Geschlossene Publikums-AIF: Hat sich die Verwahrstelle als Kontrollinstanz etabliert?

Seit rund sechs Jahren werden Alternative Investmentfonds (AIF) durch das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) reguliert. In diesem Zuge wurde auch die Verwahrstelle als unabhängige Kontrollinstanz installiert. Inwieweit dieses Vorhaben funktionierte, was sich in der Praxis änderte und wo es konkreten Nachbesserungsbedarf gibt, konnte e-fundresearch.com in einem ausführlichen Exklusiv-Interview mit Robert Guzialowski, Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser, erörtern. Managers | 03.12.2019 06:00 Uhr
Robert Guzialowski, Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser / © Hauck & Aufhäuser
Robert Guzialowski, Leiter Real Assets Deutschland bei Hauck & Aufhäuser / © Hauck & Aufhäuser
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e-fundresearch.com: Herr Guzialowski, bereits seit rund sechs Jahren werden Alternative Investmentfonds (AIF) durch das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) reguliert. In diesem Zuge wurde auch die Verwahrstelle als unabhängige Kontrollinstanz installiert. Hat sich die Einführung der Verwahrstelle als Kontrollinstanz für Kapitalverwaltungsgesellschaften bei geschlossenen Publikums-AIF Ihrer Meinung nach bewährt?

Guzialowski: Diese Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Wegen diverser Betrugsskandale hat das Vertrauen der Privatanleger in geschlossene Beteiligungen stark gelitten. Durch riskante Investitionen am Grauen Kapitalmarkt haben sehr viele Menschen empfindliche Verluste hinnehmen müssen, man denke nur an den Betrug bei der Frankfurter Immobilienfirma S&K. Doch durch das Inkrafttreten des KAGBs und die damit verbundene Einführung der unabhängigen Kontrollinstanz der Verwahrstelle wurde das verlorene Vertrauen zurückgewonnen. Die Sicherheit für die Investments der Anleger geschlossener Produkte wurde aus meiner Sicht damit deutlich gestärkt. Mittlerweile bewegen sich geschlossene AIF auf einem vergleichbaren regulatorischen Niveau wie offene Investmentfonds. Diese Entwicklung begrüße ich ausdrücklich.

e-fundresearch.com: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den KVGs geschlossener Publikums-AIF seit Inkrafttreten des KAGB in der Praxis konkret entwickelt?

Guzialowski: Es hat sich kaum etwas in der Zusammenarbeit geändert, zumindest bei den Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs), bei denen die Abläufe aufgrund offener Produkte bereits bekannt waren. Bei den KVGs geschlossener Publikums-AIF, die zum ersten Mal mit einer Verwahrstelle in Kontakt kamen, hat sich die Zusammenarbeit sehr gut entwickelt. Es war zu Beginn entscheidend, dass wir als Verwahrstelle die KVG mit unserer regulatorischen Expertise und Erfahrung unterstützt haben. Hier bestand der größte Bedarf. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir nach wenigen Jahren nicht mehr als reiner Kostenfaktor, sondern vielmehr als kompetenter Partner – und das über den Einstieg in die regulierte Welt hinaus – wahrgenommen werden.

e-fundresearch.com: Bestehen in der Zusammenarbeit nach wie vor Unklarheiten durch die Regulierung?

Guzialowski: Nein, in der Zusammenarbeit zwischen KVG und Verwahrstelle sehe ich keine Unklarheiten, da die Aufgaben und Kompetenzen im KAGB klar verankert sind. Die Hauptaufgaben von Verwahrstellen in Deutschland sind gesetzlich festgelegt und somit standardisiert. Zwar ist die Verwahrstelle aufgrund des Verwahrstellenvertrages mit der KVG als deren Dienstleister tätig. Entscheidend ist jedoch, dass die Verwahrstelle unabhängig von der KVG handelt und vor allem dem Anlegerinteresse und seinem Schutze untersteht. 

e-fundresearch.com: Wo sehen Sie konkreten Nachbesserungsbedarf im Aufsichtsrecht beziehungsweise in der Aufsichtspraxis?

