USA und Europa resultiert das Wachstum aus der Konsolidierung. Die Finanzindustrie ist ideal dafür, weil Informationen und Technologien leicht zusammengeführt werden können.

"Citigroup und HSBC werden sich ihre Größe zu Nutze machen"

e-fundresearch: Welche Finanzwerte werden davon profitieren?

Kassem: Citigroup und HSBC. Sie werden sich ihre weltweiten Größenvorteile zu Nutze machen können.

e-fundresearch: Woher kommt die Wachstumsstory in den Schwellenländern?

Kassem: In dem Maß, wie der Wohlstand steigt, wird die Nachfrage nach Finanzdiensten steigen. Das gilt insbesondere für Asien.

"Bei Investmentbanken bin ich vorsichtig"

e-fundresearch: Sie klingen sehr positiv. Aber die Bankbilanzen leiden unter den fallenden Aktienkursen. Und wir sehen weniger Börsengänge, Fusionen und Übernahmen was zu geringeren Erträgen führt.

Kassem: Sie haben Recht. Aber nur drei Gruppen sind davon betroffen.

e-fundresearch: Welche?

Kassem: Zum einen Investmentbanken wie Goldman Sachs, UBS Warburg oder Credit Suisse. Und in gewissem Maß auch die Deutsche Bank. Von 1997 bis 2000 hatten wir hier unvorhergesehen starke Aktivitäten. Deshalb ist es schwierig, die jetzige Situation korrekt einzuschätzen. Ich bin eher vorsichtig.

"Um Asset Manager wie T. Rowe Price oder Franklin mache ich mir wenig Sorgen"

e-fundresearch: Welche Gruppen leiden noch?

Kassem: Asset Manager wie T. Rowe Price oder Franklin leiden direkt unter den gefallenen Aktienkursen. Aber sie haben geringe fixe- und auch variable Kosten. Insofern mache ich mir wenig Sorgen. Außerdem leiden Bank of New York, Mellon oder State Street. Ihre Erträge hängen vom Börsenumsatz ab.

e-fundresearch: Werden die Umsätze wieder steigen?

Kassem: Ich bin skeptisch, ob wir das Bubble-Niveau so schnell wieder sehen werden.

"Ich investiere in Aktien mit einer günstigen Bewertung und einem guten Geschäftsmodell"

e-fundresearch: Ihr Finanzwerte-Fonds hat die Benchmark und die Peer-Group über mehrere Perioden outperformt. Woran liegt das?

Kassem: Ich investiere einfach in Aktien mit einer günstigen Bewertung und einem guten Geschäftsmodell. Das Timing ignoriere ich dabei völlig. Wenn ich glaube, eine Aktie steigt erst in sechs oder zwölf Monaten, kaufe ich dennoch. Das birgt natürlich das Risiko, dass ich zeitweilig auch einmal schlechter abschneide. Da ich aber breit investiere, tritt dieser Effekt nicht so stark auf.

e-fundresearch: Ist der Zeitpunkt günstig, um in Finanzwerte zu investieren?

Kassem: Finanzwerte fallen in der Baisse stärker als andere Titel. Sie haben aber ein sehr stabiles Gewinnprofil. Und man findet außerhalb des Finanzsektors kaum Aktien mit einem derart guten Gewinn- und Wachstumsprofil wie Freddie Mac, Citigroup oder Capital One.

 

Zur Person: Walid Kassem leitet das globale Finanzwerte-Teams von Merrill Lynch. Für das US-Haus arbeitet er seit 1996. In den 70er-Jahren studierte er Ingenieurwesen und Mathematik in Ägypten und machte 1992 seinen MBA in "Finance & Economics" an der Universität von Chicago. Deshalb ist er heute ein "Chicago-Boy" und glaubt an die Effizienz des freien Marktes. Milton Friedman bewundert er als den größten lebenden Ökonomen. In seiner Freizeit spielt Kassem mit seinen drei- und fünfjährigem Söhnen.

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