Interview mit Frank Fischer: „Fuß neben der Bremse!“

Warum der Brexit als Beschleuniger für eine Bankenkrise 3.0 zu sehen ist und welche Strategie sich im aktuellen - von erheblichen Unsicherheiten geprägten - Marktumfeld empfiehlt, erklärt Frank Fischer, Chief Investment Officer der Shareholder Value Management AG, im Interview mit e-fundresearch.com: Managers | 25.07.2016 11:30 Uhr
Frank Fischer, CIO, Shareholder Value Management AG / ©  Shareholder Value Management AG
Frank Fischer, CIO, Shareholder Value Management AG / © Shareholder Value Management AG
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e-fundresearch.com: Wir haben ein turbulentes Halbjahr 2016 hinter uns. Was haben Sie rückblickend richtig und was falsch gemacht?

Frank Fischer: Das erste Halbjahr war geprägt von Schocks an den Märkten und im politischen Raum.  Fallende Ölpreise einerseits und Terroranschläge andererseits erhöhten die Volatilität an den Aktienmärkten. Im Januar rutschten der DAX unter die Marke von 9000 und der Ölpreis unter 30 USD, womit die Rohstoff-Korrektur ihr vorläufiges Ende fand. Wir navigierten relativ gut durch diese Phase, indem wir Cash aufgebaut hatten und Absicherungsgeschäfte tätigten. 

"Per Saldo haben wir in diesem Jahr ein leichtes Plus erzielt, was auch daran lag, dass wir sehr wenig UK und noch weniger Finanztitel im Portfolio hatten, denn Banken, Versicherungen und Autos zählen zu den größten Verlierern."

Seit dem Tief Mitte Februar erholten sich defensive Sektoren, Technologieaktien und Rohstoffe besonders gut. Während der US Markt sich nun auf einem Allzeithoch befindet, ist der Dax trotz negativer Zinsen auf 10-jährige Bundesanleihen immer in der Betrachtung seit Jahresbeginn im Minus. Eine Gelegenheit, die wir leider verpasst haben, waren die Goldminen. Was mich noch mehr ärgert, und da muss ich zugeben, dass wir falsch lagen, war der Brexit. Während wir die Korrektur am Jahresanfang gut umschifften und den Wiedereinstieg in den Markt gut geschafft haben, erwischte das Referendum der Briten uns leider auf dem falschen Fuß. Per Saldo haben wir in diesem Jahr ein leichtes Plus erzielt, was auch daran lag, dass wir sehr wenig UK und noch weniger Finanztitel im Portfolio hatten, denn Banken, Versicherungen und Autos zählen zu den größten Verlierern.

e-fundresearch.com: Sie sind eigentlich ein ausgewiesener Stockpicker und Value-Investor. Inwieweit fließen quantitative Analysen in Ihren Mandaten in den Investmentprozess ein?

Frank Fischer: Generell folgen alle unsere Mandate den vier Prinzipien des Value-Investing in der Tradition von Graham und Buffett. Dabei beinhaltet der Auswahlprozess nicht nur die Bewertungsthematik mit der Sicherheitsmarge, sondern auch den Firmen-Eigentümer und den Wirtschaftlichen Burggraben. Dem vierten Prinzip des Mr. Market begegnen wir mit einer variablen Aktienquote und Absicherungsgeschäften. Der Prozess und auch die handelnden Personen sind dieselben, einzig die Portfolio-Konstruktion folgt anderen Kriterien, da wir nur im Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen ethischen Ausschlusskriterien folgen und einen Fokus auf Dividenden haben. Der PRIMA – Globale Werte enthält mehr großkapitalisierte Aktien, die wir in einem ersten Schritt durch unseren proprietären quantitativen Screening Prozess herausfiltern, bevor wir in der Folge dann die qualitativen Hausaufgaben machen. Dieses Screening machen wir zwar für Aktien jeglicher Größe, allerdings kann man eine solche quantitative Analyse bei größeren Titeln besser anwenden. Zusätzlich beraten wir ja noch einen Luxemburger AIF, der konzentriert in kleinere Titel investiert. Für diesen planen wir eine Zulassung zum öffentlichen Vertrieb in Deutschland und Österreich für nächstes Jahr. Da spielen die quantitativen Ansätze weniger eine Rolle.

e-fundresearch.com: Und welche Rolle spielen die vier Prinzipien, insbesondere Mr. Market, für die einzelnen Fonds? 