Guzialowski: Da gibt es mehrere Aspekte. Beim Aufsichtsrecht halte ich die Beseitigung von Stilbrüchen im KAGB für notwendig. Es ist beispielsweise nicht nachzuvollziehen, warum das Gesetz bei den weniger schutzbedürftigen professionellen Anlegern eines offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen bei einem Share Deal grundsätzlich zwei Gutachten einer Immobilie verlangt, während bei den privaten Anlegern eines geschlossenen Publikums-AIF dies nicht der Fall ist. Weiter würde ich mir mehr Klarheit in Bezug auf die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe (z.B. Angemessenheit, Wesentlichkeit etc.) des KAGB wünschen. In der Aufsichtspraxis ist zu bemängeln, dass die Kompetenzen der BaFin klarer vermittelt werden müssten. Es handelt sich bei der BaFin um ein Organ der Exekutive und nicht der Legislative oder der Judikative. In der Praxis wird dies jedoch häufig anders dargestellt, und der BaFin werden mehr Kompetenzen zugeschrieben, als sie tatsächlich innehat. Selbst BaFin-Präsident Felix Hufeld hat in seiner Rede zur Jahrespressekonferenz der Behörde am 7. Mai vor falschen Erwartungen an die Aufsicht gewarnt. Er sagte: „Sich um des vermeintlichen Erfolgs willen zu einer Behörde mit Allzuständigkeit aufzuschwingen – oder zu einer solchen gemacht zu werden, wäre rechtsstaatlich bedenklich.“

e-fundresearch.com: Welche Charakteristika zeichnen eine etablierte und solide Verwahrstelle aus?

Guzialowski: Da gibt es vor allem zwei Punkte. Zum einen zeigt sich in der Praxis, dass eine schnelle Kommunikation durch einen direkten Ansprechpartner extrem wichtig ist. Meistens ist bei Transaktionen, wie etwa dem Erwerb einer Immobilie, die Zeit knapp. Und die Verwahrstelle – als letztes Glied in der Kette des Erwerbsprozesses – sollte auf keinen Fall durch langsames Handeln die Transaktion verzögern beziehungsweise sogar verhindern, also der Dealbreaker sein. Deshalb ist die professionelle und schnelle Kommunikation so wichtig. Außerdem ist die juristische Kompetenz gerade in der AIF-Verwahrstelle von großer Bedeutung. Das gilt insbesondere hinsichtlich der bereits genannten Schwächen des KAGB. Wer hier als Verwahrstelle eine große juristische Expertise vorweisen kann, gewährleistet die beste Lösungskompetenz.

e-fundresearch.com: Welche Zusatzdienstleistungen werden seitens der Kapitalverwaltungsgesellschaften üblicherweise nachgefragt?

Guzialowski: Über das klassische Leistungsangebot einer Verwahrstelle hinaus hat die Nachfrage nach Abstimmungen über Transaktionen im Vorfeld zugenommen. Auch bei diesem Punkt ist die juristische Kompetenz der Verwahrstelle von erheblicher Bedeutung. Gefragt sind außerdem zusätzliche Bankdienstleistungen. Zum Beispiel geraten Brückenfinanzierungen immer mehr in den Fokus der Kapitalverwaltungsgesellschaften. Hier gilt es als weitere Bankdienstleistung, gemeinsam mit der KVG, maßgeschneiderte Lösungen zu finden.

e-fundresearch.com: Technologie & Regulatorik: Welche Entwicklungen werden das Verwahrstellengeschäft Ihrer Ansicht nach in den nächsten fünf Jahren signifikant beeinflussen? 

Guzialowski: Ich erwarte, dass die Regulatorik die Tätigkeit der Verwahrstelle künftig weiter stark in Anspruch nehmen wird, auch wenn höchstwahrscheinlich die große regulatorische Welle vorbei ist. Wichtig für die Zukunft bleibt die Technologie. Hier wäre es zu wünschen, wenn in einigen Bereichen technologische Fortschritte die Arbeit der Verwahrstelle effizienter macht. Ich denke hier beispielsweise an robotergesteuerte Prozessautomatisierung, Blockchain oder auch IT-Programme, die Verträge automatisch prüfen können. In welche Richtung auch immer sich die Zukunft entwickelt: Für mich ist klar, dass die Verwahrstelle aufgrund der komplexen Prüfung gerade bei AIF-Produkten sowie als unabhängiges Kontrollorgan auch künftig ihre Daseinsberechtigung haben wird.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Guzialowski!

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