e-fundresearch.com: Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den Marktentwicklungen 2015?
Susanne Grabinger: Das bemerkenswerteste an 2015 war die Rückkehr der Volatilität in den Märkten, und zwar nicht nur an den Aktienmärkten, sondern in den meisten Anlageklassen und Regionen. Für mich persönlich ziehe ich folgende Lehre daraus: Eine erhöhte Volatilität, wenn sie auch zunächst unangenehm ist, kann doch oft hervorragende Investmentchancen kreieren. Die Themen, die diese Marktschwankungen ausgelöst haben waren ganz unterschiedlich und standen mal im Fokus und gerieten dann wieder in Vergessenheit: Die Ukraine-Krise, Grexit, Brexit, China oder eine mögliche Zinserhöhung in den USA.
Aber selbst wenn man die wirtschaftlichen Daten richtig vorhersagt, die Reaktion des Markes ist häufig völlig anders als man es erwarten würde. Ein Beispiel hierfür war die Euphorie an den europäischen Aktienmärkten in den ersten Monaten des Jahres, was mit dem Start des QE Programms bzw. den Anleiheankäufen der EZB zusammenhing und verbesserten Wirtschaftsdaten im Euroraum. Spätestens im Sommer kippte diese Stimmung allerdings ohne das sich fundamental etwas geändert hatte. In Europa zeigten sich zwar weiterhin bessere Fundamentaldaten, die Märkte aber waren besorgt über eine Verlangsamung des Wachstums in China, was auch europäische Aktien belastete.
Es zeigte sich wieder einmal in diesem Jahr, dass man Marktentwicklungen nicht vorhersagen kann und der Markt selbst für einige Überraschungen sorgt. Aber kurzfristige Volatilität ist nicht unbedingt mit Risiko gleichzusetzen und bietet vielmehr oft interessante Anlagechancen. Wichtig ist es dann, den Mut zu haben, diese zu nutzen, auch wenn es zunächst schwerfällt.
"Die Auftstockung der Aktienquote Ende August nach dem übertriebenen Abverkauf im Zuge der Abwertung des Yuan, hat sich positiv auf die Performance unserer Multi-Asset Fonds ausgewirkt"
e-fundresearch.com: Fondsperformance 2015: Von welchen Trends konnten Sie im Jahresverlauf besonders profitieren und welche Entwicklungen haben Sie „auf dem falschen Fuß“ erwischt?
Susanne Grabinger: Wir haben besonders von der starken Performance bei europäischen Aktien profitieren können, nachdem wir diese in der volatilen Herbstphase 2014 für unsere Portfolios gekauft hatten. Auch die Auftstockung der Aktienquote Ende August nach dem übertriebenen Abverkauf im Zuge der Abwertung des Yuan, hat sich positiv auf die Performance unserer Multi-Asset Fonds ausgewirkt.
Wir waren schon länger skeptisch bezüglich asiatischer Währungen und haben in den flexibleren Mandaten, die wir managen, Short-Positionen aufgebaut. Dass hat sich als vorteilhaft erwiesen, als der chinesische Renminbi und dadurch bedingt, andere asiatische Währungen im Sommer unter Druck kamen.
"Bei US-Aktien setzen wir auf amerikanische Banktitel, die sich in der Vergangenheit in Zeiten höherer Zinsen deutlich besser als der breite Markt entwickelt haben"
e-fundresearch.com: Mögliche Leitzinswende in den USA – weiteres QE in Japan und Europa: Inwiefern beeinflussen die zunehmend divergierenden Notenbankpolitiken Ihre Investmentstrategie?
Susanne Grabinger: Auf europäische Aktien sollte sich eine mögliche Leitzinswende positiv auswirken. Insbesondere europäische Exportfirmen profitieren vom schwachen Euro. Die Unternehmensgewinne in der europäischen Peripherie sind immernoch niedrig, und die Aktien dementsprechend attraktiv bewertet. Bei US-Aktien setzen wir auf amerikanische Banktitel, die sich in der Vergangenheit in Zeiten höherer Zinsen deutlich besser als der breite Markt entwickelt haben.