"Beim Risiko-Management steht bei uns an erster Stelle die Vermeidung des permanenten Kapitalverlustes. Man kann unseren Prozess quasi als Absolute Return-Ansatz einstufen."

Frank Fischer: Dass Kapitalmärkte zumindest kurzfristig nicht effizient sind, ist ein fundamentaler Bestandteil unserer Philosophie. Dies trifft eher auf kleinere Unternehmen zu, wozu es auch wissenschaftlich erwiesen Vorteile wie den neglected firm-Effekt gibt. Tendenziell wird die allen Mandaten gemeinsame Sicherheitsmarge also mit zunehmender Größe der Aktien geringer. Auch den Business Owner werden Sie bei größeren Aktien weniger finden, Alphabet und Facebook sind hier Ausnahmen. Der wirtschaftliche Burggraben ist dagegen gerade bei Qualitätsaktien oft sehr ausgeprägt. Beim Risiko-Management steht bei uns an erster Stelle die Vermeidung des permanenten Kapitalverlustes. Man kann unseren Prozess quasi als Absolute Return-Ansatz einstufen. Um dies zu gewährleisten bilden, die ersten drei unserer Prinzipien schon ein erstes Sicherheitsnetz. Da aber die Launen von Mr. Market nicht immer rational sind, nutzen wir zusätzlich Cash und Absicherungsinstrumente, um größere Verwerfungen zu umschiffen. Während der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen auf Grund der größeren Anzahl kleinerer Titel tendenziell einen höheren Tracking Error gegenüber den Standardindizes hat, ist eine Absicherungsstrategie mit einem niedrigeren Tracking Error und liquideren Aktien wie beim PRIMA – Globale Werte sauberer und schneller umzusetzen. So unterscheiden sich die drei Fonds in Bezug auf Größe der Titel und in der Anzahl der Titel, wobei der Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen das konservativste Mandat ist.

e-fundresearch.com: Was erwarten Sie für das zweite Halbjahr? Erwarten Sie eine Sommerrallye oder droht uns sogar ein neuer Crash? 

"Der Brexit war der Beschleuniger für die Bankenkrise 3.0. Damit ist das Thema Brexit schon wieder in den Hintergrund verdrängt worden. 360 Milliarden Risikokredite liegen in den Büchern italienischer Banken!"

Frank Fischer: Unternehmen - egal wo auf der Welt - befinden sich nicht im luftleeren Raum. Somit ist die globale Konjunktur immer die Lokomotive, wie wir an den Verwerfungen letzten Sommer gesehen haben, als die chinesische Wirtschaft ins Stocken geriet. In Europa folgt aktuell eine Schreckensmeldung der anderen.

Der Brexit war der Beschleuniger für die Bankenkrise 3.0. Damit ist das Thema Brexit schon wieder in den Hintergrund verdrängt worden. 360 Milliarden Risikokredite liegen in den Büchern italienischer Banken! Das ist aktuell eine der größten Gefahren, auch wenn ich mir keine Illusionen mache: am Ende wird es wieder der deutsche Steuerzahler richten müssen. Eigentlich war das ja ad acta gelegt durch die neue „Anti-Bail-out-Regel“. Nach der sollten zunächst Aktionäre und Gläubiger zur Kasse gebeten werden. Aber wie sagten schon die Alten Römer: „Quod licet Iovi, non licet bovi.“ Was übersetzt heißt: Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Die Ochsen befinden sich da anscheinend in Zypern, Mario Renzi sieht sich wohl eher als italienischer Obergott. Die Erklärung wird dann nachgeliefert. Da fällt den Bürokraten schon irgendwas ein.

Per Saldo führt dies dann dazu, dass die Staaten Europas weitermachen wie bisher. Börsenstörfeuer aus Europa kommt immer dann, wenn das „Weitermachen wie bisher“ durch neue Ereignisse temporär in Frage gestellt wird. Im Übrigen achten wir genau auf Frau Yellen und die FED. Der Zinsanstieg im letzten Dezember war wohl der Hauptgrund für die Schwachen Aktienkurse zum Jahresauftakt.

Sentimentdaten und Konjunkturindikatoren sind nicht  schlecht.  Eine ausgedehnte Sommerrallye ist durchaus möglich. Gefahr droht eher durch politische Risiken, wie ein drohendes Referendum in Italien im Oktober und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl in den USA Per Saldo sind wir Stand heute verhalten optimistisch: „Fuß neben der Bremse!“

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fischer!

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