e-fundresearch.com: Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den Marktentwicklungen 2015?
Uli Krämer: Drei Themen: Risikobewusstsein; Markttiming; was ist „sicher“.
Punkt 1 musste man sich risikoseitig bewusster als bisher mit seinem Wohlfühlniveau auseinandersetzen. Wer die immer wieder aufgetretenen Marktschwankungen nicht tragen wollte und sich vom Markt verabschiedet hat, hat das möglicherweise zum ungünstigsten Zeitpunkt gemacht und damit nichts verdient.
Punkt 2 wurde wieder überdeutlich, wie schwer Markttiming ist. Summa summarum trotz hoher Volatilität: wer nicht im Markt war, hat viel Performance liegen gelassen.
Punkt 3 haben die „Kurs-Bocksprünge“ auch bei sicher eingestuften Staatsanleihen gezeigt, dass Volatilität aus allen Marktsegmenten kommen kann.
e-fundresearch.com: Fondsperformance 2015: Von welchen Trends konnten Sie im Jahresverlauf besonders profitieren und welche Entwicklungen haben Sie „auf dem falschen Fuß“ erwischt?
"Auch wenn der Ausstieg etwas zu früh erfolgt ist – der Wiedereinstieg hat gepasst"
Uli Krämer: Besonders haben wir von der zwischenzeitlichen Untergewichtung der Aktien profitiert. Auch wenn der Ausstieg etwas zu früh erfolgt ist – der Wiedereinstieg hat gepasst. Zusätzlich profitierten wir von einer vorübergehenden Gewichtung in Wandelanleihen. Damit haben wir auch viel Volatilität aus den Portfolios herausgenommen und ein ausgezeichnetes Ertrags-Risikoprofil erzielt.
Zu früh haben wir Rohstoffe gewichtet und Aktien Emerging Markets auf „übergewichten“ gestellt. Und rentenseitig hätte die Duration im Schnitt etwas länger sein können.
e-fundresearch.com: Mögliche Leitzinswende in den USA – weiteres QE in Japan und Europa: Inwiefern beeinflussen die zunehmend divergierenden Notenbankpolitiken Ihre Investmentstrategie?
"Bei der Entwicklung der Unternehmensgewinne könnten die Eurozone und Japan die Nase vorne haben."
Uli Krämer: Möglicherweise haben die längerfristigen US-Kapitalmärkte ein leichtes Anziehen der FED-Zinsschraube schon eingepreist, so dass die Auswirkungen gering sind und die Durationpositionierung jenseits des Atlantiks höher sein kann als in der Eurozone.
Bei der Entwicklung der Unternehmensgewinne könnten die Eurozone und Japan die Nase vorne haben. Die US-Unternehmen sind mit einem vergleichsweise höheren Zinsniveau, einem stärkeren US-Dollar, einem engeren Arbeitsmarkt und möglicherweise höheren Lohnforderungen konfrontiert, was die Margen drücken könnte. Damit könnte es leichter sein, in der Eurozone und Japan attraktiv bewertete Unternehmen zu finden.
e-fundresearch.com: In welchen Investmenthemen identifizieren Sie derzeit das vielversprechendste Wertpotenzial?
"Im untergewichteten Rentenbereich favorisieren wir inflationsgeschützte Anleihen (...)"
Uli Krämer: Für unser ausgewogenes KEPLER Mixportfolio (strategisch 50 : 50 Renten : Aktien) gewichten wir im neutral ausgerichteten Aktienteil Emerging Markets über (niedrige Bewertungen, stark negatives Sentiment, massive Abflüsse im laufenden Jahr). Ebenso gefallen uns Rohstoffe (Kapazitätsanpassungen finden bereits statt; hoher Pessimismus der Anleger). Im untergewichteten Rentenbereich favorisieren wir inflationsgeschützte Anleihen (vergleichsweise tiefe Bewertungen und damit günstiger Schutz gegen mögliche Inflationsüberraschungen). Möglicherweise ergeben sich rentenseitig auch bald Chancen bei den High Yield Corporates und den Emerging Markets.
e-fundresearch.com: Welche Konsensus-Trades bereiten Ihnen im aktuellen Umfeld die größten Sorgen?
"(...) möglicherweise erhöht die FED doch nicht so viel und schnell wie erwartet"
Uli Krämer: Die Märkte scheinen ein länger anhaltendes tiefes Kapitalmarktzinsniveau in der Eurozone zu antizipieren, das sich quer über alle Laufzeiten hinweg mehr oder weniger seitwärts bewegt. Wenn sich aus welchen Gründen immer diese Erwartungshaltungen sprunghaft verändern, kann die öfter eingeschränkte Marktliquidität zu hohen Kursausschlägen (in beide Richtungen!) innerhalb sehr kurzer Zeit führen.
Der US-Dollar ist momentan die Währung der Stunde, der nur den Weg nach oben kennen sollte. Möglicherweise ist sehr viel bereits vorweggenommen (siehe Reaktion auf die letzte EZB-Ankündigung zur Ausweitung des QE), möglicherweise erhöht die FED doch nicht so viel und schnell wie erwartet. Das könnte schnell umfangreiche Kapitalverschiebungen quer über alle Assetklassen nach sich ziehen.
Und wenn Rohstoffpreise doch nicht länger am Boden bleiben, weil Kapazitäten schneller angepasst werden und/oder Portfolioumschichtungen frühzeitiger als erwartet Positionierungen eingehen, rückt eventuell schneller als erwartet das Thema „Inflation“ in den Blickpunkt der Investoren.
e-fundresearch.com: Wo lauern 2016 die größten Herausforderungen und welche generellen Volatilitätsniveaus erwarten Sie für das nächste Jahr?
Uli Krämer: Phasen, in denen die transatlantische Geldpolitik divergiert, waren immer wieder von erhöhter Volatilität geprägt. Somit gewinnt die korrekte Einschätzung der geldpolitischen Pfade der EZB und FED und deren Auswirkungen auf die Kapitalmärkte erhöhte Bedeutung.
Möglicherweise kommt es in der Eurozone zu labilen politischen Konstellationen, die immer wieder für erhöhte Unsicherheit sorgen werden.
Summa summarum erwarten wir uns aktien- und rentenseitig Volatilitätsniveaus, die in etwa den heurigen entsprechen (inklusive immer wieder auftretender Spitzen).