Im Anleihenbereich haben wir bei US-Treasuries Short-Positionen im kurzfristigen Bereich aufgebaut, die bei einer Zinserhöhung unter Druck kommen könnten. Andererseits halten wir bei Staatsanleihen der Peripherie Europas wie etwa Portugal und Spanien Long Positionen. Die Renditen sind hier deutlich attraktiver als bei deutschen Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit. Im Gegensatz zu den USA wird eine Zinsanhebung in Europa noch vergleichsweise lange auf sich warten lassen. Auf Dauer erwarten wir eher eine Renditeinengung in Form einer Annäherung der Renditen der Peripherie an deutsche Papiere.
Aktien: "immer noch deutlich mehr Potenzial als Anleihen der Hauptmärkte und Cash"
e-fundresearch.com: In welchen Investmenthemen identifizieren Sie derzeit das vielversprechendste Wertpotenzial?
Susanne Grabinger: Wir setzen weiterhin klar auf Aktien. Sie sind zwar nicht mehr so günstig wie noch vor einigen Jahren, bieten aber immer noch deutlich mehr Potenzial als Anleihen der Hauptmärkte und Cash. Wir setzen dabei insbesondere auf die entwickelten Märkte wie Europa und Japan und selektiv auf die entwickelteren Schwellenländermärkte wie Korea und Taiwan. Sie sind attraktiv bewertet, und sollten gutes Potenzial bieten in einem sich weiterhin verbessernden globalen Umfeld.
"Anfang 2015 hatten wir in unseren Portfolios ebenfalls ein sehr deutliches Übergewicht im USD. Inzwischen ist die Bewertung aber nicht mehr so überzeugend"
e-fundresearch.com: Welche Konsensus-Trades bereiten Ihnen im aktuellen Umfeld die größten Sorgen?
Susanne Grabinger: Wir denken, dass viele Markteilnehmer momentan deutlich im USD übergewichtet sind. Anfang 2015 hatten wir in unseren Portfolios ebenfalls ein sehr deutliches Übergewicht im USD. Inzwischen ist die Bewertung aber nicht mehr so überzeugend, da der Dollar in den letzten Monaten stark aufgewertet hat. Im Laufe des Jahres haben wir dann unsere Position im USD signifikant reduziert, indem wir die Gewichtung im EUR erhöht haben. Vor ein paar Wochen wurde diese Gewichtung dann weiter reduziert. Im Gegenzug haben wir ausgewählte Schwellenländerwährungen gekauft. Der mexikanische Peso hat beispielsweise seit Jahresanfang stark an Wert verloren, auch wenn die Fundamentaldaten weiterhin gut aussehen, weil Investoren die Waehrung oft als Proxy fuer weniger liquide Schwellenlaenderwaehrungen verwenden. Wir denken aber, dass Mexiko aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehung zu den USA von der dortigen Erholung profitieren kann. Die Inflation in Mexiko hat sich im Laufe des Jahres verringert und liegt unterhalb des Ziels der mexikanischen Zentralbank. Es wird erwartet, dass Mexiko den USA bei einer möglichen Zinserhöhung folgen wird. Dies sollte sich positiv auf die mexikanische Währung auswirken. Eine andere unserer Meinung nach interessante Schwellenländerwährung ist die indonesische Rupie. Diese Währung hat ebenfalls deutlich abgewertet, und weisst zudem eine erhöhte Carry auf.
2016: "Die zunehmend divergierende Geldpolitik als auch die unterschiedliche Wachstumsdynamik sollte für eine anhaltende Volatilität sorgen"
e-fundresearch.com: Wo lauern 2016 die größten Herausforderungen und welche generellen Volatilitätsniveaus erwarten Sie für das nächste Jahr?
Susanne Grabinger: Wir sind überzeugt, dass es auch im nächsten Jahr zu erhöhter Volatilität kommen wird. Der Grund hierfür könnte ein Wiederaufflammen der Themen sein, die wir in diesem Jahr bereits gesehen haben, oder vielleicht ein ganz neues, unerwartetes Ereignis,. Auf jeden Fall sollte die zunehmend divergierende Geldpolitik als auch die unterschiedliche Wachstumsdynamik (weitere Verbesserung im Westen, Verlangsamung des Wachstums in den Schwellenländern) für eine anhaltende Volatilität sorgen. Wer unbequeme, kurzfristige Marktschwankungen tolerieren kann, dem sollten sich aber auch 2016 interessante Investmentchancen bieten.