e-fundresearch.com: Ossiam hat sich als Gesellschaft vor allem dem Thema „Smart Beta“ verschrieben. Inwieweit kann man sich in diesem Bereich als Anbieter denn überhaupt differenzieren?
Bruno Poulin: In Europa waren wir die ersten, die Minimum-Varianz- und Equal-Weight-Strategien in einem ETF-Mantel angeboten und bekannt gemacht haben. Das verschafft uns zunächst einen gewissen Wettbewerbsvorteil. Allerdings werden erfolgreiche Produkte eines Anbieters natürlich von anderen Häusern gern nachgeahmt – die Konkurrenz wächst im Bereich der Smart-Beta-ETFs deutlich. Ossiam unterscheidet sich hier von vielen Wettbewerbern durch den eindeutigen Fokus auf Smart Beta, fortlaufende innovative Produktentwicklungen und ein sehr erfahrenes Team. Uns ist wichtig, Investoren stets einen echten Mehrwert in Form von Research-getriebenen, innovativen Investment-Konzepten zu bieten. Bloße Nachahmer-Produkte wird es daher von Ossiam nicht geben. Investoren kommen dabei zu Ossiam, weil sie die starken Research-Kapazitäten und das daraus resultierende solide Produktdesign schätzen. Auch der kontinuierliche Dialog, in dem wir spezielle Fragen beantworten und dabei helfen, den geeigneten Einsatz für Smart-Beta-Strategien in ihren Portfolios zu definieren, wird von unseren Kunden sehr gut angenommen.
e-fundresearch.com: Böse Zungen behaupten, dass es sich bei „Smart Beta“ nur um eine kurzfristige Modeerscheinung haltet. Was haben Sie diesem Argument entgegenzuhalten?
Poulin: Smart Beta wird eindeutig zum Mainstream. Wir sind überzeugt, dass entsprechende Strategien kein bloßer Modetrend sind, sondern sich noch stärker etablieren werden. Zwar sind Smart-Beta-Angebote noch relativ jung, aber doch schon lange genug auf dem Markt, um ihre Vorteile demonstrieren zu können: Die wichtigsten Anbieter haben bereits einen Track Record, mit dem sich zeigen lässt, was die Strategien im Sinne einer Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils leisten können. So sind beispielsweise einige Ossiam-Produkte seit über fünf Jahren am Markt und haben mit echtem Geld bewiesen, dass sie ihre Ziele erreichen – ein Equal-Weight- und vier unterschiedliche Minimum-Varianz-Fonds. Darüber hinaus mag zwar die Bezeichnung „Smart Beta“ noch relativ neu sein, die Strategien an sich sind es nicht. Lange bevor sie in ETFs verpackt wurden, haben etliche quantitativ orientierte Fondsmanager und solche aus dem Hedgefondsbereich auf genau diese Ansätze gesetzt. Auf dem US-ETF-Markt werden Smart-Beta-Strategien im Übrigen auch schon seit über zehn Jahren angeboten. Von einer bloßen Mode lässt sich da wahrlich nicht sprechen. Vielmehr zeigt sich gerade auch im Wachstum des Smart-Beta-Segments der klare und massive Trend von aktiven zu passiven Strategien, der auf die enttäuschenden Ergebnisse vieler aktiver Manager vor allem während und nach der Finanzkrise zurückzuführen ist. Investoren suchen außerdem immer stärker nach kosteneffizienten Vehikeln für ihre Portfolios. Und hier erscheinen Smart-Beta-Lösungen, die bessere risikoadjustiere Ergebnisse versprechen als traditionelle marktkapitalisierungsgewichtete Indizes, dabei aber viele der Vorteile von Index-Investments bewahren, besonders attraktiv. Eine Gefahr besteht lediglich darin, die entsprechenden Produkte als Allheilmittel misszuverstehen. Niemand sollte erwarten, dass sie sich immer besser entwickeln als traditionelle Strategien. Abhängig vom Marktumfeld können sie durchaus auch einmal schlechter abschneiden. Daher werden wir nie behaupten: „Ossiam-ETFs schlagen den Markt“. Entscheidend ist vielmehr, die angestrebten Ziele herauszustellen, wie etwa die systematische Risikoreduktion unserer Minimum-Varianz-Fonds.
e-fundresearch.com: Seit geraumer Zeit beschäftigt sich Ossiam auch intensiv mit Research im Bereich von „Sustainable Smart Beta“-Lösungen: Was steckt dahinter?
