e-fundresearch.com: Herr Weis, welche Entwicklungen haben Sie mit Blick auf europäische Aktien im vergangenen Kalenderjahr 2018 überrascht?
Franz Weis: Das Jahr 2018 war von Anfang an geprägt von Wirtschaftsdaten, die auf ein stetig sich verlangsamendes Konjunkturwachstum deuteten, und von politischer Unsicherheit – sei das aufgrund von Brexit oder der italienischen politischen und budgetären Situation, die sich beide wiederum negativ auf die Konjunktur auswirken könnten. Viele Anleger vermieden Risiko, weshalb Qualitätswachstumswerte im Sommer auch sehr gefragt waren, aber sie machten sich keine Gedanken, wie realistisch die Gewinnwachstumsprognosen von ca. 10% für 2018 und 2019 waren. Zwar stürzten Ende des Jahres dann die Kurse ab, aber die Unternehmen mussten erst ihre Ergebnisse für 2018 bekanntgeben, die übrigens um nur +5% stiegen, bis sie auch die Schätzungen für 2019 der Realität anpassten: ebenfalls auf nur halber Höhe. Dies zeigt, wie wenig man sich auf die angeblich günstige Bewertung des Markts verlassen kann, wenn sie in Wirklichkeit auf falschen Erwartungen beruht.
e-fundresearch.com: Sie verfolgen einen langfristig orientierten Investmentstil: Haben sich aufgrund der – vor allem in Q4 2018 – verstärkt aufgetreten Volatilitätsspitzen dennoch neue Opportunitäten ergeben, die Sie in den von Ihnen mitbetreuten Portfolios direkt umgesetzt haben? Beispielsweise lang beobachtete „Wunschlistkandidaten“, die kurzfristig eine attraktive Einstiegsbewertung erreicht haben?
Franz Weis: Im 4. Quartal haben wir Ferrari ins Portfolio aufgenommen. Die Bewertung fiel auf ein KGV von 25x. Das EPS Wachstum des Unternehmens dürfte über die kommenden 5 Jahre bei knappen 15% p.a. liegen. Für ein Luxusunternehmen mit diesen Wachstumsaussichten war das eine attraktive Bewertung. Mit über 15 neuen Modellen in den kommenden 4 Jahren sowie dem Verkaufsstart für Ferrari’s ‚Icona‘ Klasse ist das Wachstum gut untermauert. Der Monza SP1 sowie SP2 dürfte im Rahmen der für Ferrari typischen Stückzahllimitierung ein Schlager werden – und sollten dem durchschnittlichen Preis pro Modell gut helfen!
e-fundresearch.com: Immer wieder heißt es, dass sich die guten Tech-Geschäftsmodelle nur in den USA oder China finden lassen. Gemessen am Fondsvolumen des Comgest Growth Europe entfallen mehr als ein Fünftel Ihrer Bottom-Up Stock-Picks derzeit auf Unternehmen aus dem IT-Sektor: Aus welchen Gründen fühlen Sie sich bei diesen Unternehmen so gut aufgehoben und wie „geschützt“ sind jene Aktien gegenüber ausländischer Disruption aufgestellt?
Franz Weis: Unsere Stock Picks im IT Bereich lauten etwa Amadeus IT oder ASML oder aber Dassault Systèmes. Alle diese Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie stehen im Zentrum der Wertschöpfungs- bzw. Produktionskette und nicht am Rande. Es ist somit extrem schwer, diese Sektor-Gorillas aus der Spur zu bringen. Fast alle Halbleiter neuester Generation werden etwa mit Hilfe von ASML Lithographie hergestellt. Ein Großteil des weltweiten Flug- sowie Automobilbaus funktioniert mit der CAD Software von DSTY, deren Lifecycle wird mit der PLM Software von DSTY gemanagt. Für Amadeus gilt, dass das Unternehmen im Markt für Flugbuchungen im Rennen mit Sabre und Travelport stetig Marktanteile gewinnt und erfolgreich in benachbarte Märkte wie Airline- und Airportmanagement sowie Hotelbuchungen expandiert.
e-fundresearch.com: Stichwort “Disruption”: Auch abseits des IT-Sektors werden viele konventionelle Geschäftsmodelle immer häufiger durch neue Technologien bedroht. In welchem Ausmaß berücksichtigen Ihre langfristigen Unternehmensanalysen diesen Umstand und inwieweit hat Comgest hierfür selbst in neue Ressourcen investieren müssen – etwa in Form von neuen, spezialisierten Analysten?
Franz Weis: Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit sind wichtige Elemente unseres Qualitätswachstumsansatzes. Wir mögen Geschäftsmodelle, deren Erfolge auf Produkten und Diensten beruhen, die sich nicht über Nacht ändern. Geberit für Toilettenspülungen, Sika für erfolgreiche Innovation bei Baumaterialien, L’Oréal für die schönheitsbewusste Frau (oder auch den Mann) oder MTU für kritische Komponenten bei Flugzeugtriebwerken.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Weis!
Franz Weis absolvierte sein Studium an der Heriot-Watt Universität in Edinburgh, er hat einen Magister im Bereich Internationales Bank- und Finanzwesen. Er begann seine Karriere 1990 bei Baillie Gifford & Co., wo er als Portfoliomanager und Analyst arbeitete. Danach war er bei F&C Asset Management als Senior Fondsmanager und Direktor verantwortlich für europäische Aktien. Franz Weis ist seit September 2005 bei Comgest als Fondsmanager tätig und wurde 2013 zum Leiter der Analysten und Portfoliomanager des Europa-Teams ernannt.