Poulin: Wir haben untersucht, inwieweit sich ein Smart-Beta-Ansatz auf eine Auswahl von Unternehmen übertragen lässt, die Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen. Wir wollten überprüfen, ob ein Ansatz, der beides verbindet, eine wertvolle Ergänzung für Investoren sein kann. Dafür haben wir die größten US-Unternehmen und ihre ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) im Zeitraum von 2009 bis 2016 betrachtet. Bei der Auswahl haben wir dann ein Ausschlussverfahren, das Investments in kontroverse Geschäftsmodelle verbietet, mit einem Best-in-Class-Screening kombiniert, das die nach ESG-Kriterien schlechtesten 30 Prozent der jeweiligen Peergroup ausschließt. Ein solcher Ansatz ist bei europäischen Investoren am weitesten verbreitet. Die Anwendung einer Reihe von Smart-Beta-Strategien auf derartig konstruierte ESG-Portfolios führt zu einer ähnlichen Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils wie bei einem klassischen Portfolio, wie die vorläufigen Ergebnisse der Backtests bis ins Jahr 2009 bestätigen. Das zeigt einerseits, dass sich Smart-Beta-Ansätze auch für ESG-Investoren eignet; auf der anderen Seite lassen sich auch klassische Smart-Beta-Strategien um Nachhaltigkeits-Kriterien erweitern, ohne dass ein Zielkonflikt entsteht.
e-fundresearch.com: Welche konkreten Synergien können bei einer Kombination von Nachhaltigkeits-Screenings und Smart-Beta erschlossen werden?
Poulin: Wie erwähnt, stehen sich ein Nachhaltigkeits-Screening und ein Smart-Beta-Ansatz nicht im Wege und lassen sich gut miteinander kombinieren. Abhängig von der konkreten Strategie können sich darüber hinaus Synergien ergeben, etwa wenn das Ziel eine Reduktion des Risikos ist. So liefert eine ESG-Analyse Informationen über Risiken, die von klassischen Ansätzen nicht erfasst werden – etwa hinsichtlich der Geschäftsführungspraxis. Die fundamentale Basisallokation nach ESG-Kriterien, auf die der Smart-Beta-Prozess angewendet wird, wird zudem von den zusätzlichen Werttreibern profitieren, die Nachhaltigkeitsmaßstäbe mit sich bringen können: So sind Unternehmen, die weit oben in den ESG-Ratings stehen, in aller Regel gut aufgestellt, um einer denkbaren strengeren Regulierung in Form von Umwelt- oder Sozialauflagen zu begegnen.
e-fundresearch.com: Haben Sie bereits konkrete Produkte in dem Bereich „Sustainable Smart-Beta“ lancieren können?
Poulin: Wir haben kürzlich den Ossiam US ESG Minimum Variance NR 1C (EUR) (ISIN: FR0013128543) aufgelegt. Er bildet den gleichnamigen Index ab, der eine dynamische Zusammensetzung der liquidesten und nach ESG-Kriterien am besten bewerteten Aktien aus dem rund 500 Titel umfassenden Solactive US Large Cap Index enthält. Der ESG-Filter selektiert dabei die am höchsten bewerteten 70 Prozent der Aktien jedes Sektors und schließt zusätzlich all jene Aktien aus, die in einem von zehn Ausschlusskriterien mit 0 von 100 Punkten bewertet werden. Auf die verbleibenden Titel wird wie bei den anderen Minimum-Varianz-Strategien ein Optimierungsprozess angewandt, der statistische Daten wie historische Volatilitäten und Korrelationen der Aktien zueinander berücksichtigt, um die erwartete Schwankungsintensität des Index zu minimieren.
e-fundresearch.com: Abschließend ein Blick in die Zukunft: Welche weiteren Forschungs-Bereiche könnten für Ossiam in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen?
Poulin: Ossiam wird in Kürze ein Smart-Beta-Produkt im Anleihebereich auflegen. Der ETF für Unternehmensanleihen mit einem Investmentgrade-Rating wird die Analysen einer bekannten Rating-Agentur einsetzen, um Anleihen mit geringem Risiko und möglicherweise einer Unterbewertung auszuwählen. Außerdem arbeiten wir an einer robusten Methodik, mit der sich der CO2-Fußabdruck dynamischer Portfolios beurteilen lässt. Das entsprechende Maß soll dann in die Portfolio-Konstruktion eingehen. Ziel ist es, Lösungen anzubieten, die den Kohlendioxyd-Ausstoß aktiv berücksichtigen. Und schließlich ist uns daran gelegen, unsere Erfahrung bei Smart-Beta-Strategien zu erweitern, entweder auf neue Anlageklassen oder auf eine Kombination mehrerer Assetklassen.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Poulin.